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die Geschichte des Dogmas fixiert und findet, der Prozess zeige die Auflösung der Dogmen. Nein, er zeigt mehr; er zeigt ein wachsendes Verständnis des christlichen Inhalts in Form des Erkennens, wenn er auch zugleich zeigt, dass die Dogmenbildung nur eine Erscheinung ist, die unter gewissen Voraussetzungen nötig und berechtigt war, unter Wegfall dieser Voraussetzungen aber nicht mehr haltbar ist, wobei unter Dogma eine von der Kirche fixierte Lehre zu verstehen ist, die in ihrer fixierten Form doch nur Gültigkeit beanspruchen kann, wenn die betreffende Kirche unfehlbar ist. Eben daher ist es auch notwendig, den Prozess bis in die Gegenwart zu verfolgen und nicht bei den letzten Fixierungsversuchen von Dogmen stehen zu bleiben '). Wenn aber auch die einzelnen dogmatischen Fixierungen einzelner Lehren, gerade so wie die Versuche, den christlichen Inhalt als Totalanschauung zu erfassen, überholt werden, so dienen doch die Resultate dieser Arbeit dem Fortschritt der christlichen Erkenntnis, da das Wahre in ihr in den neuen Versuchen zur Verwendung kommt.

Als ich diesen Aufsatz beendet hatte, kam mir die Anzeige meines Buches von Troeltsch in den Göttinger Gelehrten Anzeigen zu Gesicht, die sich mit dankenswerter Ausführlichkeit mit demselben beschäftigt und einige Punkte hervorhebt, die ich nicht unberücksichtigt lassen kann. „Als Geschichte der Dogmen und der

1) Man hat mir vorgeworfen, dass ich die lutherische Orthodoxie auf 111⁄2 Seiten abgemacht habe, den Rationalismus auf ein paar Seiten. Das sei unverhältnismässig im Verhältnis zu den minutiösen Erörterungen der christologischen Fragen in der alten Kirche, wenn man einmal den Standpunkt einnehme, dass die Lehrentwickelung bis an die Gegenwart herangeführt werden müsse. Man übersieht, dass ich ausdrücklich in Bezug auf die Lehrentwickelung, vom Sinken der Orthodoxie an, die Kürze damit rechtfertige, dass diese Entwickelung in die Gegenwart übergeht; hier kommt es für die Geschichte der Lehrbildung nur darauf an, die Hauptmomente herauszugreifen; die genauere Einzeldarstellung gehört in diejenigen Disciplinen, die den gegenwärtigen Glauben und seine Lehrgestaltungen schildern, die Symbolik und Dogmatik. Aber auch davon abgesehen sind es doch in der neuesten Zeit weit mehr die principiellen Fragen, die zur Erörterung stehen, während die Ausgestaltung der Lehren im einzelnen mehr zurücktritt. Das ist wenigstens das bedeutende der neueren Zeit. Mein Gesichtspunkt bot mir jedenfalls den Vorteil, hier über dem Detail einmal die Hauptmomente und das Resultat des Prozesses nach seinen wesentlichen Seiten herauszuheben. Was aber die alte Orthodoxie angeht, so darf man nicht übersehen, dass es nicht nötig ist, bei ihr dasjenige minutiös zu wiederholen, was doch am Ende nur im Geiste der mittelalterlichen Methode sie hatten keine andere zunächst zur Verfügung und inhaltlich nicht wesentlich different von der alten Ausbildung der Lehre dargestellt ist. Daher es genügt, hauptsächlich dasjenige präciser zu kennzeichnen, was sie methodisch und inhaltlich specifisch Protestantisches lehrt oder Neues aufstellt. An vielen Punkten wird man durch eingehendere Darstellung doch schliesslich nicht über Wiederholungen früherer Positionen mit geringen Modifikationen hinausgeführt. Dazu kommt aber noch, dass die Darstellung der lutherischen Orthodoxie auf der Darstellung der Konkordienformel und der ihnen vorausgehenden Streitigkeiten ruht, wie ja ebenso bei der reformierten Orthodoxie in Betracht kommt, dass sie auf den Dortrechter Entscheidungen ruht. Der grösste Teil ihres Inbalts ist also schon mit diesen vorangehenden Erörterungen zur Sprache gebracht. Ueberhaupt ist es ein eigentümlicher Massstab, den Loofs anlegt, wenn er nicht auf den Inhalt verweist, sondern die Seitenzahl zum Massstabe seiner Kritik macht.

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Theologie hat das Buch Verdienste, als Religionsgeschichte und Darstellung des Wesens des Christentums nicht." Ich habe meines Wissens auch nicht gesagt, dass ich eine christliche Religionsgeschichte, sondern dass ich eine Entwickelungsgeschichte der christlichen Lehrbildungen geben will. Es soll wertvoll sein, dass als Lehre und Ergebnis der Dogmengeschichte bei mir resultiere die gegenseitige Selbstaufhebung der sich ausschliessenden Konfessionsdogmen und die Gewährung voller Freiheit für die philosophisch-theologische Gestaltung der christlichen Idee, die in diesem Streben nach Freiheit und Rationalität in den grossen Theologen der bisherigen Kirchen Vorläufer und Zeugen immerdar gehabt hat, aber in ihrer inhaltlichen Ausführung sich als logisches Ergebnis der vorangegangenen Entwickelungen nicht zu fühlen und nicht zu beweisen braucht. Das ist zwar auch sehr wenig im Sinne Baur's, aber an sich keine üble Auffassung und darf als brauchbare Ergänzung der unter einseitig kirchengeschichtlicher Behandlung stehenden Dogmengeschichte Harnack's zur Seite treten." Nun soll ich aber das Ganze dadurch verdorben haben, dass ich nicht hierbei stehen blieb, sondern beanspruche, das Wesen des Christentums darzustellen. Hier waltet teils ein Missverständnis ob, teils hat Troeltsch eine etwas andere Auffassung vom Wesen des Christentums. Das Missverständnis ist dies, dass er meint, ich wolle, wie Baur, die Geschichte der Idee mit der Geschichte des Christentums identificieren. Meine jüngst erschienene Encyklopädie ist der Beweis des Gegenteils. Ich bin nur der Meinung, dass die Lehre im vollen Sinne genommen die Entfaltung des Selbstbewusstseins des Christentums, seiner Selbsterkenntnis ist und dass deshalb hier das Wesen vielleicht am besten verstanden werden kann. Ich sage aber nicht, dass das Wesen des Christentums mit dieser Erkenntnis identisch sei. Im Gegenteil erkenne ich an, dass das Christentum als Religion noch andere Funktionen hat. Ich will nur eine Geschichte der Erkenntnis geben, aus der aber allerdings, wenn sie christlich ist, das Wesen des Christentums auch und vielleicht ganz besonders hervorleuchten muss. Ich bin weiter der Meinung, dass das Wesen des Christentums auch auf seinen Erkenntnisprozess massgebend einwirken muss so sehr, dass ich eine ganze Phase des Christentums so bestimme, dass die Theorie hier im Dienste der Praxis stehe. Ich gehe davon aus, dass, um den Erkenntnisprozess zu verstehen, Baur's Standpunkt zu erweitern sei, dass man nicht nur einen dialektischen Prozess anerkennen kann, sondern dass das Wesen des Christentums als Religion durch die Völkertypen mit bestimmt sei. Aber diese Völkertypen können doch zugleich Repräsentanten einer bestimmten Grundrichtung sein und ein Moment in der Entwickelung des Christentums darstellen. Troeltsch meint: dass ich mir den Prozess völkerpsychologisch bedingt vorstelle, stimme nicht mit meiner Auffassung, die auf principieller Gleichartigkeit und rein logischer Bedingtheit alles Denkens ruhe. Auch habe ich den ersten Standpunkt nicht durchgeführt, die völkerpsychologisch bedingten Modifikationen fast nur als Ueberschriften behandelt, wobei er übrigens zugibt, dass die von mir als charakteristisch hervorgehobenen Modifikationen als

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lehrreiche Betonungen des christlichen Princips allenfalls (!) bezeichnet werden können, dass insbesondere meine Charakterisierung der modernen Auffassung derselben nicht ganz unrichtig sei". Ich habe nun aber zu zeigen gesucht, wie innerhalb einer jeden Periode durch diese Modifikation das christliche Denken - und hierum ist mir zu thun eine bestimmte Richtung empfängt, wie deshalb bestimmte Punkte in den Mittelpunkt treten, wodurch eine eigentümliche Lehrbildung sich ergibt. Dass nun, die einmal vorhandene Grundrichtung vorausgesetzt, das Denken mit Notwendigkeit sich in dieser entfaltete und eine christliche Gottes- und Weltanschauung der gegebenen Grundmodifikation gemäss ausbildete, damit schliesslich auch die Einseitigkeit der Grundrichtung an den Tag brachte, ist nicht zu leugnen und hier hat die Baur'sche Auffassung ihr Recht. Wenn Troeltsch von diesem Buche mehr fordert, als die Beschreibung davon, wie in dem Erkennen die Modifikation des christlichen Grundprincips sich darstellt, so vergisst er, dass meine Absicht nur sein kann, das Christentum nach seinem Erkenntnisprozess darzustellen. Wenn er meint, die Modifikationen des christlichen Princips, die ich hervorhebe, seien schwer als ein sich summierender Fortschritt" zu betrachten, so ist zwar wahr, dass ein „Summieren" hier nicht vorkommt, aber so mechanisch vollzieht sich auch nicht der Fortschritt, sondern in der Form von Ergänzung von Einseitigkeiten. Wenn im Urchristentum das christliche Princip noch in unmittelbarer Form in konzentrierter Einheit des Glaubens gegeben ist, in der der Unterschied von Praxis und Theorie noch latent ist, so tritt nun Erkennen und Praxis auseinander, die theoretische Seite entwickelt sich im Orient überwiegend, die praktische im Occident so, dass die Theorie in ihren Dienst tritt, im Protestantismus ist beides zusammengefasst in der Person, aber wird zugleich expliciert, sofern er sowohl eine ausführliche Lehre als auch eine persönliche und kulturfreundliche Ethik hat. Man könnte hinzusetzen, was ich auch an verschiedenen Stellen hervorgehoben habe, dass von der ursprünglich naiven Einheit der Auffassung des Christentums als Befreiung von Schuldbewusstsein und der positiven als Religion der Vollendung sich ebenso die letztere überwiegend auf den Orient, wie die erstere auf den Occident verteilt, bis im Protestantismus der Neuzeit beide Seiten bewusst zur Einigung kommen sollen. Man könnte ebenso die Immanenz und Transscendenz bei der Vereinigung des Göttlichen und Menschlichen hervorheben, indem zuerst im Urchristentum beides in naiver Einheit ist, dann die göttliche Transscendenz überwiegt und die weltliche Seite mehr zurücktritt, im Orient in theoretischer, im Occident in praktischer Form, während im Protestantismus die Immanenz überwiegt, das Menschliche und Weltliche überwiegt und das Göttliche mehr zurücktritt, und der neuere Protestantismus teilweise beides ins Gleichgewicht zu setzen sucht in seinen psychologisch-christologischen und theistisch-trinitarischen Lehrversuchen. Kurz, es ist doch ein Fortschritt, wenn aus der naiven Einheit die Momente für sich hervortreten und schliesslich wieder eine höhere bewusste Einheit suchen. Auch darin ist ein Fortschritt, wenn schliesslich die specifischen Formen neben einander bestehen und nun

sich zur Ausgleichung ihrer Einseitigkeiten durch gegenseitige Beeinflussung veranlassen, einander modificieren, schliesslich auch darin, dass angesichts dieser Mannigfaltigkeit die Frage gerade durch den Gegensatz vertiefte Beantwortung verlangt, was denn alle diese Erscheinungen als christlich kennzeichnet, was das allen zu Grunde liegende Wesen des Christentums sei, womit die Selbsterkenntnis des Christentums erst eine voll bewusste wird.

Aber das christliche Princip habe ich nun ganz unrichtig dargestellt und dadurch alles verdorben. Ich kann hier nicht mit Troeltsch über diesen Punkt rechten. Nur darauf will ich hinweisen, dass auch Troeltsch sich noch nicht von dem Gedanken losmachen kann, dass Eine historische Form des Christentums die genuine christliche" sei, während er andererseits doch die Methode der Entwickelung anerkennen will. Es dürfte aber klar sein, dass man nur dann von einer Entwickelung des Christentums reden kann, wenn es wirklich ein gemeinsam christliches gibt, das sich in allen Phasen des Christentums offenbart. Ich fürchte, Troeltsch hat sich diesen Punkt nicht genügend klar gemacht. Man sieht das an seinen Andeutungen über das Urchristentum geradeso wie an seinen Bemerkungen. über den neueren Protestantismus. Troeltsch meint, es könne „nicht von einer bloss einfach, konsequent und logisch ihren Inhalt heraussetzenden Idee die Rede sein, sondern überwiegend von einem Aneignungs- und Gestaltungsprozess, in welchem ein von Haus aus aller Kosmologie und Weltwissenschaft ferner, lediglich auf die ewigen Persönlichkeitsgüter gerichteter eschatologischer Gottesglaube Kosmologie und Kulturethik zu bewältigen und sich einzuverleiben strebte". Er fordert, ich hätte zeigen sollen, wie das ursprünglich gegen alle Kulturelemente, gegen Wissenschaft, Staat, Recht und Gesellschaft, gegen innerweltliche Moral und Kunst gleichgültige Christentum thatsächlich mit diesen Mächten sich auseinandergesetzt hat und wie weit diese Auseinandersetzungen ein in sich zusammenhängendes geistiges Leben ergeben haben und ergeben können“. Man sieht hier, wie er sich nicht von der in Ritschlschen Kreisen üblichen Vorstellung losmachen kann, als sei das Christentum der Hauptsache nach nur religiöse Ethik, während er andererseits doch wieder Baur nicht genug loben kann. Indem er von mir jene Fragen beantwortet wissen will, fordert er von mir nichts Geringeres als: ich hätte eine Geschichte der christlichen Ethik geben sollen, statt einer Geschichte der christlichen Lehre, wo die Ethik nur insofern zu berücksichtigen war, als das Christentum ethische Religion ist. Im übrigen scheint er sich aber durch seine rein einseitig praktische Auffassung des Urchristentums die Beantwortung der Fragen selbst unmöglich zu machen, die er stellt, wenn er nicht. in der Entwickelung desselben geradezu nur Abfall mit der Ritschl'schen Geschichtsauffassung sehen will.

Er tadelt meine

von Holtzmann u. A. anerkannte Auffassung des Urchristentums sehr scharf. Ich sage, im Urchristentum sei die Sündenvergebung in dem von Christus gegründeten Gottesreich mit der Kindschaft gegeben Protestantische Monatshefte. 5. Jahrg. Heft 7.

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und ein neuer ethischer Impuls universaler Liebe hiermit verbunden, der die Erfüllung der sittlichen Aufgabe aus der Gesinnung fordere. Ich sage: „erst von der persönlichen Umgestaltung aus kann das Reich Gottes werden". Was kennt denn Troeltsch noch für andere Persönlichkeitsgüter"? Ich sage mit Troeltsch allerdings als Kennzeichnung der zeitlichen Seite des Urchristentums sein gemeinsamer Zug sei eine von dem Irdischen abgewendete transscendente Richtung, die der allgemeinen Stimmung der Zeit entspreche. Beizufügen ist aber dies, dass das Reich Gottes nun einmal nicht bloss eschatologisch im Urchristentum zu verstehen ist. Als Charakteristikum des Urchristentums habe ich wie Troeltsch hingestellt, dass es den Glauben in konzentrierter Form gehabt habe und in unmittelbarer Form und dass in den späteren nachpaulinischen Schriften erst ein Auseinandergehen in Lehre und Sitte, sowie Kirchenverfassung beginne (S. 48); im Urchristentum ist das Erkennen wie auch der sittliche Impuls zuerst noch im Glauben enthalten, und dann geht beides auseinander. Im Orient tritt überwiegend das Erkennen, im Occident das Handeln hervor, aber auch dort ist selbst bei Origenes das Erkennen immer noch zugleich intuitiv mystisch und eo ipso die Quelle der Ethik, und im Occident tritt schliesslich das Erkennen in den Dienst der Praxis und ist dadurch bestimmt. Ebenso zeige ich, wie anfangs die Gemeinschaft der Christen eine persönliche ist, das persönliche und das Gemeinschaftsmoment in naiver Verbindung stehen, während die Kirche bei Paulus aber auch noch als Gemeinschaft der Personen hervortritt und erst allmählich zur Institution wird, das Persönliche und Gemeinschaftsmoment in Gegensatz tritt, was sich wieder relativ auf Orient und Occident verteilt, da im ersteren die Kirche nicht so sehr die Persönlichkeit unterjocht, wie im letzteren. Ebenso zeige ich, wie die Ansätze späterer Christologie im Urchristentum aus der Gottessohnschaft Christi sich entwickeln, die von der menschlichen und göttlichen Seite aus verstanden werden soll, also das Problem des begrifflichen Verständnisses der Gottmenschheit aufgerollt wird. Ebenso ist im Urchristentum Sündenvergebung und Kindschaft noch unmittelbar verbunden. Ich zeige dann, wie in der Entwickelung die positive Gottesgemeinschaft und die Anknüpfung an das Vorchristliche mehr in der griechischen Kirche, die Erlösung von der Unfreiheit der Sünde und die Verurteilung der vorchristlichen Welt mehr in der römischen hervortritt. Ebenso zeige ich, wie die Elemente der Auffassung des christlichen Princips als ewigen, rationalen und des Christentums als historischer Christusreligion im Neuen Testament naiv neben einander liegen und nachher immer mehr bewusst beide Seiten auseinander traten und eine Form der Einigung suchten, bis man sich klar wird, dass das ewige christliche Princip sich jedesmal eine der gegebenen Zeit angemessene historische Form gibt. Dass ich besonders stark den unreflektierten Charakter des Glaubens hervorhob, hat seinen natürlichen Grund darin, dass es sich ja eben um Entwickelung der Lehre handelt, und hier muss ich allerdings dabei bleiben, dass auch in der unmittelbaren Form des Christenglaubens die Erkenntnis latent war, dass man den Gott, den man liebte, auch erkennen und die

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