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damals Mächtigen im Reiche des Rationalismus hervorgerufen, des Weimarer Generalsuperintendenten D. Röhr. In eine scharfe, das Persönliche nicht vermeidende Kritik hatte sich der Zorn ergossen. Auf Röhr's Kritik erwidert Hase ausführlich, und nachdem er sein Buch verteidigt, geht er seinerseits zum Angriff über und rechnet mit der ganzen Richtung, deren Wortführer Röhr war, ab. Diese Abrechnung, die in Hase's ,Theol. Streitschriften" zu finden ist, enthält wohl die bei aller Entschiedenheit massvollste und verständigste Kritik, die der Rationalismus je gefunden hat.

man die

Dreierlei wirft Hase dem Rationalismus vor: 1. einen Mangel an historischem Sinn; 2. einen Mangel an religiöser Innigkeit; und 3. einen Mangel an wissenschaftlicher Kraft und Schärfe. Und in der That ist damit, wenn Vorwürfe in einer gewissen Begrenzung versteht auch Hase hat immer nur einen Mangel, nie das gänzliche Fehlen konstatiert, der Finger auf die wunden Stellen der rationalistischen Theorie und der rationalistischen Praxis gelegt. Wir folgen deshalb dem Gange dieser nach drei Seiten gehenden Kritik. Was man sonst dem Rationalismus noch vorgeworfen hat, wird grossenteils dabei seine Erledigung mit finden.

(Schluss folgt)

Zur Grundlegung der Ethik Schopenhauers.

Von

Eduard Grimm in Hamburg.

Herr Pfarrer Gerber hat in seinem kürzlich in diesen Monatsheften veröffentlichten Aufsatz Schopenhauers Stellung gegenüber Religion und Christentum nach seinen Parerga und Paralipomena“ - dessen Ausführungen ich übrigens fast durchaus zustimme, namentlich auch nach der Seite hin, dass man die Angriffe jener Philosophen, wie Schopenhauer, nicht leicht nehmen soll auch einige Aeusserungen erwähnt, die ich in dem Aufsatz Wie wurde Friedrich Nietzsche ein Feind des Christentums, und was können wir von ihm lernen?" (Prot. Monatshefte 1900 S. 253 ff.) über Schopenhauer gethan habe. Der Bemerkung gegenüber, der Gegensatz zwischen beiden Männern hätte noch schärfer betont werden müssen, weise ich darauf hin, dass ich mich über ihr Verhältnis zu einander ausführlicher in meinem Buche „Das Problem Friedrich Nietzsches", Berlin 1899, ausgesprochen habe, und dass ich jenen Aufsatz ausdrücklich nur als eine Ergänzung zu dem dort Gesagten bezeichnet habe. Wenn ich den Standpunkt Schopenhauers atheistisch, aber nicht eigentlich religionsfeindlich" genannt habe, so habe ich dabei jene Stücke seiner Philosophie im Auge gehabt, die als der Religion verwandt oder doch als Ersatzstücke für die Religion angesehen werden können, z. B. seine Metaphysik, die Begeisterung für die

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Kunst, die Heiligsprechung des Mitleids, das mystische Ur-Eine. Ich verkenne nicht den Gegensatz, in welchem Schopenhauer trotz allem zur Religion steht, noch weniger verkenne ich seine subjektive Feindschaft. Aber die gegensätzliche Stellung, die Nietzsche einnimmt, ist von ungleich schärferer Art, und um zu diesem Radikalismus zu gelangen, hat ihm allerdings der Schopenhauer'sche Standpunkt als Uebergang gedient.

Der eigentliche Anlass aber, mich hier zu äussern, ist ein anderer. Der Gerber'sche Aufsatz führt S. 153 den Satz von mir an: „Die Schopenhauer'sche Ethik ist es, die, ohne eine tiefere Begründung zu erhalten, sich lediglich auf dem Mitleid, so wie es in der Wirklichkeit auftritt, als ihrer alleinigen Grundlage aufbaut." Ich habe mich hier sehr kurz ausgedrückt, schrieb ich doch über Nietzsche und nicht über Schopenhauer. Aber ich gebe zu, dass der Satz in dieser Kürze leicht ungenügend erscheinen kann. Deshalb will ich erklären, was ich darunter verstanden habe. Da es sich um die Grundlegung der Schopenhauer'schen Ethik handelt, so ist die Frage wohl auch nicht ohne allgemeinere Bedeutung.

Im Mittelpunkt dieser Ethik steht ohne Zweifel das Mitleid. Wie entsteht, oder wie erklärt sich das Mitleid? Dass ich das Leid des anderen mitfühlen kann als mein eigenes, dass ich mich überhaupt in ihn hinein versetzen und mit ihm eins fühlen kann, hat nach Sch. seinen Grund in einer uns gemeinsamen Wurzel, dass wir nämlich alle teilhaben an einem hinter den Erscheinungen liegenden Ureinen, der dunklen Lebenskraft, die Schopenhauer als den Willen zum Leben bezeichnet. So wie dies Üreine, Gemeinsame den Grund bildet für das Mitleid und alles das, was aus ihm folgt, so ist umgekehrt das principium individuationis, durch das ich ein von allen anderen unterschiedenes Einzelwesen, dieser einzelne Mensch werde, die Grundlage des Egoismus. So werden Egoismus und Mitleid aus einer tieferen Wurzel hergeleitet oder, wie Schopenhauer sagt, metaphysisch begründet. Und da nun Sch. den Egoismus als das sittlich Böse und das Mitleid als das sittlich Gute betrachtet, so entsteht leicht der Schein, als sei damit auch die Ethik, d. h. das sittlich Gute und das sittlich Böse metaphysisch begründet. Aber das ist doch nur Schein. Wie komme ich dazu, das Mitleid als sittlich gut und den Egoismus als sittlich schlecht auszugeben? Wie werden Mitleid und Egoismus überhaupt zu sittlichen Eigenschaften? Woher entnehme ich denn den Begriff des Sittlichen, die Unterscheidung von Gut und Böse? Dass das Mitleid aus jenem allen gemeinsamen Einen hergeleitet wird, begründet an und für sich so wenig den Begriff des sittlich Guten wie etwa die Herleitung der Naturerscheinungen aus einer gemeinsamen Naturkraft. Jenes Ureine ist ja auch gar nichts anderes als Naturkraft, Lebenskraft, Lebenswille. Mitleid und Egoismus, sofern sie daraus hergeleitet werden, sind auch zunächst gar nichts anderes als eine Art Naturerscheinungen im Inneren des Menschen. Wie bekommen sie jene Beigabe des Sittlichen?

Schopenhauer hat sich über diese Frage deutlich genug ausgesprochen in

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der ungekrönt gebliebenen Preisschrift Ueber die Grundlage der Moral". Jener metaphysische Zug liegt ihm so sehr im Blute, dass er in der Einleitung sein Bedauern ausspricht, dass die Art des Themas es unmöglich mache, das ethische Fundament selbst wieder an einer Metaphysik einen Anhaltspunkt und Stütze finden zu lassen. Und am Schlusse gibt er in der That noch die metaphysische Grundlage. Aber das ist immer nur die Grundlage des Egoismus und Nicht-Egoismus, sofern sie sagen wir einmal als Naturerscheinungen vor uns stehen, nicht sofern wir ihnen den Charakter des Sittlichen beilegen. Dieser Charakter des Sittlichen als solchen, das eigentliche Wesen von Gut und Böse wird aus diesem metaphysischen Grunde nicht mit hergeleitet. Das „ethische Fundament", sofern es eben ethisch ist, wird für sich behandelt und bildet den Hauptinhalt jener Schrift. Und wie wird es gewonnen? Schopenhauer tritt hier in scharfen Gegensatz zu Kant. Kant stellt ein moralisches Gesetz auf, das seine Giltigkeit in sich selbst trägt, das auch dann noch giltig bliebe, wenn es von niemandem erfüllt würde. Ein solches Gesetz gibt es für Sch. nicht, er sträubt sich gegen jede imperative Form der Ethik, gegen jeden Begriff des Sollens oder der Pflicht, das Kantische Princip sei höchstens von Wert als heuristische Regel, aber es fehle ihm der reale Inhalt. Schopenhauer will vielmehr vom Wirklichen, von einem wirklich erfahrenen Inhalt ausgehen. Der Ethiker wie der Philosoph muss sich begnügen mit der Erklärung und Deutung des Gegebenen, also des wirklich Seienden oder Geschehenden.“ „Da für den Menschen nur das Empirische oder doch als möglicherweise empirisch vorhanden Vorausgesetzte Realität hat, so muss die moralische Triebfeder in der That eine empirische sein.“ Also irgend einen über den Dingen stehenden Massstab, eine Regel, nach welcher den Dingen der Charakter des moralisch Guten und Bösen zugesprochen würde, gibt es nicht. Wir haben gar nichts weiter als diese Dinge selbst, die wirklichen Dinge, an die müssen wir uns halten. Sollen die moralischen Begriffe nicht Phantasieen sein, so müssen sie aus diesen wirklichen Dingen hergenommen sein, es muss eine ihnen entsprechende Wirklichkeit geben. Nun gibt es in der That wirkliche Vorkommnisse, denen wir zweifellos den Charakter von gut und böse beilegen, an diese müssen wir anknüpfen, von diesen müssen wir ausgehen. Alles, was überhaupt über Moral festgesetzt wird, muss von diesen wirklichen Fällen hergenommen werden. Es sind die Handlungen freiwilliger Gerechtigkeit, uneigennütziger Menschenliebe, im letzten Grunde des Mitleids, die wir ganz unwillkürlich als gut, deren Gegenteil wir als böse ansehen. Schopenhauer gibt sich alle Mühe, auch aus dem Sprachgebrauch, nachzuweisen, dass wir diese Dinge gut nennen und das Gegenteil böse. Alle Untersuchungen über Gut und Böse haben hier an diesen wirklichen Vorkommnissen ihren Anfang.

Die Notwendigkeit, an Vorkommnisse des wirklichen Lebens anzuknüpfen und von ihnen die Prädikate Gut und Böse zu entnehmen, spielt hier dem Pessimisten Schopenhauer einen eigenartigen Streich. Während Kant eingesteht, es sei

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Ed. Grimm, Zur Grundlegung der Ethik Schopenhauers.

möglich, dass sein Ideal des Guten in Wirklichkeit gar nicht vorkomme, wenigstens lasse es sich nicht feststellen, da man niemandem ins Herz blicken könne, gibt Sch. das letztere allerdings zu, er gesteht wenigstens ein, es sei schwer, solche Eigenschaften in Wirklichkeit nachzuweisen, aber er betont doch ausdrücklich, dass sie wirklich vorkommen. Denn wenn sie nicht vorkämen, fehlte ihm jeder Ausgangspunkt für die Moral, da er diesen nach seinem Grundsatze nur in den wirklichen Dingen oder Ereignissen nehmen kann. Ohne solche Wirklichkeit, das hebt er ausdrücklich hervor, wäre die Moral eine Wissenschaft ohne reales Objekt, ähnlich wie Astrologie und Alchimie, d. h. keiner Mühe wert. Allen weiteren Zweifeln gegenüber schützt er sich mit der Bemerkung: ich rede zu solchen, welche die Realität der Sache einräumen.

Mich weiter in

Sein Verfahren, um überhaupt den Begriff des Ethischen zu gewinnen, ist durchaus empirisch; und nun geht er weiter und verfolgt das als ethisch Bezeichnete in seine natürlichen Wurzeln hinein, das ist seine Metaphysik. diese Fragen einzulassen, habe ich keinen Anlass. Dann müsste man schon eine Darstellung der ganzen Schopenhauer'schen Ethik geben, und das liegt mir fern. Schopenhauer erscheint anderen Ethikern gegenüber zunächst in grossem Vorteil, da er sich ganz auf den Boden der Wirklichkeit stellt. Alles baut sich leicht und natürlich auf, nachdem erst im Mitleid ein sehr populärer Ausgangspunkt gewonnen ist. Aber warum ist denn nun das eine gut und das andere nicht? Wir nennen es so, wir empfinden es so aber einen eigentlichen Grund dafür erfahren wir nicht. Wenn nun jemand käme und sagte: ich empfinde nicht so, ich meine nicht, dass das Mitleid etwas so Gutes sei, ich betrachte es vielmehr als eine Schwäche oder zur Metaphysik hingewandt: jenes Ureine ist doch nur eine blinde Naturkraft; dass wir darin alle zusammenhängen, ist am allerwenigsten ein Vorzug, sondern erst mit dem Princip der Individuation, der Loslösung, der Selbstgestaltung beginnt das Leben, der Weg, der uns in irgend einer Weise zum Guten führt; deshalb kann ich den Egoismus nicht durch die Bank als Inbegriff alles Schlechten ansehen wenn jemand so spräche, wie wollten wir ihm im Sinne Schopenhauers antworten? Davon, dass er seine Ethik in ihrer Eigenschaft als Ethik metaphysisch begründet habe, kann keine Rede sein. Kann man sagen: er habe sie psychologisch begründet? Auch das ist eigentlich nicht der Fall. Sein wirklicher Grund ist ganz subjektiver Art. Welche grosse Rolle auch sonst der Gedanke des Ethischen in seinem System ausübt, eine eigentliche Begründung des Ethischen seinem innersten Wesen nach kann ich nicht finden. In diesem Lichte betrachtet dürfte jener Satz nicht ungerechtfertigt erscheinen, dass die Ethik Schopenhauers, ohne eine tiefere Begründung zu erhalten, sich lediglich auf dem Mitleid, so wie es in Wirklichkeit auftritt, als ihrer alleinigen Grundlage aufbaut.“

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Literatur.

Kirchenrecht. Für deutsche Theologen und Juristen von A. von Kirchenheim, a. o. Prof. der Rechte in Heidelberg. Bonn, 1900, A. Marcus' und E. Weber's Verlag; XVI u. 407 S.

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Wie vor sieben Jahren die Verlagsbuchhandlung von Reuther & Reichard in Berlin ihrer Sammlung von Lehrbüchern der praktischen Theologie in gedrängter Darstellung," so hat nun auch die von Marcus & Weber in Bonn ihrer „Sammlung theologischer Lehrbücher" eine Bearbeitung des Kirchenrechtes eingefügt. Gewiss ein erfreuliches Zeichen, dass die Bedeutung des Kirchenrechts für das theologische Studium und für den Kirchendienst der evangelischen Theologen anfängt, etwas höher gewertet zu werden, als wir das bis in die neueste Zeit gewohnt gewesen sind. Glaubte doch auch noch Kahl mit gutem Fuge in seinem, bisher leider unvollendeten Lehrsysteme" diese Bedeutung des Kirchenrechts den Studierenden der evangelischen Theologie, gegenüber ihrer herkömmlichen Geringschätzung desselben, ausführlich darlegen zu müssen. Insbesondere das, was Kahl bei dieser Gelegenheit von der Bedeutung des Kirchenrechts für das Verständnis der Kirchengeschichte gesagt hat, gilt von dem katholischen Kirchenrechte in noch grösserem Umfange als von dem evangelischen. Deshalb ist es als ein Fortschritt anzuerkennen, dass diese Bonner Sammlung sich nicht, wie der wohlverdiente, inzwischen heimgegangene Köhler in jener früheren Berliner Sammlung, auf die Darbietung eines „deutschevangelischen Kirchenrechts" beschränkt hat. Das vorliegende Buch soll vielmehr, wie der Verf. sagt, „auf dem knappen Raum von 400 Seiten das ganze Kirchenrecht zusammengedrängt enthalten, nicht nur das evangelische, wenn auch dies letzte im Mittelpunkt steht"; es soll alles bieten, was nach des Verf.'s zwanzigjähriger Erfahrung als akademischer Lehrer dem Geistlichen nützlich, dem Juristen und Beamten unentbehrlich ist, „ein Lern- und Lesebuch, ein Hand- und Hausbuch“.

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Aus diesen letzten Worten mag man entnehmen, dass der Verf. bestrebt gewesen ist, die auch ihm bekannte Unlust so vieler evangelischer Theologen und Juristen zum Kirchenrechte möglichst zu überwinden und ihnen die Beschäftigung damit schmackhaft und lieb zu machen. Daher die lebhafte, alle Trockenheit vermeidende Sprache, die freilich manchmal mehr, als meines Erachtens einem Lernbuche“ zukommt, an ein „Lesebuch" erinnert; daher auch eine grosse Anzahl durch kleineren Druck kenntlich gemachter Mitteilungen und Ausführungen geschichtlichen, statistischen und kirchenpolitischen Inhalts, deren Kenntnis zwar nicht durchweg nötig, aber doch meistens nützlich und angenehm ist. Dazu kommt noch, dass der Verf. seine persönliche Stellung zu den kirchenrechtlichen und kirchenpolitischen. Fragen der Gegenwart überall offen kundgibt und so durch seine eigene warme

Protestantische Monatshefte. 5. Jahrg. Heft 7.

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