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Christus gebunden bleibt, so ist es freilich schwer zu sagen, wie sich hiermit die historische Kritik und die wirkliche Geschichte reimt. Könnte aber auch Herrmann die Berichte über Christus so sicherstellen, dass sie über alle Kritik erhaben sind, so bliebe es doch auch so sehr wunderlich, wie jemand, der an Christi historisches Bild gebunden ist, doch auf der anderen Seite frei und autonom sich entscheiden soll. Oder soll es bloss das allgemeinste Princip des Reichgotteswillens und des Gottvertrauens sein, das wir ihm entnehmen, so fragt sich, ob wir hierzu Christus wirklich bedürfen, da diese allgemeinen Grundsätze schliesslich rational sind; da kann es zwar von Wert sein, zu sehen, dass sie einmal realisiert sind, weil dadurch ihre Realisierbarkeit uns klar wird, die uns Mut verleiht. Allein im Grunde genommen ist doch nur dann diese supernaturale Offenbarung nötig, wenn der Dualismus zwischen Natur und Geist vorausgesetzt wird und wir nun das, was wir eigentlich an sich doch nicht annehmen können, weil die Wirklichkeit widerspricht, auf seine Autorität hin annehmen. Dann aber ist doch wieder diese Eine Thatsache, die eine übernatürliche Erscheinung im vollsten Sinne ist, weil sie allen natürlichen Erscheinungen Trotz bietet, irrational. Soll wirklich diese Welt ein Bethätigungsfeld für das Reich Gottes werden können, so muss sie auch die Spuren davon zeigen können und zwar nicht bloss in Einer Person. Die Natur muss für den Geist angelegt sein, was Kant schon selbst ahnte, wenn er von dem intelligiblen Substrat der Natur sprach. Besteht der Dualismus wirklich, so kann er nicht durch eine Person überwunden werden. Man müsste dann höchstens sagen, er bestehe nicht objektiv, sondern nur in unserer Vorstellung, und Christus korrigiere diese falsche Vorstellung. Aber dann kommt man doch zu Fichte, der sagt, wenn wir die Höhe erstiegen haben, brauchen wir die Leiter nicht mehr. Denn wenn unsere falsche Vorstellung beseitigt ist, erkennen wir sie als falsch und das Wahre als in sich wahr und berechtigt. Oder sind die Hemmnisse zu gross, so bleibt allerdings ein irrationales Element, das auf irrationale Weise überwunden wird. Dann aber bleibt auch der Glaube immer zugleich Autoritätsglaube. Herrmann scheint nun zwischen Beidem beständig zu schwanken: das eine Mal geht er soweit, dass er uns zum Gehorsam verpflichtet: Der Glaube ist völliger Gehorsam, Jesus der Herr, dem der Glaube unbedingt gehorcht. Das andere Mal wird gesagt, dass für jeden sittlich ernsten Menschen, nicht nur für die Christen sittliche Pflicht und innere Selbständigkeit auf einander bezogen seien und dass viele den Glauben an Gott hätten als die verborgene Macht des Guten, dass durch Jesus und durch Menschen, die er an sich gefesselt hat, diese Offenbarung deutlicher werde als durch alles andere, aber doch, wie es hiernach scheint, nicht durch ihn allein dieser Gottesglaube gegeben sei. (119. 120).

Wenn also hier Schwankungen zwischen Autorität und Autonomie nicht ausgeschlossen sind, was dem allgemeinen Charakter der Ritschl'schen Schule entspricht, die den formalen Supernaturalismus mit der Tendenz zu inhaltlichem Rationalismus verbindet, so ist zugleich die Betonung des Historischen hier von besonderen Schwierig

keiten gedrückt, weil sie einerseits den Glauben an den historischen Jesus zum Fundament machen, andererseits sich aber doch nicht entschliessen können, die historische Kritik völlig über Bord zu werfen.

Die Ritschl'sche Schule hat, wie Ritschl selbst, bedeutende geschichtliche Forschungen sowohl auf dem Gebiete der neutestamentlichen Literatur als auch in der Kirchen- und Dogmengeschichte unternommen. Auch hier ist das Grundschema dies, zu beweisen, dass die ursprüngliche Religion Jesu durchaus praktisch-ethisch gerichtet, auf die Gründung des Gottesreiches ausging durch Verkündigung und Darlebung einer energischen Gesinnungsethik und eines unbedingten Gottvertrauens, in welchem auch die Sündenvergebung enthalten war, dass Jesus das Reich Gottes gestiftet, seinen Beruf bis zum Tode durchgeführt hat. Diese rein praktische Religion, die sich jeder im Anschluss an Christus aneignen sollte, wurde nun aber durch den hellenischen Einfluss verdorben, mit der naturalistischen griechischen Metaphysik verquickt, intellektualistisch verbildet, mit einer Fülle überflüssiger Probleme kosmologischer, psychologischer, metaphysischer Art überladen, durch Mysterienkult nicht ohne Magie entstellt, bis die Reformation, insbesondere Luther den Anfang damit gemacht hat, diese Verbindung wieder aufzulösen, was aber im alten Protestantismus nicht durchgeführt wurde, bis in der neuen Zeit Kant und seine Nachfolger diese Reinigung von dem hellenischen metaphysischen Sauerteig vollkommen durchgeführt haben. Die Geschichte des Christentums zeigt hiernach keinen Fortschritt, keine Entwickelung, sondern nur einen Abfall von dem Ursprünglichen und eine Wiederherstellung desselben in der letzten Zeit. Aehnlich meinte man auch in der Reformationszeit die Kirche nur von dem eingerissenen Verderben zu dem reinen Anfang zurückzuführen. Nur wendet man sich jetzt gegen solches, was die Reformation noch anerkannte: wie man sich von katholischen Missbräuchen in der Reformationszeit befreite, so befreit man sich jetzt auch von dem Dogma der Reformationszeit und seiner falschen Metaphysik, und wie man in jener auf die Schrift, ja thatsächlich auf den Consensus quinquesaecularis zurückging, so gehen jetzt die fortgeschrittenen Ritschlianer nicht einmal mehr auf die Schrift, sondern im wesentlichen nur auf Jesus zurück, wenn freilich auch darüber in der Schule Streit ist, ob man die Schrift nur als Urkunde über Jesus oder ob man auch die anderen Teile der Schrift als massgebend soll gelten lassen.

Im Grunde wird man aber zugeben müssen, dass wie das Christentum durchaus praktisch sein soll, diese historischen Untersuchungen nicht um ihrer selbst willen geführt werden, sondern in dem praktischen Interesse, das genuine" Christentum Christi oder Christi Offenbarung aus dem Schutt der Ueberlieferung auszugraben. Alle historischen Gestalten werden hier nicht objektiv historisch gewürdigt, nicht aus ihrer Zeit heraus verstanden, sondern von dem christlichen, d. h. dem eigenen Standpunkte aus beurteilt", den man für den christlichen hält. Es ist ganz richtig, wenn man bemerkt hat, dass hier die Geschichte der Dogmen nur als eine Geschichte

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des menschlichen Irrtums getrieben werde, wie man Geschichte der Philosophie vom agnosticistischen Standpunkte aus treibe, um die Geschichte menschlicher Phantasieprodukte sich zu vergegenwärtigen, was dann freilich für einen an der Wahrheit Interessierten nicht übermässig viel Reiz haben kann. Das Dogma wird in jeder Gestalt aufgelöst, ja nicht nur das Dogma, sondern der gesamte Erkenntnisprozess, da Erkennen ja für den praktischen Agnostiker überhaupt der Religion fremd ist. So kann denn bei grosser Exaktheit im einzelnen das Verständnis der christlichen Geschichte im ganzen wenig gefördert werden, da die Idee der Entwickelung auf diese Geschichte anzuwenden verpönt ist. Ein abstrakt rationales Princip wird unter der Autorität der Offenbarung an die Spitze gestellt, ein Princip, das eigentlich geschichtslos ist und nachdem es einmal in die Geschichte eingetreten und von einer Person erlebt worden ist, einen weiteren Fortschritt nicht mehr zulässt, sondern nur entweder Abweichungen erfährt, die korrigiert werden müssen, also nur Rückschritt, oder Stillstand, aber keine Entwickelung offen lässt. Nur wenn dieses Princip als eine positive gestaltende Kraft aufgefasst würde, könnte von Entwickelung die Rede sein; wenn es aber ewig in sich selbst gleich gegen die Natur und die natürliche Welt sich innerlich gleichgültig, ja dualistisch überweltlich verhält, kann von einer Entwickelung nicht die Rede sein, sondern nur von einer Bewahrung desselben gegen Hindernisse. Nur wenn man, aber inkonsequenterweise, zugeben würde, dass dieses Princip sich in den konkreten Verhältnissen zu bethätigen hat, kann mit der Idee der Entwickelung Ernst gemacht werden. So ist denn das Auftauchen der Frage in diesen Kreisen wohl verständlich, wie es möglich gewesen sei, dass das ursprünglich aller Erkenntnis, insbesondere aller Kosmologie und weltlichen Kultur abgeneigte praktische Christentum sich zu einer theoretisch erkennenden und die Kultur durchdringenden Religion habe ausbilden können, eine Frage, die natürlich hier nur mit Zuziehung dem Christentum fremder Faktoren beantwortet werden kann, die es aus seiner Transscendenz geworfen haben sollen. Es ist auch begreiflich, dass man in Ritschl'schen Kreisen vielfach der Meinung ist, im wesentlichen käme es für die Geschichte jetzt nur noch auf Einzelforschung an, nachdem doch das Grundschema ein für allemal festgestellt sei.

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Aber es entstehen nun auch Schwierigkeiten gerade für den Ritschl'schen Standpunkt aus der Erforschung des Urchristentums. Wenn das Wesen des Christentums mit dem Christentum Christi", wie man früher sagte, mit der Offenbarung in Christus, wie man jetzt sagt, gegeben ist, so sind die historisch - kritischen Untersuchungen für diesen Standpunkt tödlich. Denn wenn man doch zugeben muss, dass Christus vieles mit seiner Zeit teilte, das wir uns nicht aneignen können, so ist der Begriff der historischen Offenbarung recht prekär geworden. Man muss dann zwischen solchem unterscheiden, was Offenbarung ist und was sie nicht ist, und wählt sich dem eigenen Standpunkt gemäss das heraus, was einem sympathisch ist, oder das, was allgemeingültig ist und was, nachdem es einmal da ist, auch als allgemein

gültig erkannt wird. Im letzten Fall dient die Form der Offenbarung nur der Einführung einer allgemeingültigen Idee. Die specifisch historische Einkleidung aber, der Lokalton, die Zeitfarbe wird dann als unwesentlich beiseite gelassen. In der That ist es nicht verwunderlich, wenn in der Ritschl'schen Schule die Diskussionen über das, was denn im Urchristentum oder in der Person Jesu Offenbarungscharakter habe, nicht zur Ruhe kommen, indem die einen möglichst viel, auch selbst in Bezug auf Wunder konservieren möchten, die andern so weit gehen, Christo sehr viel Zeitvorstellungen zuzuschreiben, die nicht autoritativ sind, um dann schliesslich die universale Moral mit dem Gottvertrauen übrig zu lassen, das aber auch in zeitlichen Formen sich dargestellt haben soll, während die mittleren zwar zugeben, dass an Christo Zeitliches sei, dass wir aber an das uns zu halten haben, was für uns überwältigend“ ist, und das Andere ehrfurchtsvoll stehen lassen sollen, ja auch die gesamte Schrift ebenso zu behandeln haben, indem wir uns bescheiden, vielleicht doch auch in Bezug auf den Wert dieses Anderen später Erleuchtungen zu erhalten. Wenn aber die Sache so steht, kann man sich schliesslich nicht wundern, dass Harnack am Ende die Konsequenz zieht, das Wesen des Christentums habe ein Princip, das aus keiner einzelnen Zeit, auch nicht aus dem Urchristentum allein erkannt werden könne. Damit ist er dann aber dazu gekommen, den specifischen Offenbarungscharakter der Urzeit fallen zu lassen und das Christentum im wesentlichen als rationale praktische Religion zu verstehen, nur dass er echt schillernd doch immer wieder Christus als eine Art Uebermenschen stehen lässt, an den wir uns zu halten haben.

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Besonderes Interesse bietet in dieser Hinsicht auch die neueste Schrift von Wernle1), der bei freiester, schärfster Kritik doch im wesentlichen ebenfalls die Ritschl'schen Grundgedanken festhält. Die Religion Jesu ist nach ihm rein praktisch gewesen, während die Erkenntnis erst eine spätere Zuthat zu dem Christentum sei. Jesus soll auch hier Autorität sein, obgleich er in sehr wichtigen, um nicht zu sagen centralen Fragen geirrt hat. Auch das hält er fest, dass das Christentum durchaus nur jüdischen Ursprungs sei, und der hellenische Einschlag muss auch ihm dazu dienen, das Verderben zu erklären, obgleich er allerdings darin unbefangener ist, dass er auch jüdische Verderbnis des Christentums zugesteht. Hören wir kurz seine Konstruktion.

Christus ist ihm ein Uebermensch, der die Moral der Psalmen gegenüber dem pharisäischen Judentum vertritt, der in der inadäquaten Form des Messias sein Bewusstsein ausdrückt, einer Form, die er in fortschreitendem Kampfe reinigt, indem er die Messiasidee zunächst von der irdischen Königshoffnung befreit, sodann das Tragische, das Leiden mit in sie aufnimmt, freilich nicht ohne Erwartung der Parusie. In letzterer hat das Inadäquate der Messiasidee doch noch den Sieg über ihn

1) „Die Anfänge unserer Religion" (Tübingen u. Leipzig 1901, J. C. B. Mohr).

errungen.

Ausserdem teilt er die Vorstellungen seiner Zeit, den Wunder-, Dämonen-, Geisterglauben. Eine lange Periode hindurch hat Jesus seinen Erfolg überschätzt, worauf bei ihm eine Periode der Ernüchterung folgt. Das Reich hat er dann als zukünftig zu erwartendes, mit seiner messianischen Parusie eintretendes, verkündigt. Wenn nun so Jesus vielfach irrte, so hat dieser Uebermensch" doch nicht bloss das Reich erwartet, sondern auch für seinen Eintritt gewirkt. Er hat gefordert, man solle sich durch Busse auf seinen würdigen Empfang vorbereiten, man solle das Ideal der Gesinnung haben, Gleichgültigkeit gegen die Welt. Jesus war dem Ideal Goethe's') entgegensetzt. Er forderte Selbstzucht, Liebe, Gottvertrauen und Bekenntnis zu sich, d. h. halten zu seiner Sache, selbst mit Martyrium. So hat er Offenbarung, Erlösung, Vergebung, Hülfe, alles in sich und verkündet das alles aus seinem freien Bewusstsein heraus, das durchaus nicht ekstatisch visionär ist, das uns aber ein Geheimnis seinem Ursprung nach bleibt.

Aus dieser widerspruchsvollen Uebermenschgestalt, die ein überweltliches Reich in messianischer Form erwartet, selbst teilweise Irrwege geht und Irrtümer ihrer Zeit teilt, aber eine reine Moral mit Gottvertrauen fordert, wird nun das ausgewählt, was Wernle passt, um zu behaupten, dass man zu diesem Uebermenschen immer wieder zurück müsse, zwar nicht zu seinen Irrtümern, aber zu seiner Moral oder besser zu dem Teil seiner Moral, der sich an unserem Gewissen bezeugt, wobei mau freilich nicht sieht, weshalb man seine Offenbarungsautorität braucht, wenn er doch nicht vollkommen ist und unser Gewissen uns dasselbe sagt. Durch seine Verkündigung der Vaterliebe Gottes erlöst er; er will die Menschen zu Gott bringen. Aber es ist ihm nicht gelungen, das Christentum selbst schon universal zu machen. Das Urchristentum blieb eine jüdische Sekte.

Erst Paulus hat das Christentum universal gemacht; aber er hat auch Christus zum Gott gemacht, ist Urheber der Hochschätzung der Theologie und des Kultus. Er hat Erkennen eingeführt in das praktische Christentum, wenn auch seine Theologie noch praktisch orientierte Messiastheologie ist. Natürliche Theologie gebe es für Paulus nicht; er wolle alles nur von Jesus haben. Wenn er doch an das Gewissen anknüpft, so habe er das nur im apologetischen Interesse gethan. Seine christliche Missionstheologie unter eschatologischem Gesichtspunkte sei Erlösungstheologie für die Griechen, wo er mit der Betonung von Sakramenten, kultischen Institutionen dem griechischen Geschmack entgegengekommen sei, Apologetik gegen die Juden und Guosis. Aber seine Theologie habe ihn nicht gehindert, an Jesus anzuknüpfen; der Geist, der uns die Kindschaft bezeugt, ist nach Paulus der Geist Jesu. Paulus habe in dem Einen Geist die vielen Geister der Gaben zusammengezogen und dieser Geist sei nicht unpersönliche Naturkraft, sondern der geschichtliche Geist Jesu, ja in Wahrheit sei der Geist auch nur die Wirkung der Person Jesu in der Geschichte, und so bedauert er, dass Paulus nicht den Geist zu Gunsten Jesu gestrichen habe, ein Satz, in dem

1) Herrmann stellt in seiner Ethik Goethe, Luther und Kant zusammen.

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