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erkennbar. So steht es auch mit dem Anfang der Reformation.

Der Anschlag der

95 Thesen am 31. Oktober 1517 wird als ihr Geburtsfest gefeiert. Aber enthalten diese Sätze überhaupt ein Programm? Lassen sie etwas ahnen von dem Sturm, den sie entfachen sollten? Keiner, der sie zuerst liest, wird sich dem Gefühle der Enttäuschung entziehen können. Selbst dem gewiegtesten Kenner der theologischen Sprache jener Zeit wird es schwer, ein klares Bild von dem, was diese Thesen wollen, was sie verneinen und was sie behaupten, sich zu machen. Die wenigen klaren und entschiedenen Sätze von der wahren Busse eines Christen und von der Vergebung der Sünden werden fast erdrückt von einer Menge zaghafter Fragestellungen, von Behauptungen, die, kaum aufgestellt, schon in dem folgenden Satz wieder halb zurückgenommen werden, von Sätzen, die einem Bonmot ähnlicher sehen als dem ernsterwogenen Wort des akademischen Lehrers, von Citaten, die als Füllsel nur zu deutlich sich charakterisieren. Alles andere findet man hier, nur nicht die klare, wohlerwogene und gutfundierte Sprache eines Mannes, der da weiss, was er will. Der Laie wird diesen Sätzen bei erstmaliger Lektüre wenig mehr entnehmen, als dass hier die Missbräuche, die mit der Ablasspredigt verbunden waren, angegriffen werden, dass versucht wird, eine übertriebene Schätzung dieser Ablässe zurückzuschrauben auf ein etwas geringeres, mit den Forderungen wahrer Busse besser sich vereinbarendes Mass. Und nicht nur der Laie! Auch Gelehrte von bedeutendem Ruf haben diesen Thesen nichts entnehmen können und die Gründe zu Luther's Auftreten anderswo gesucht. Man hat gemeint, die Eifersucht des Augustinermönches auf den Dominikaner Tetzel habe sich hier Luft gemacht. Oder es gab die Thatsache, dass Kurfürst Friedrich von Sachsen sein Land dem Ablassprediger verschlossen hatte, Anlass zu der Vermutung, Luther habe hier nur im Auftrage seines Fürsten gehandelt und den Mainzischen Ablass angegriffen, damit nicht über ihm der reiche Ablassschatz der Schlosskirche von Wittenberg, den Friedrich selbst mit viel Mühe zusammengebracht, in Vergessenheit gerate. Die protestantischen Historiker haben diese Erklärungsversuche mit Recht als völlig haltlos zurückgewiesen. Aber sie haben sich dann auch Luther's Angriff nur aus den Missbräuchen der Ablassprediger erklären können. Weil Luther ja den Ablass an sich bestehen lassen will, so sollen seine Thesen nur gegen die auch den Kreis der kirchlichen Lehre durchbrechenden Missbräuche und Uebertreibungen der Ablasskommissare, vor allen Tetzel's gerichtet sein. Und nun hat man auf diesen Mann das ganze Odium der Kirchenspaltung gehäuft. Lange Zeit haben auch katholische Historiker ihn nicht in Schutz genommen. Dann aber durch Janssen angeregt hat hier eine solide Quellenforschung eingesetzt, und das Resultat war, dass die gegen Tetzel erhobenen Vorwürfe um ein Erhebliches zurückzuschrauben sind, dass vor allem seine Ablasspredigt im grossen und ganzen auf dem Boden der durch die päpstlichen Bullen und die officiellen Instruktionen gekennzeichneten Lehre vom Ablass steht. Da war nun auf Seiten der protestantischen Geschichtschreibung die Verlegenheit eine verdoppelte. Das Recht der Refor

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mation war nicht zu trennen von dem Recht Luther's im Ablassstreit. Wie nun, wenn sich bestätigt, dass Luther, der ja selbst auf dem Boden der kirchlichen Lehre stehen will, gegen Windmühlen kämpfte; wenn die Missbräuche des Ablasshandels gar nicht auf eine falsche Lehre zurückgingen, sondern nur solche waren, wie sie eben bei einem grossangelegten, auf ein schwer zu kontrollierendes Personal angewiesenen Betrieb unvermeidlich sind? Der Rostocker Theologe A. W. Dieckhoff war der erste, der diese Verlegenheit empfand. Nachdem schon Janssen aber völlig unzureichend und fehlgehend auf einen tieferliegenden Gegensatz der Lehren hingewiesen hatte, meinte nun Dieckhoff die zureichende Erklärung für Luther's Angriff in der mit dem Ablass eng zusammenhängenden katholischen Lehre von der unvollkommenen Reue (attritio) gefunden zu haben: diese nur aus der Furcht vor Strafe entspringende Reue, welche ohne wirkliche Sinnesänderung bestehen könne, sei damals allgemein für ausreichend zum Empfang der Absolution erachtet worden, und so sei im Verein mit den so verschwenderisch ausgestreuten Ablässen aller sittliche Ernst im Volke systematisch vernichtet worden. Davon habe Luther nun im Beichtstuhl fort und fort die betrübendsten Erfahrungen gemacht, und nun sei er aufgestanden gegen die Ablässe, an die sich diese verderbliche Lehre in der Praxis geheftet habe aufgestanden also weniger gegen die Ablässe selbst, als gegen eine Herabsetzung der Bussforderung, für die Einschärfung einer wahren, aus tiefstem Herzen kommenden Reue. Es lässt sich nicht leugnen: die Thesen, welche mit der Einschärfung dieser Reue anheben und enden, sprechen für eine solche Erklärung. Allein doch nur auf den ersten Anschein. Die Thesen, im ganzen betrachtet, lassen sich von jenem Gesichtspunkt aus nicht verstehen. Wenn an der Lehre von der Reue Luther's ganzes Interesse haftete, dann müsste man unbedingt mehr und deutlicheres hierüber erwarten. Statt dessen nimmt aber doch die Polemik gegen die Ablässe selbst den Hauptraum ein, und die Sätze über die Reue bilden nur den Rahmen. Dazu kommt nun, dass der Schade, dem nach Dieckhoff Luther's Kampf galt, keineswegs so offen und so unwidersprochen im Schwange war. Neben denen, die jene unvollkommene Reue für ausreichend zur Erlangung der Absolution betrachteten, gab es doch noch viele, die in ihr nur eine Vorstufe für die notwendige vollkommene Reue, den Sündenschmerz aus Liebe zu Gott und nicht aus Furcht vor ihm, sahen. Und diese waren vielleicht in der Mehrzahl. Auch die Ablassbullen, Ablasspredigten etc. unterliessen es nicht, gelegentlich auf diese Reue als Bedingung zum Empfang aller Gnaden des Ablasses hinzuweisen. Durch das Volk aber ging das war ja die Signatur der Zeit ein tiefes, fast ungesundes Sündenbewusstsein. Es konnte also jene Lehre von der attritio an sich nicht so stark in die Erscheinung treten, um einen Schritt wie den Luther's zu rechtfertigen. Und vollends wäre nun von hier aus die Wirkung der Thesen, ihre phänomenale Verbreitung und der weite und tiefe Widerhall, den sie aus allen Schichten der Bevölkerung empfingen, unverständlich. Die Erklärung für all dieses, die Rechtfertigung für Luther's Heraus

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forderung und damit die Rechtfertigung für die deutsche Reformation selbst liefert nicht dieser immerhin untergeordnete Gegensatz in der Lehre von der Reue, liefern auch nicht die Missbräuche und Ausschreitungen Tetzel's und seiner Genossen. Die Erklärung, welche wir nötig haben, liefert allein das Ablassinstitut selbst, so wie es sich bis 1517 herausgebildet hatte, unter direkter Einwirkung der obersten Kirchenleitung.

Die Geschichte des Ablasses reicht zurück bis in die Anfänge des 11. Jahrhunderts. Die kirchliche Seelsorge war in den noch kaum christianisierten romanischen und germanischen Ländern vor Aufgaben gestellt, denen die alten aus den Zeiten der Konventikel- und Märtyrerkirche ererbten Regeln nicht mehr genügten. Sieben Jahre öffentlicher Busse für jede Todsünde so lautet die alte Satzung. Wie war das möglich in den Massen durchzuführen, die noch ganz in den Anschauungen ihrer heidnischen Vorfahren lebten! Wie war es überhaupt möglich, in grösserem Masse Leute auf Jahre hinaus ihren Lebenspflichten zu entziehen und auf die Ableistung solcher Büssungen einzuschränken! Eine Erleichterung war notwendig. Sie geschah, indem man die dem alten Busstarif entsprechenden schweren Kirchenstrafen in leichtere Uebungen, die auch neben den täglichen Geschäften her zu verrichten waren, umwandelte. Und wo es angemessen erschien, konnte anch eine Geldleistung hinzukommen oder die Stelle vertreten. Aber diese Erleichterung auf der einen Seite war begleitet von einer Verschärfung nach der andern. Eine sich immer mehr vertiefende Ethik hatte im Verein mit der fortschreitenden psychologischen Erkenntnis aus der alten einfachen Siebenzahl der Todsünden ein kompliziertes System von groben und feinen Verfehlungen entwickelt, aus dem es für den Laien gar kein Entrinnen mehr gab. Erst das inquisitorische Ausfragen des Priesters im Beichtstuhl brachte ihm zum Bewusstsein, dass er auf Schritt und Tritt gefehlt und von einer Todsünde in die andere gefallen sei. Die Schrecken der ewigen Verdammnis freilich, die ihn nun zur Verzweiflung hätten führen müssen, wurden ihm sofort durch die Absolution genommen. Der Hölle war er damit entronnen, aber nun drohten die zeitlichen Strafen, die Gott über ihn verhängen würde, und nach ihnen unfehlbar die Pein des Fegefeuers. Denn in diesem Leben abzubüssen, was an Todsünden nach dem neuen System begangen, war unmöglich, auch wenn die Kirche noch so grosse Erleichterungen bewilligte. Es blieb immer noch genug abzubüssen übrig, um die Qual des Fegefeuers schier endlos zu machen. Denn hier gab es keine Erleichterung mehr, hier galt der alte Satz: Sieben Jahre Pein für jede Todsünde, auch die in Gedanken begangene. Da war denn für die Ablässe ein weites Feld eröffnet. Denn je weniger sich die Wirkung der vereinfachten Busse in diesem Leben erproben liess, mit desto grösserer Sicherheit liess sie sich für das Jenseits behaupten. Die Leistungen wurden auf ein erträgliches Mass herabgesetzt und doch dem tief in der Seele des germanischen Menschen wurzelnden Buss-Bedürfnis Genüge gethan. Es ist nicht zufällig, dass fast gleichzeitig die Einführung der Ablässe, die Umwandlung der Beichte zum

Sakrament und die Ausbildung der Lehre vom Fegefeuer sich vollzogen. Ein tiefer innerer Zusammenhang offenbart sich hier und lässt ein System der kirchlichen Seelsorge entstehen, das auf das feinste den Stimmungen und Bedürfnissen des Sünders sich anpasst.

Einzelne Bischöfe waren vorangegangen mit der Erteilung allgemeiner Ablässe, die Priester folgten im Beichtstuhl mit Ablässen von nur individueller Geltung. Zögernd nahmen dann die Päpste diese Neuerung auf, gaben ihrerseits Ablässe und sanktionierten sie bei anderen. Aber als sie einmal ein Ablassprivileg erteilt hatten, da wurden sie schon von allen Seiten bestürmt. Und nun wurden von ihnen bald einzelne Heiligtümer, bald Mönchs- und andere Genossenschaften mit Ablässen ausgerüstet. Diese wurden dann den Gläubigen feilgeboten. Aber es ging dabei nun doch nicht so zu, dass für eine Geldzahlung allein diese Ablässe zu erwerben waren. Zuvor musste der Petent bei einem Priester gebeichtet haben und absolviert sein; und dann waren stets mit dem Zahlen von Geld noch fromme Uebungen verbunden. Der Ablass, den man so erwarb, war bald grösser, bald geringer, je nach dem Privileg, aber er erstreckte sich doch immer nur auf eine begrenzte Anzahl von Jahren. Das heisst: soviel Jahre Ablass der Gläubige erwarb, soviel Jahre von der Pein des Fegefeuers durfte er als gestrichen ansehen. Dem frommen Eifer war Raum gelassen. Die Zahl der Ablässe konnte in das Ungeheuere gesteigert werden. Aber eine vollkommene Sicherheit war auf diesem Wege noch nicht zu erwerben, und die Notwendigkeit, für sein Seelenheil weiter mit Furcht und Zittern zu sorgen, blieb bestehen.

Das wurde erst anders, als die Päpste sich veranlasst sahen, dieses Institut für sich zu monopolisieren und demgemäss zu überbieten, was bisher gewährt worden war. Auf allen Gebieten der kirchlichen Verwaltung bemerken wir in der zweiten Hälfte des Mittelalters eine zunehmende Centralisation. Die Besetzung der Stellen, von den Erzbistümern bis zu den einfachen Pastoraten, versuchte die Römische Kirche an sich zu reissen. Von kirchlichen Rechtsfällen wurden immer mehr den päpstlichen Gerichten reserviert, ganz abgesehen davon, dass das Register der Sünden, für die allein der Papst Absolution erteilen konnte, immer länger geworden war. Es ist nicht blosse Herrschsucht, was dem zu Grunde lag: es ist der in dem religiösen Bedürfnis des Mittelalters tief begründete Zug nach einheitlicher Zusammenfassung in einen sichtbaren Gottesstaat. Zu diesem idealen, mehr unbewussten Motiv gesellte sich aber ein anderes, rein materielles: früher als andere weltliche Herrscher sahen sich die Päpste gezwungen, Finanzpolitik zu treiben. Während die weltlichen Staaten noch auf ackerwirtschaftlichem Boden sich behaupteten, sah sich der geistliche Staat immer mehr auf Geldwirtschaft angewiesen, und er bildete hierbei ein Wirtschaftssystem aus, das musterhaft genannt werden kann. Aber dieser Staat mit seinen ebenso starken geistigen, wie materiellen Bedürfnissen und Aufgaben bedurfte immer grösserer Geldmittel. Es war selbstverständlich, dass, um diese zu schaffen, auch

das Ablassinstitut in Angriff genommen wurde. Den Anfang machte Bonifatius VIII., indem er der Christenheit für das Jahr 1300 „allervollkommensten Ablass" in Rom anbot. Der Wechsel des Jahrhunderts, das Jubiläum der Stadt des heiligen Rom, bot den Anlass, und man konnte anknüpfen an den uralten Brauch der Bussfahrten zu den Kirchen St. Peters und St. Pauls. Alle 100 Jahre sollte ein solches Jubiläum gefeiert werden. Aber der finanzielle Erfolg dieses ersten war so gross, dass die Nachfolger die Zeit immer mehr verkürzten von hundert auf fünfzig und schliesslich auf fünfundzwanzig Jahre. Und nicht genug damit, dass man in Rom selbst solchen vollkommenen Ablass bot, Bonifatius IX., der des Geldes nicht genug haben konnte, fühlte sich 1390 gedrungen, auch für die zu sorgen, welche die lange Reise nicht machen konnten: er liess durch besondere Boten seinen Jubelablass in allen Ländern feilbieten. Bald genügte auch nicht mehr das Jubeljahr: man benutzte andere Anlässe, wie Kreuzzüge gegen die Husiten und Türken, um eine solche Ablasspredigt in Scene zu setzen. Zu Luther's Zeiten war es der Neubau Sankt Peters, der den Titel abgab. So hatte seit dem Jubeljahr 1500 bis 1517 der Ablasshandel in Deutschland noch nicht wieder aufgehört.

Was bot nun dieser päpstliche Ablass Besonderes? Wir haben es schon gehört: einen vollkommenen Erlass aller Sündenstrafen, also auch eine vollständige Aufhebung aller Pein des Fegefeuers. Aber ein solch vollkommener Ablass war noch nicht einmal etwas Neues. Schon gelegentlich der Predigt zum ersten Kreuzzug war er erteilt worden, und späterhin hatten auch einzelne Kirchen und Klöster, Orden und Bruderschaften sich ihn von den Päpsten zu verschaffen gewusst. Zunächst würde also hier nur eine quantitative Steigerung der gewöhnlichen Ablässe vorliegen, und das würde noch nicht rechtfertigen, diesen päpstlichen Jubelablass als eine schwere Gefahr für die Christenheit hinzustellen. Ja auch mit seiner Vollkommenheit wäre es doch schlecht bestellt gewesen, denn der Ablass an sich kann sich immer nur auf die schon begangenen Sünden, nicht auf die zukünftigen, beziehen. Vollkommen wäre also dieser Ablass nur für den gewesen, der ihn in der Todesstunde empfing, wo die Möglichkeit neue Sünden zu begehen, aufhört. In der That, mit der Bezeichnung allervollkommenster Ablass" ist der Reichtum dieses päpstlichen Jubelablasses nicht erschöpft. So wie sich dieser, von Etappe zu Etappe durch die Päpste immer reicher ausgestattet, bis zu Luther's Zeit entwickelt hatte, konnte er

das sind die Worte von dessen Ordensgenossen Johann von Paltz, der sich die theologische Rechtfertigung dieses Instituts zur Lebensaufgabe gemacht hatte ein neues Sakrament genannt werden. Denn hier sind Busssakrament und Ablass, zwei ursprünglich deutlich geschiedene Dinge, in eins zusammengezogen. Der gewöhnliche Ablass setzt den Empfang des Busssakramentes, d. h. der Absolution voraus und bildet ein Anhängsel zu ihm. Der Jubelablass, so wie er zu Luther's Zeiten vertrieben wurde, kehrt diese Reihenfolge um. Die Absicht zu beichten genügt schon neben der Geldzahlung zum Erwerbe des Ablassbriefes. Und der

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