ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

Weltanschauung auch wieder lebendiger werden und jedenfalls hat Karo's Büchlein Anspruch auf Beherzigung bei denen, welche das Christentum in unserer Zeit und für unsere Kirche verwerten wollen.

Wenigenjena.

Wilhelm Ackermann.

Der Fortschritt von der lehrgesetzlichen Kirche zur Kirche der religiösen Lebensgemeinschaft. Ein Beitrag zur Begründung des Friedens in den evangelischen Landeskirchen und eine Anregung zur Reform ihrer Verfassung. Von D. Emil Sulze. Leipzig 1901 bei O. A. Schulz (G. Schiller) 46 S.

-

Treitschke hat einmal E. M. Arndt einen ,,unermüdlichen Wiederholer" genannt und in dieser Eigenschaft ein Hauptgeheimnis seiner mächtigen Wirksamkeit gefunden. Gutta cavat lapidem. Dasselbe kann man von Sulze sagen. In rasch aufeinander folgenden Schriften, Broschüren und Zeitungsartikeln, nach immer neuen Seiten und in immer neuen Wendungen wiederholt er, was seine Seele ganz erfüllt und was er in ruhig nüchterner und doch warmer Sprache der evangelischen Gemeinde, ihren Leitern und Dienern ans Herz zu legen hat mit einer Ueberzeugungskraft, wie sie eben nur der tiefen und lebendigen eigenen Ueberzeugung verliehen ist. Dass unsere evangelische Kirche aus einer Kirche der Lehrgesetzlichkeit und des Doktrinarismus in eine Kirche des persönlichen religiösen Lebens umgewandelt werde, das ist es, was S. am Herzen liegt. Dann erst, aber dann auch sicherlich werde sie den Romanismus hier, den Atheismus und die socialistische Religionsfeindschaft dort überwinden und damit auch die sociale Frage lösen helfen. Hat Luther gesagt: „Das Wort muss es thun", so fügt S. hinzu: Die hinter dem Worte stehende, es tragende Persönlichkeit muss es thun. Also eine persönliche Religion, ein persönliches Christentum, eine Kirche oder Gemeinde christlicher Personen, die, wenigstens in der Einzelgemeinde, zur Familie wird, in der die Glieder in ein persönliches Verhältnis zu einander treten, nicht eine Gemeinde der „Sachen"): der Gesangbücher, Agenden, Liturgien, der Kirchenbauten, wie sie die von S. als „Romantiker“ Bezeichneten anstreben, sondern eine Gemeinde von lebendigen Personen. Auch nicht eine Kirche, die von einem Lehrgesetz" regiert wird, sondern eine Gemeinschaft, die der lebendige Herzensglaube und die thätige Liebe eint. Wie Sulze's ganzes Amtsleben, so ist seine schriftstellerische Thätigkeit stets diesem Einen Ziele zugewandt gewesen; und eben das gibt seinen Darlegungen einen so mächtigen Nachdruck, dass er ganz aus persönlicher Erfahrung heraus redet. and an seinem Teile selber redlich versucht hat, sein Ideal praktisch zu verwirklichen. Referent selbst ist in der glücklichen Lage gewesen, den Segen der Einrich

1) Wir Protestanten beten nit zu Sachen", sagt Paul Luther in Devrient's

Lutherspiel.

"

tungen, welche S. in diesem Sinne zuerst in Chemnitz in grösserem Massstabe ins Leben gerufen, für den Geistlichen und die Gemeinde zu erproben. Mit seinem neuesten Schriftchen hat nun S. auch seine theoretischen Erörterungen über diesen Gegenstand wirkungsvoll abgeschlossen.

[ocr errors]

Die Aufgabe, die er sich gestellt hat, und die er in seinem inhaltreichen Büchlein eingehend erörtert, fasst er so zusammen: Um die sachlichen Mittel der kirchlichen Wirksamkeit haben wir uns ernstlich bemüht. Ueberall sind neue Gesangbücher, Katechismen, Agenden, Liturgien, selbst Vorschriften für den Kirchenbau entstanden. Die schriftstellerische Thätigkeit der Kirchenregimente ist nun wohl abgeschlossen. Sie war wohlgemeint, aber die Feinde der Religion und der Sittlichkeit, den Atheismus und den Ultramontanismus, hat sie nicht überwunden. Wir haben es nun mit den Personen zu versuchen. Es ist Zeit, sie in den Kampf zu führen, die Landeskirche als das Kriegsheer gegen die Feinde der Religion und der Sittlichkeit zu führen. Wir müssen die Gemeinden so ordnen, dass wirkliche Seelsorge Aller an Allen möglich ist. Wir müssen einen geistlichen Stand schaffen, der, festgeschlossen, innerlich eins, seine Ehre und seine Bedeutung selbst aufrecht erhält. Wir müssen ein einheitliches Kirchenregiment begründen, das ganz der Kirche angehört, streng die Gemeinden und die Geistlichen zur Erfüllung ihrer Pflichten anhält, frei zum Staate steht und doch in echt protestantischer Weise die Harmonie zwischen Staat und Kirche aufrecht erhält." Nach diesen drei Gesichtspunkten legt S. seine Anschauungen und Forderungen dar, die durch die individuelle Beziehung auf seine heimische sächsische Landeskirche nur um so überzeugender wirken müssen.

1. Für die Seelsorge sind kleine Gemeinden zu bilden, in denen der Geistliche persönliche Beziehungen zu allen Gemeindegliedern pflegen kann, und die die Arbeit zu übernehmen haben, um die sich jetzt Vereine, innere Mission, Evangelisation und Gemeinschaftspflege nur mit sehr zweifelhaftem Erfolge bemühen. Presbyterien,. unterschieden vom Kirchenvorstande, sollen dem Geistlichen in der Seelsorge helfend zur Seite stehn.

2. Die Geistlichen, von Verwaltungsgeschäften entlastet durch die Kirchenvorstände, sollen sich lediglich der Seelsorge (einschliesslich der Predigt) widmen, nicht anderen Aufgaben, wie der Leitung von Arbeitervereinen und der Lösung der socialen Frage". Den Segen und das Glück der Seelsorgerthätigkeit weiss S. auf S. 16 sehr schön zu schildern.

"

3. Die Superintendenten, gleichfalls aus dem Zusammenhang kirchenregimentlicher Thätigkeit gelöst und daher besser Bischöfe zu nennen (1 Tim. 3,1), weil Superintendent" zu sehr an die traurige lehrgesetzliche Zeit erinnert", sollen sich ganz der Aufgabe widmen können, ausser der Bezirksgemeinde ihrer Parochie der Gemeinde ihrer Amtsbrüder zu dienen, und ihr Vorbild, ihr Seelsorger, ihr lebendiger Mittelpunkt" sein.

"

4. An Stelle der Kircheninspektionen, wie sie in Sachsen bestehen, in denen der Superintendent mit einem juristischen Vertreter des Patrons sitzt, sind Bezirkskonsistorien einzurichten nach Analogie des Landeskonsistoriums, in dem der ganze Verwaltungsorganismus seine Spitze hat.

Eine Kirche, in dieser Weise organisiert und mit lebendig persönlichem Geist erfüllt, wird erst, so hofft S., ihre Aufgabe recht erfüllen, wird vor allem in der gemeinsamen Arbeit aller theologischen Richtungen zur Hebung christlichen Lebens den Frieden in ihrer Mitte herstellen und, befreit von lehrgesetzlichen Fesseln, sich zur wahren Kirche der religiösen Lebensgemeinschaft" heranbilden.

[ocr errors]

Der Verf. bietet auf wenigen Seiten unendlich viel. Ueber Einzelheiten mit ihm zu rechten muss dem widerstreben, der, von dem hohen Ernst dieser Erörterungen ergriffen, sich in sie vertieft und in ihnen die Lösung unserer kirchlichen Wirren und den Weg zur Heilung unserer sittlichen und socialen Nöte erblickt. Jedenfalls darf keiner, der in diesen Dingen mitreden und mitarbeiten will, die kleine und doch so bedeutungsvolle Schrift ungelesen lassen; es wäre dies geradezu gewissenlos. Aeschach bei Lindau im Bodensee. Gottwalt Karo.

Das religiös-ethische Ideal Pascal's. Von Lic. Dr. Kurt Warmuth. Leipzig 1901, Georg Wigand; 77 S.

In unserer nüchternen, vorwiegend praktisch gerichteten Zeit und gegenüber einer einseitig ethisierenden Richtung in der Theologie darf es gewiss als heilsam. bezeichnet werden, sich in eine Persönlichkeit zu vertiefen, der die christliche Religion und zwar in ihrer Ausprägung als mystische Kontemplation, ein und alles ist und dies um so mehr, wenn es sich um einen Mann handelt von der Ueberlegenheit des Geistes und dem Adel der Gesinnung wie Blaise Pascal.

Lic. Dr. Warmuth zeichnet in einem Büchlein, das dem Leipziger Professor D. Heinrici gewidmet ist, das religiös-ethische Ideal des grossen Jesuitenbekämpfers des 17. Jahrhunderts. Nach einer Einleitung, die eine Art Stimmungsbild ist, folgt ein Ueberblick über die einschlagende Literatur, in dem der Verfasser die Urteile seiner Gewährsmänner über den Gegenstand zumeist wörtlich anführt. Warum die Citate bald im Original, bald in der Uebersetzung?

Die eigentliche Darstellung behandelt die Dogmatik und Ethik Pascal's, indem die Anschauungen, die sich verstreut in den Pensées finden, in ein einheitliches System gebracht werden. Es ist in 3 Hauptteilen die Rede: von dem Verhalten des Christen gegen Gott, gegen sich selbst und gegen die Mitmenschen. Am sympathischsten berühren die Ausführungen des 1. Teiles, die uns in eine Seele. blicken lassen, deren ganzes Lebenselement die Liebe zu Gott und den ewigen Dingen ist. Am charakteristischsten dagegen und auch am umfassendsten ist die

Darstellung des 2. Hauptteiles: Verhalten des Christen gegen sich selbst.

Hier tritt

so recht zu Tage, dass wir in Pascal nichts weniger als einen „Protestanten in katholischer Hülle" vor uns haben. Die Krankheit wird geradezu als der natürliche Zustand des Christen bezeichnet. Sich der Geschöpfe erfreuen, heisst Gott verletzen. Die sociale Ethik, die der 3. Hauptteil des Werkchens darstellt, ist bei Pascal nur sehr dürftig angebaut. Die Gottesordnungen der Familie und des Staates begegnen einer herben Geringschätzung. Pascal wurzelt eben mit seiner Verherrlichung der Askese ganz im Mönchtum, mit seinem bei aller Wertschätzung der freien Gnade doch immer wieder durchschlagenden Verdienstbegriff im Pelagianismus. Der in das mystische Bereich der allgemeinen Gottesliebe sich aufschwingenden Seele entschwindet der feste Boden der Rechtfertigung durch den Glauben und der klaren Gottesoffenbarung im Worte.

In einem Schlusskapitel gibt der Verf. sodann anhangsweise eine kurze Darstellung der glänzenden Polemik Pascal's gegen die jesuitische Kasuistik seiner Zeit, wie diese Polemik in den Lettres provinciales ein unvergleichliches Denkmal gefunden hat. Zugleich teilt er einen Auszug mit aus der einer noch früheren Periode angehörigen Abhandlung Pascal's über die Leidenschaft der Liebe". An den Schluss gestellt, fügen diese beiden Abhandlungen dem Bilde des weltentrückten Mystikers und strengen Asketen noch einige dem Protestanten und dem Menschen besonders wohlthuende Züge bei.

Das Werk Dr. Warmuth's zeugt von liebevoller Versenkung in das Ideal und ist in edler, prägnanter Sprache geschrieben. Auf S. 59 Zeile 13 von oben muss es Bitte statt Almosen heissen.

Grünhainichen.

Göttsching.

Luther's Auffassung der Gottheit Christi. Von Lic. Konstantin v. Kügelgen. Leipzig 1901 bei Richard Wöpke. Quart. 66 S.

"

Der Verfasser sagt im Vorwort: Dass ich ,Ritschlianer bin, wird, so hoffe ich, der Objektivität meiner Darstellung keinen Abbruch gethan haben, wenngleich ich natürlich auch in diesem Zusammenhange weder verleugnen konnte noch wollte, dass ich Dogmatiker und nicht Historiker bin". Ich fürchte, dass in der vorliegenden Arbeit sowohl der Historiker zu kurz, als auch der Dogmatiker nicht ganz zu seinem Rechte gekommen ist.

[ocr errors]

K. findet, dass Luther mit besonderer Vorliebe und starkem Nachdrucke die Menschheit Christi betont und den Gläubigen als ihres Herzens Halt und Trost empfiehlt, während er auf die spekulativen trinitarischen und christologischen Fragen viel weniger eingeht und die Gläubigen davor warnt, damit sich zu sehr verstricken zu lassen. Und darin hat er recht, das ist eine Thatsache, die in Luther's Protestantische Monatshefte. 5. Jahrg. Heft 4.

12

Schriften, den erbaulichen zumal, offen zu Tage liegt. Aber K. findet dann weiter, dass die Menschheit Christi und sein Heilandswirken in ihr für Luther zum Grunde seines Glaubens an die Gottheit Christi geworden und von ihm als solcher geltend gemacht sei. Und damit hat er unrecht. Hier beginnt der Ritschl'sche Dogmatiker K. den Historiker irre zu führen, so dass er teils zu viel, teils zu wenig bei Luther findet. Es erscheint mir nach meiner Kenntnis der Theologie Luther's doch ausgeschlossen, dass ihm je sollte in seinem Heilande die „Menschheit", so sehr er ihre "Wahrhaftigkeit" betont, das Ursprüngliche gewesen sein, aus dessen Entfaltung erst die Gottheit“ vom Glauben ihm zugesprochen oder irgendwie erschlossen werden könnte. Die Gottheit Christi stand Luther zweifelsohne trinitarisch und also ewig ursprünglich fest, die Menschheit aber ist vom Subjekte dieser Gottheit angenommen, und so gerade ist sie für Luther der nicht theologisch, sondern praktisch zu verwertende Grund religiöser Glaubensgewissheit über die rettende Gottesliebe. Solche religiöse Gewissheit konnte Luther aus allen Spekulationen nicht gewinnen, darum warnt er davor, sich in sie zu diesem Zwecke einzulassen, weil dabei das Herz kalt bleibe. Das sollen wir getrost fahren lassen und nach der Menschheit" Christi greifen, in der ist die Liebe Gottes uns nahe gekommen, dass wir's erfassen und glauben können, er wolle wirklich unser Heil. Aber bei alledem kann er doch unser Heil nur wirken als wahrhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geboren, nur dass das blöde Herz dazu kein Zutrauen fassen kann, das es vielmehr gewinnt, wenn es die Menschheit" ansieht und darauf hin getrost im Glauben die Gottheit erfasst. Der Mensch Jesus ist das Organon des trinitarischen Gotteswesens zu unserem Heil und wir können dessen uns nicht genug auch darum freuen, weil dadurch der zuversichtliche Glaube uns möglich wird, den die blosse Gottheit nicht im erschrockenen Sünderherzen erwecken könnte. So beurteile ich Luther's Dringen auf das Halten an der wahrhaftigen Menschheit und es scheint mir unmöglich, dieses Interesse dem gleich zu setzen, was heutzutage theologisch und kirchlich an der wirklichen Menschheit Christi und an der Berufstreue Jesu in seinem Heilandswirken genommen wird.

,,

[ocr errors]

Ein Citat allerdings,. das der Verf. anführt und aus dem er sogar bei Luther eine sittliche Entwickelung und Vervollkommnung Christi zugegeben findet, wie sie seiner wahren Menschheit allein entspricht" also ganz modern machte mich für den ersten Augenblick stutzig. K. führt S. 39, 40 aus der Kirchenpostille Erl. VII, 159 an: „Christus, durch den Glauben erlöset von aller Ungerechtigkeit, machet uns wieder frei, zu leben göttlich und himmlisch, das wir zuvor im Gefängnis der Ungerechtigkeit nicht vermochten." Hier steht ja noch viel mehr als sittliche Entwickelung und Vervollkommnung, hier ist ja eine Erlösung Christi selbst, die in ihm selbst durch Glauben sich vollzogen, ausgesagt, vermöge deren dann er auch uns frei mache. So wäre wohl gar Jesus zuerst auch im Gefängnis der Ungerechtigkeit gewesen? Vielleicht will K. so weit gar nicht folgen,

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »