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Neue Lösungsversuche zur johanneischen Frage.

Von

Prof. D. Otto Pfleiderer in Berlin.

Die johanneische Frage ist noch immer das Schmerzenskind der Theologie; zu der entschlossenen Stellungnahme der Tübinger Kritik hat das jüngere traditionsgläubige Geschlecht keinen Mut mehr, und doch wagt man auch nicht geradezu mit der antikritischen Apologetik zu gehen; so behilft man sich mit allerlei Vermittlungen und literarkritischen Quellenscheidungen, denen zwar ein gewisser Wert nicht abzusprechen sein mag, aber von denen doch schwerlich eine gründliche und befriedigende Lösung des Problems zu erhoffen ist. Da ist es denn für einen alten Tübinger eine wahre Freude, dass kurz hinter einander zwei mit dem Rüstzeug gründlicher Gelehrsamkeit ausgestattete Forscher das Problem neu in Angriff genommen haben und trotz gänzlich verschiedener Wege der Untersuchung doch beiderseits gleichermassen zu Ergebnissen gekommen sind, die mit den alttübingischen in der Hauptsache übereinstimmen, nämlich dass das Johannes-Evangelium eine Lehrschrift und ein Produkt der christlichen, mit der häretischen mehr oder weniger verwandten Gnosis sei. Der eine ist Peter Corssen, der in der bedeutenden Abhandlung über Monarchianische Prologe zu den vier Evangelien" (Texte und Untersuchungen von Gebhardt und Harnack, XV, 1. Heft, 1896) durch die Untersuchung der Leucius'schen Johannes-Akten zu dem Schluss gekommen ist, das Johannesevangelium sei von einem kirchlichen, aber von der Gnosis seiner Zeit erfüllten Manne zu dem Zweck geschrieben, um zwischen den Ideen der doketischen Gnosis und dem geschichtlichen Gemeindeglauben einen vermittelnden Ausgleich herzustellen und für die kirchliche Theologie sowohl den Idealismus der Gnosis als doch auch das geschichtliche Evangelium von Jesus zu retten. Der zweite der genannten Forscher ist der Philosoph Joh. Kreyenbühl, der in seinem umfangreichen Werk') den Beweis für die These zu führen sucht, dass das 4. Evangelium das Werk des häretischen Gnostikers Menandros von Kapparetäa, Schülers des Simon von Gitta und Lehrers von Satornil und Basilides sei, verfasst zu dem Zweck, um als „das Evangelium der Wahrheit" das wahrhaftige geistliche Christentum dem kirchlichen Christentum gegenüberzustellen und dieses in der Person des Bischofs Ignatius von Antiochia aufs entschiedenste zu bekämpfen.

Ich will nun von Anfang bekennen, dass ich die so bestimmte Hypothese nicht für richtig halten kann und die positive Seite der Beweisführung für den schwächsten Teil des Buches halte, obgleich der Verfasser gerade darauf ein grosses

1) Joh. Kreyenbühl, Das Evangelium der Wahrheit. Neue Lösung der johanneischen Frage. I. Bd. Berlin 1900, C. A. Schwetschke & Sohn.

Protestantische Monatshefte. 5. Jahrg. Heft 5.

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Gewicht zu legen scheint. Aber das darf uns durchaus nicht hindern anzuerkennen, dass in dem eigenartigen Buch eine Fülle von Gelehrsamkeit und Scharfsinn steckt, dass der Verfasser sich mit der Begründung seiner Ansicht redliche Mühe gegeben hat, und dass seine Ausführungen im einzelnen so viel Beachtenswertes und Wertvolles enthalten, dass auch der, der das Schlussergebnis nicht annehmbar findet, doch manche Belehrung dem Buche verdanken wird.

Kreyenbühl erhebt für sein Werk den Anspruch, die Frage so zu erledigen, dass an die Stelle eines Problems eine Lösung trete mit der Kraft, alle zu vereinigen, die innerhalb der Substanz christlicher Humanität vereint sein wollen. Es soll nicht eine bloss historische Untersuchung sein, sondern zugleich „ein wahrhaft philosophisches Unternehmen"; es soll das 4. Evangelium erwiesen werden als eins der wichtigsten Dokumente nicht bloss des Christentums, wie alle zugeben, sondern des wahren philosophischen Geistes überhaupt, nämlich der positiv personalistischen Erlösungslehre, die der Kern aller christlichen Philosophie von Menander bis auf Gustav Teichmüller sei. Der Verf. trägt kein Bedenken, jenen alten Gnostiker „einen der modernsten und aktuellsten Philosophen, die es gibt", zu nennen, weil die Modernität und Aktualität nicht darin bestehe, das jüngste Produkt des Büchermarktes geliefert zu haben, sondern „darin, den Wert und die Wahrheit des Erlösungsprozesses in einer Weise und Tiefe erfasst zu haben, welche die Menschheit aus dem Exil in Raum und Zeit hinaufhebt in die Heimat des ewigen Lebens". So wohlthuend diese Begeisterung für den hohen religiösen Idealismus des Evangeliums uns anspricht, so fürchte ich doch, dass mit ihr die nüchterne Besonnenheit des wissenschaftlichen Forschers nicht immer gleichen Schritt gehalten habe; insbesondere scheint der lebhafte Wunsch, einen bestimmten persönlichen Urheber seines „Evangeliums der Wahrheit“ ausfindig zu machen, den Verf. zu allzu kühnen Kombinationen verführt zu haben. Geradezu Erstaunliches leistet er in mass- und grundloser Idealisierung des alten Gnostikers Menander, von dem wir doch weiter gar nichts wissen, als dass er sich für einen von den unsichtbaren Mächten gesandten Heiland der Menschen ausgegeben, durch Zauberbann die Geister besiegen wollte und seinen Anhängern als Wirkung seiner Taufe ein unvergängliches, von Alter und Tod befreites Leben versprochen habe (Iren. adv. haer. I, 23, 5.); wir ersehen daraus nicht einmal, ob dieser Magier und Mystagog auch nur ein Christ gewesen sei; und nun sollen wir ihn für den Verfasser des Johannes-Evangeliums halten! Ich zweifle, ob irgend ein Leser sich durch Kreyenbühl's Beweise davon überzeugen lassen dürfte. Aber auch abgesehen von dieser Schrulle der Menander'schen Autorschaft scheint mir Kreyenbühl's Beurteilung des Joh.-Ev. an dem empfindlichen Mangel zu leiden, dass er die ihm persönlich teure mystisch-spekulative Persönlichkeitsphilosophie" zu unmittelbar in das Evangelium hineindeutet und alles Widerstrebende teils künstlich allegorisiert, teils auch als Interpolation streicht; das so zurechtgemachte Evangelium liegt dann freilich der häretischen Gnosis näher als der kirchlichen Theologie, aber

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um so schwerer begreift man, wie die Kirche jemals dazu kommen konnte, eine direkt antikirchliche gnostische Schrift sich anzueignen. Uebrigens wird es auch mit allen exegetischen Gewaltthätigkeiten doch nie gelingen, dieses Evang. ganz auf die Seite der Gnostiker zu rücken und zu einer Streitschrift gegen die kirchliche Theologie zu stempeln; man muss, meine ich, die Augen gewaltsam verschliessen, um nicht zu sehen, dass trotz aller unleugbaren Verwandtschaft des „geistlichen Evangeliums" mit der Gnosis doch ihr bedenklichster Punkt, der Doketismus, im Evang. entschieden bekämpft und das wahre Menschgewordensein des Erlösers betont wird. Damit stellt sich eben dieses Evang. in die Mitte zwischen den streitenden Gegensätzen seiner Zeit und sucht jedem sein Recht werden zu lassen; diese ausgleichende Vermittelungstendenz') hat sein Glück in der Kirche begründet, wie das schon die alten Tübinger und neuestens wieder Corssen ganz richtig erkannt haben.

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Trotz seiner unleugbaren Mängel gibt Kreyenbühl's Buch doch einen wertvollen Beitrag zur Klärung der johanneischen Frage teils durch seine schneidige, rücksichtslos durchgreifende Kritik der traditionellen Konfusionen alter und neuer Apologeten, teils durch seine anregende Erörterung der gnostisch-antignostischen Kämpfe (Ignatius), die das Milieu für die Entstehung des Evang. bildeten. Wenn irgend etwas durch alle Gesetze der Geschichtsschreibung, der Psychologie und der religiösen Entwicklung ausgeschlossen ist, so ist es dies, dass ein Apostel das vierte Evangelium verfasst haben könnte. Und wir haben solange keinen Funken von Erkenntnis dieses Evangeliums, solange wir auch nur an der blossen Möglichkeit festhalten, dass der Sohn des Zebedäus oder sonst ein Mann der apostolischen Zeit das Evang. verfasst haben könnte".

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K. beginnt mit der Prüfung der falschen Zeugnisse" für das ursprüngliche Vorkommen des Evangeliums, wobei Irenäus mehrfacher Flunkereien überführt wird (dasselbe Urteil über ihn auch bei Corssen a. a. O. S. 105). Das Resultat dieser sorgfältigen Prüfung ist: dass es mit den kirchlichen Zeugnissen für den apostolischen Ursprung des Evangeliums um so schlimmer bestellt ist, je mehr wir uns dem Zeitpunkt nähern, in dem es nach jenen Zeugnissen entstanden sein soll ein Beweis, dass diese Zeugnisse eine dem Thatbestand widersprechende Ueberlieferung der Kirche ausdrücken. Ueber Justin urteilt K. m. E. sehr richtig, dass er das vierte Evang. entweder nicht gekannt, oder, er es gekannt, dann nicht als apostolisch-johanneisch anerkannt hat.

1) Damit stimmt auch die rechtverstandene Tradition überein, wofern man sie nur vollständig und nicht immer bloss einseitig zum Wort kommen lässt; denn nach der einen Version (der kirchlich acceptierten) soll das Evang. gegen Kerinth, nach der andern aber (von den gut kirchlichen Alogern vertretenen) von Kerinth geschrieben sein. In der That führt nur die Verbindung dieser beiden Traditionen auf den, auch aus inneren Gründen zu erschliessenden, wahren Sachverhalt.

Im Gegensatz zu diesen falschen patristischen Zeugnissen sucht nun K. die wahren Zeugnisse bei den Gnostikern: vielleicht schon Basilides, jedenfalls aber Valentin hat nach seiner Ansicht das 4. Evang. gekannt und stark benutzt, nur nicht unter dem Namen des Apostels Johannes, sondern unter dem des „Evang. der Wahrheit". Das soll bewiesen werden durch die Notiz des Irenäus (III., 11, 9), dass die Valentinianer ein von ihnen unlängst geschriebenes Evangelium besitzen, das sie „Evang. der Wahrheit“ titulieren und das mit den Evangelien der Apostel in nichts übereinstimme; denn da sich von einem eigenen, von Valentin oder seinen Schülern selbst geschriebenen Evang. nirgends etwas finden lasse und hingegen die Benutzung des 4. Evang. bei ihnen feststehe, so müsse dieses und das „Evang. der Wahrheit“, das Irenäus ihnen zuschreibe, identisch sein; wobei freilich nicht leicht zu verstehen ist, warum Irenäus das Evang. der Valentinianer für ein selbstgemachtes und mit den apostolischen Evangelien zwiespältiges ausgegeben haben sollte, wenn es doch mit dem von ihm selbst so hoch geschätzten johanneischen identisch gewesen wäre. Was hierbei über die absichtliche Entstellung und Trübung des Sachverhalts durch Irenäus gesagt wird, dürfte doch wohl mehr scharfsinnig als überzeugend sein. Indessen, wie man auch hierüber denken möge, das bleibt jedenfalls unbestreitbar, dass das 4. Evang. in gnostischen Kreisen früher zur Anerkennung und Verwertung (Kommentar des Heracleon) gekommen ist als in kirchlichen, und dass hingegen die gut kirchlichen Aloger noch zwischen 160-180 das 4. Evang. wegen seines Widerspruchs mit der älteren evang. Ueberlieferung verworfen und dem Ketzer Kerinthus zugeschrieben haben zwei Thatsachen, die zusammen eine starke Instanz gegen den apostolischen Ursprung dieses Evangeliums bilden. Wenn aber K. hieraus die weitere Folgerung ziehen will, dass das Evang. ein Produkt der häretischen Gnosis" sein müsse, so scheint mir das über das Ziel geschossen zu sein. Die Gnostiker hatten doch auch sonst manche Schriften mit der Grosskirche gemein, und dass sie gerade vom 4. Evang. sich besonders sympathisch angezogen fühlten, erklärt sich doch einfach genug auch unter der Voraussetzung, dass es von einem mit dem gnostischen Ideenkreis zwar vertrauten, aber die extreme häretische Gnosis ablehnenden kirchlichen Verfasser geschrieben worden ist.

Die, wie ich glaube, irrige Charakterisierung des Evangeliums als einer häretisch-gnostischen Schrift hat nun die auffallende Behauptung zur Folge, dass der Verf. des 1. Johannesbriefs den Evangelisten auf das entschiedenste bekämpfe, dieser gehöre dem Briefschreiber zu den von der Gemeinschaft der Kirche ausgegangenen, aber nicht darin verbliebenen, sondern antichristlich gewordenen Irrlehrern, die durch ihre Lehre vom Geist den geschichtlichen Christus, den die Kirche gehört und geschaut und betastet habe, verleugnen, und durch ihre Lehre von der immanenten Zwǹ alúvios die Zukunftshoffnung der Kirche gefährden; nicht in solcher Gnosis bestehe das wahre Christentum, sondern in der Bruderliebe, dem kirchlichen Christusbekenntnis und dem Halten der Gebote. Diese Bestimmung des Verhältnisses zwischen Brief

and Evang. enthält m. E. ein Korn Wahrheit, aber noch mehr Irrtum. Richtig ist, dass der Briefschreiber, der die doketische Gnosis direkt und heftig bekämpft, im selben Mass, als er von ihr weiter abrückt, an den Gemeindeglauben enger sich anschliesst als der Evangelist; aber dass er diesen zu den Ketzern und Antichristen rechne, ist eine auffallende Uebertreibung des Unterschieds, der doch gewiss viel kleiner ist als das beiden Gemeinsame; ein Doket ist doch auch der Evangelist, der 1, 14. 19, 34 ff. 20, 27 f. geschrieben hat, wahrlich nicht gewesen! Aber wenn auch von einer „Polemik" gegen das Evang. im Brief nichts zu finden ist, so wird man doch so viel zugeben können, dass die gnostisierenden Ideen des Evangeliums im Briefe etwas abgeschwächt und dem überlieferten Gemeindeglauben mehr angepasst, für praktische Bedürfnisse popularisiert sind.

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Auch zu mehreren Behauptungen in dem Kap. von der Selbstbezeichnung des Evangelisten muss ich ein Fragezeichen setzen. „Der Jünger, den Jesus lieb hatte", sei zwar Selbstbezeichnung des Verfassers als des wahren Vertrauten des Christusgeistes, habe aber mit dem Zebedaiden gar nichts zu schaffen, erst das Nachtragskapitel von fremder Hand habe den Lieblingsjünger auf den lang lebenden Herrnjünger in Kleinasien gedeutet und zugleich diesen zum Verfasser des Evang. gemacht. Nun hat aber Corssen (a. a. O. 132) darauf aufmerksam gemacht, dass die im Evang. ohne alle Motivierung wie etwas Selbstverständliches eingeführte Bezeichnung des „Lieblingsjüngers" in der gnostisierenden Johanneslegende des Leucius damit motiviert sei, dass der Herr den Johannes um seines jungfräulichen Lebens willen den anderen vorzog und zu seinem Vertrauten erwählte; der Evangelist lasse nun, wie Corssen sehr einleuchtend bemerkt, diese vorgefundene Motivierung fallen, bediene sich aber des ungeheuren Vorteils, den ihm die Legende an die Hand gab, sich unter die Autorität des Lieblingsjüngers zu stellen, der nach weit verbreiteter Meinung vor allen anderen berufen war, das rechte Wort über die Geheimnisse des Herrn zu sagen; indem er diesen Vorteil wahrnahm, konnte er es zugleich wagen, den Auswüchsen der Legende entgegenzutreten und, selbst das Kind einer Gedankenwelt, die sich an der einfachen Ueberlieferung nicht mehr genügen liess, doch den populären Gnosticismus zu überwinden suchen; so erklärt es sich, dass unter dem Namen des Johannes eine Geschichte geschrieben und zur Anerkennung gebracht werden konnte, die so weit von der Ueberlieferung der Synoptiker abwich und doch ihren wesentlichen Kern vor der gnostischen Spekulation schützte. Ich meine, dass hierdurch das Problem des joh. Lieblingsjüngers" viel einfacher und einleuchtender sich löse als sonst überall. Uebrigens liegt die letzte Quelle des evangelischen Lieblingsjüngers" vielleicht noch nicht in der apokryphen Johanneslegende, sondern in weiter zurückreichenden legendarischen Ueberlieferungen; auch die Buddha-Legende kennt einen Lieblingsjünger.

In der Erweckung des Lazarus findet K. mit Recht die Illustration der Idee, dass Christus die Auferstehung und das Leben sei, welches Leben die Glaubenden

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