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des geistlichen Sprachschatzes. Die alten, der Zeit der Orthodoxie geläufigen heute wieder mehr geachteten und zum Teil zurückeroberten Begriffe der kirchlichen Heils-Sprache mussten das Feld räumen vor der Sprache einer neuen Zeit- und Geistesrichtung, die mit ganz andern Begriffen, wie: Tugend, Freiheit, Menschlichkeit, Vernunft, Aufklärung vornehmlich operierte.

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Der Philosoph Christian Wolf, der Propagator der Leibnizischen Ideen, darf u. E. nicht übergangen werden, wenn man das Werden des Rationalismus verstehen will, Einmal schon um deswillen, weil das starke Betonen des Rechts des Subjektiven neben dem Objektiven des Glaubens, wie es sich im Rationalismus herausbildete, nicht wohl verstanden werden kann ohne die gleichzeitige Entwicklung der deutschen Philosophie, die in ihren hervorragendsten Vertretern es gilt dies allerdings im wesentlichen von der nachwolfischen Philosophie, mag aber hier bei der ersten Erwähnung der Berührung von Philosophie und rationalistischer theologischer Denkweise alsbald konstatiert sein je mehr und mehr das für sich seiende, sich selbst überlassene" Subjekt als massgebenden Faktor auf philosophischem Gebiete entwickelte, wie es der Rationalismus praktisch auf dem religiösen that. Sodann aber vornehmlich, weil das Wolf'sche Streben, alles zu popularisieren, klar und verstandesmässig, von aller Bildlichkeit entkleidet, rein begrifflich zu erklären, auf das theologische und religiöse Gebiet hinübergepflanzt, eine nüchterne, verstandesmässige Darstellung und begriffliche Zerlegung der religiösen Thatsachen und Vorgänge, und damit eine überwiegend, ja manchmal übertrieben lehrhafte Tendenz der christlichen Predigt in die Wege leitete, wie sie thatsächlich, vor allem in dem älteren, dem sog. Vulgärrationalismus, nicht immer zur Förderung der religiösen Erbauung und Erhebung, geübt wurde und Trivialitäten erstehen liess, wie sie jener von Wolf'schem Geiste angesteckte Prediger sich leistete, von dem Hagenbach in seiner Kirchengeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts erzählt, er habe geglaubt, es der Deutlichkeit seines Vortrages schuldig zu sein, dass er zunächst einmal von einem jeden Worte des Textes eine genaue Definition gab; so dass er z. B., wenn es Matth. 8,1 heisst: „Da Jesus vom Berge herabging, folgte ihm viel Volks nach," anhob zu erklären: ein Berg ist ein erhabener Ort; ein Volk ist eine gewisse Menge von Leuten u. s. w. Oder Trivialitäten, wie sie das Wertheimer Bibelwerk hervorbrachte, das wir citieren nach Hase's Kirchengeschichte auf der Grundlage akademischer Vorlesungen ,,den Sinn der altertümlichen Urkunden in die Sprache und Denkweise einer beginnenden Aufklärung übertragen wollte" und deshalb die Genesis also anheben lässt: V. 1 „Alle Weltkörper und unsere Erde selbst sind anfangs von Gott geschaffen." V. 2: Was insonderheit die Erde betrifft, so war dieselbe anfänglich ganz öde; sie war mit einem finstern Nebel umgeben und rings herum mit Wasser umflossen, über welchem heftige Winde zu wehen anfingen." V. 3: „Es wurde aber bald auf derselben etwas helle, wie es die göttliche Absicht forderte“ Wo ist da der duftige Hauch echter Poesie geblieben, den eine längst verklungene Zeit über das ewige Wunder der Welt und ihrer Schöpfung ausgegossen hatte?

u. S. W.

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Aber das durch die Wolf'sche Schule genährte Streben nach nüchterner Klarheit und Deutlichkeit, auch in der Anfassung der religiösen Dinge, erklärt uns den Rationalismus noch nicht. Ihm wurden noch von ganz anderer Seite her die Wege geebnet. Die Theologie selbst riss sich vom Gängelbande blinder Lehrautorität los. Man fing an, den Glaubensgrund, auf dem man stand, zu prüfen. Männer wie Michaelis und Ernesti, selbst noch auf orthodoxem Boden stehend, bahnten einer wissenschaftlichen Bibelforschung und -Auslegung neue Wege und fingen an, mit besonnener Kritik den verschiedenen Wert der verschiedenen biblischen Schriften zu eruieren und eine vorurteilslosere Prüfung des Bibelinhalts einzuleiten. Für wissenschaftliche Bestrebungen dieser Art war aber in der Orthodoxie, welche mit Argusaugen die alte Inspirationslehre hütete, auf die Dauer kein Platz. Und der Pietismus, der auf das praktische religiöse Leben sich richtete, war ihnen gegenüber zunächst indifferent. So drängte das wissenschaftliche Gewissen auf das Schaffen eines neuen Bodens ernster Geistesarbeit in der Kirche. Ihn geschaffen zu haben, ist wesentlich das Verdienst des Mannes, den man gern den Vater des Rationalismus genannt hat, Johann Salomo Semler's, der mit der historischen Bibelkritik auch dogmengeschichtliche Studien verband und zuerst die starke, später oft überspannte Seite des Rationalismus betonte: den über Dogmen und Kirchenlehre weit hinausreichenden Wert der christlichen Moral. Was zur moralischen Ausbesserung" dient, ist ihm der eigentlich wertvolle Kern der Schrift. Dabei war er trotz seiner Negation so mancher Positionen, die bisher als Grundpfeiler des Glaubenslebens galten, eine tief-innerliche und fromme Natur. Er war hier drängt sich uns vielleicht nicht mit Unrecht der Vergleich mit dem Heiligen des Protestantenvereins", mit Richard Rothe, auf mit dem Herzen Pietist, mit dem Verstande das Haupt des Rationalismus. Seine Unterscheidung zwischen Privatreligion und öffentlicher Kirchenlehre mit dem Wertlegen auf die erstere, von deren Vorhandensein und Tiefe die Seligkeit abhänge auch ohne völlige Uebereinstimmung mit der zweiten, mag noch etwas Unbeholfenes gehabt haben. Es war, wie Hase sagt, der unklare, sittlich bedenkliche Ausdruck für das Recht der Subjektivität gegenüber der Objektivität eines Gemeinwesens". Aber es war doch schon die Erkenntnis, dass man zwischen Religion und Theologie streng zu scheiden habe. Es war die Proklamierung des Rechtes der Subjektivität in religiösen Dingen. Und man hat nicht mit Unrecht darin den Anklang an das gefunden, was Semler's berühmter Zeitgenosse auf dem preussischen Throne, Friedrich der Grosse, mit seinem bekannten Worte proklamiert hatte, dass in seinem Staate ..jeder nach seiner Façon selig werden solle".

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Der ganze

Und zu alledem kamen allgemeine kulturhistorische Impulse. Geist der Zeit stand unter dem Zeichen der ,,Aufklärung". Es wehte wie eine neue Luft durch die Welt. Auf allen Gebieten des geistigen Lebens machte sie sich fühlbar. Und am charakteristischsten und zugleich in ihrer edelsten Form tritt uns diese Tendenz entgegen bei den Grossen jener Zeit. Bei Lessing, der, so verächtlich er

von der seichten Aufklärung spricht, doch zweifellos einer der geistigen Führer eines edlen Rationalismus war. Auch er glaubte trotz seiner,,Erziehung des Menschengeschlechtes" dass man das Christentum nicht so ängstlich an seine

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Geschichte zu binden brauche, dass es vielmehr, von den festhaltenden Banden seiner
Vergangenheit gelöst, nur um so höher fliegen könne.
Vernunftreligion im Gegensatze zur historischen Religion.
cismus gegen eine übernatürliche Offenbarung.

Auch sein Ideal war die Auch er teilte den SkeptiUnd sein Humanitätsideal im Nathan,

das Beiseiteschieben des Konfessionellen und Verherrlichen des wahrhaft Sittlichen als des im tiefsten Sinne Religiösen, war aus dem Herzen des Rationalismus heraus gebildet. Lessing war, wie Hase ihn schön nennt, ein Heros der Aufklärung, in dem sich die Theologie des gediegenen Verstandes darstellt und der Ernst der Kritik, während in Herder die Poesie mit der Religion einen Bund eingegangen ist". Und doch war auch Herder, der mit dem reinen Sinn für die Schönheit wahrer Poesie Begabte, ein Mann der Humanität und ein Vertreter eines edlen und massvollen Subjektivismus. Er gehörte keiner theologischen Schule an, so wenig wie Lessing voll in einer solchen aufgeht. Es ist das Vorrecht der Genies, dass sie ihre eigenen Wege gehen und sich selbst genug sind. Aber bis zu einem gewissen Grade sind auch sie, wenn sie auch Höhenluft atmen, die über die Häupter der gewöhnlichen Sterblichen hinwegweht, der Spiegel und zugleich der Mund ihrer Zeit. Und was sie uns lehren, ist das, dass der Rationalismus durchaus nicht aus dem Rahmen jener Zeit herausfällt, dass er nichts Widersinniges und Unverständliches ist; dass auch in ihm der Geist der Zeit eine charakteristische Gestalt gewonnen hat. Von dem Drucke einer unverstandenen Kirchenlehre, deren Tiefsinnigkeit sich dem Blick verschloss, weil man sie zu einem starren Gesetze hatte machen wollen, anstatt in ihr die geistige Architektonik vergangener Zeiten zu bewundern, sich aber bewusst zu bleiben, dass jede Zeit für ihr inneres Leben sich neue Formen schafft, löste man sich gründlich los und legte den ganzen Wert auf das Sittliche. Und mit einem weitgehenden Misstrauen gegen jede übernatürliche Offenbarung, das in dem Zurückweichen des rein religiösen Momentes vor dem sittlichen, aber vor allem in der Einsetzung der Vernunft als höchster Autorität auch in religiösen Dingen, seinen Grund hatte, stellte man religiöse Vernunftwahrheiten über die geoffenbarte Heilswahrheit. Zum Beweise, dass diese Tendenz im Geiste der Zeit lag und wurzelte, mögen noch einmal zwei der Grossen reden. Goethe schreibt an Lavater: ich denke auch aus der Wahrheit zu sein, aber aus der Wahrheit der fünf Sinne"; und zu Eckermann sagt er:,,. ich beuge mich vor ihm (Christus) als der göttlichen Offenbarung des höchsten Principes der Sittlichkeit“. Und Schiller schreibt einmal an Goethe: es (das Christentum) ist also in

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seiner reinen Form Darstellung schöner Sittlichkeit.“

Die bedeutendste Anregung und zugleich eine innere Vertiefung empfing aber der Rationalismus durch Kant. Was Windelband von ihm im allgemeinen sagt,

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darin besteht seine (Kant's)

das bewährte sich auch an dem Rationalismus: historische Stellung, dass sich in ihm alles, was an bewegenden Principien das moderne Denken vorher erfüllt hatte, in lebendiger Einheit konzentriert, und dass alle Fäden des modernen Denkens, nachdem sie durch die schwierige Verschürzung seiner Lehre hindurchgegangen sind, in durchaus veränderter Form wieder daraus hervorgehen."

Schon die Rationalisten vor Kant hatten die Vernunft auf den Leuchter gestellt. Nur was vor ihr bestehen kann und wem sie ihr Siegel aufdrückt, das darf als Wahrheit passieren. Aber die Vernunft, der diese Zeit Altäre baute, war doch nur das theoretische Erkenntnisvermögen, der vielgepriesene gesunde Menschenverstand, der die Luft einer trockenen und kühlen Verständigkeit auch über die religiösen Dinge breitete, in der manch' duftige Blüte dahinwelkte. Die Vernunft, welche Kant als die omnipotente Macht auf allen Gebieten des geistigen Lebens, auch auf dem der Religion, proklamierte, war nicht der nüchterne Verstand allein, es war die an die Seite der theoretischen Vernunft gestellte und erst eine Weltanschauung ermöglichende praktische Vernunft, die ,,Energie der sittlichen Ueberzeugung". Die spekulative Vernunft stösst überall auf Grenzen, über die sie nicht hinaus kann; sie ist gebunden an die den Sinnen gegebene Wirklichkeit, die Welt der Erscheinungen. Sie gibt kein Weltbild und keine Weltanschauung. Sie kann über die letzten und höchsten Dinge nichts Entscheidendes aussagen. Das vermag nur die praktische Vernunft, die sittliche Ueberzeugung des Menschen. Diese Vernunft ist die Herrscherin der menschlichen und aussermenschlichen Dinge. In dem unerschütterlichen Glauben an die Macht der Vernunft ist Kant Rationalist. Seine Philosophie ist die Vollendung der gesamten Aufklärung. Aber da diese bei weitem nicht in allen ihren Vertretern das neue, vertiefende und umgestaltende Moment der Kantischen Philosophie aufnahm, und Verstand und Verständigkeit eine dominierende Stellung neben und über der viel tieferen und weiteren Kantischen Vernunft behaupteten, so ist Kant in gewisser Hinsicht auch der Totengräber des Rationalismus geworden. Denn diesem bloss theoretischen Verstande hatte er recht deutlich das Abgangsattest als allein entscheidender Instanz in religiösen Dingen geschrieben. Und so bedeutet Kant nach Windelband beides: die Vollendung und zugleich die Ueberwindung der Aufklärung, also auch des Rationalismus. Zunächst aber verhalf die von Kant auf einen neuen, festeren Boden gestellte und hoch gewertete Sittlichkeit dem schon lange nach der Seite des Sittlichen tendierenden Rationalismus zu einer neuen Blüte. An die Stelle des Vulgärrationalismus trat wesentlich mit ihm die reinere Phase des Humanitätsrationalismus.

Und worin besteht nun das Specifische und Charakteristische dieser ganzen theologischen und kirchlichen Richtung, die so lange auf das kirchliche Leben im engeren wie im weiteren Sinne einen bestimmenden Einfluss ausgeübt hat? Es ist nicht ganz einfach, diese kirchengeschichtliche Erscheinung, innerhalb deren

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Hermann Müller, Zur Würdigung des Rationalismus.

Menschen der verschiedensten Geistesgaben und mit oft weit auseinandergehender geistiger Ausbildung sowie, was hier wesentlich mitspricht, Menschen mit der unterschiedlichsten religiösen Anlage gewirkt haben, auf eine einheitliche Formel zu bringen. Aber schon aus dem bisher Gesagten vermögen wir wohl zu erkennen, dass wir die bereits angeführte Definition des Rationalismus anstandslos passieren zu lassen und zu acceptieren wohl ein Recht hatten. Das den Rationalismus Charakterisierende und zugleich das Band, das alle zusammenhielt, ist einmal die Forderung, dass die Vernunft oder auch allein der Verstand die entscheidende Instanz über die Wahr heit der religiösen Aussagen des Christentums sei. Und es ist daneben, dadurch mit bedingt, dass von der Vernunft die religiösen Wahrheiten auf wenige abstrakte Sätze zurückgeführt wurden und zwar vor allem solche, die eine sittliche Aussage bezw. Forderung enthielten, die Betonung der christlichen Moral als des eigentlich Wertvollen und in allem Wechsel der Glaubensformen und -Vorstellungen Bleibenden der Religion Jesu von Nazareth.

Was auf diese Grundmauern des Rationalismus weiterhin und im einzelnen sich aufbaute, und wie diese Grundprincipien die verschiedenen Zweige religiöser und kirchlicher Bethätigung beeinflussten und durchzogen, das wird uns des weiteren entgegentreten, wenn wir von dem gewonnenen Boden aus eine Ueberschau halten und den Rationalismus auf seine Stellung zu den einzelnen Fragen und Gebieten des religiösen und kirchlichen Lebens prüfen, um dann Licht und Schatten, soweit es uns möglich ist, also subjektiv-gerecht, zu verteilen und damit einer gerechten Würdigung des Rationalismus die Wege zu ebnen.

Wir beginnen mit dem Negativen, d. h. mit den mancherlei Ausstellungen und Vorwürfen, die man dem Rationalismus gemacht hat, und die wir zum Teil zu acceptieren haben werden. Wir betrachten dies Verfahren als geboten, weil eine positive Würdigung des Rationalismus erst möglich ist, wenn einmal die Grenzen gesteckt sind, bis zu denen eine positive Würdigung vordringen darf, und andererseits Vorwürfe, aber auch Vorurteile und Missverständnisse auf ihr rechtes Mass zurückgeführt worden sind.

Wenn man den vielen geschworenen Gegnern des Rationalismus glauben dürfte, dann wäre die Zahl seiner Mängel und Schwächen, seiner angreifbaren und zu bekämpfenden Stellen Legion; aber zugleich auch der Rationalismus selbst etwas so Minderwertiges, heute gänzlich Ueberwundenes, dass es gar nicht lohnte, sich auch nur kritisierend noch lange bei ihm aufzuhalten. Aber es hat auch unter seinen Gegnern weitherzige und gerechte Beurteiler gegeben, die ihn mit Respekt und Achtung bekämpft haben, weil sie trotz allem doch auch das Tüchtige in ihm erkannten. An einen von diesen wollen wir uns halten. Es ist einer, dessen leitende Hand auch die nicht ausschlagen werden, die sich sonst nicht gern einer das eigene Urteil, wenn auch nur sanft, beeinflussenden Führung anvertrauen möchten: Karl Hase. Hase's komprimierte Dogmatik, der Hutterus Redivivus, hatte den Zorn eines

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