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zehnten Band bereichert worden. Vielleicht war niemand so sehr zu einer objektiven Würdigung Schopenhauer's, dieses, ich möchte sagen, Wilden unter den deutschen Denkern, berufen wie der Leipziger Philosoph Johannes Volkelt. Dazu mochte ihn die frühere Arbeit über Kant's Erkenntnistheorie (Leipzig 1879), besonders aber seine Schopenhauer wahlverwandte Neigung zu künstlerischer Kontemplation (vgl. Volkelt's Aesthetische Zeitfragen", München 1895) und nicht minder seine zwar nicht kritiklose, aber unverhohlen betonte Wertschätzung der im Pessimismus enthaltenen Wahrheiten befähigen. So gewährt denn gerade diese persönliche Beteiligung, die den Leser die geistige Verarbeitung der Schopenhauer'schen Gedanken durch den Verfasser miterleben lässt, einen besonderen Reiz, ganz abgesehen von dem Reichtum lichtvoller kultur- und literargeschichtlicher Urteile, die in die fliessende Darstellung eingestreut sind, und die eigenartige „geistvolle und typische Individualität Schopenhauer's in ihrer Stellung zu den mannigfachsten geschichtlichen Stimmungen, Geistes- und Gefühlsrichtungen hervortreten lassen. Das nachfolgende Referat soll wenigstens die allgemeinen Dispositionen des Buches und die bedeutungsvollen Elemente des Schopenhauer'schen Systems in der Beurteilung des Verfassers wiedergeben.

In einer kurzen Einleitung rechtfertigt der Verf. seine neue eingehende Beschäftigung mit Schopenhauer, der zwar als Metaphysiker, als pessimistischer und aristokratischer Philosoph heutzutage im allgemeinen eine „unzeitgemässe" Erscheinung sei, aber nicht bloss mit seinen Lehren, so einseitig sie sein möchten, ein gutes Gegengewicht gegen die Macht gewisser verhängnisvoller moderner Vorurteile" bilden könne, sondern auch als geniale schriftstellerische Persönlichkeit der übrigens moderne Geistesrichtungen wie die Lebensauffassung der Richard Wagner-Gemeinde, der Einfluss Tolstoi's und die neue Phantasiekunst" wahlverwandt seien immer des Studiums wert bleibe. Aus Schopenhauer's Lebensgang hebt der Verf. sieben für seine philosophische Entwicklung bedeutungsvoll gewordene Punkte hervor. Es sind: 1. Seine weltmännische Erziehung, mit der sein Anschauungsreichtum und der intuitive Charakter seiner Philosophie in Zusammenhang steht. 2. Die pessimistische Stimmung des Jünglings, für den schon das Vergessen überstandener Verzweiflung“, das Ungeheuer Alltäglichkeit" und die sinnliche Leidenschaft etwas Erschreckendes. haben. 3. Sein Studiengang, seine Enttäuschung durch Fichte und Schelling, sein Widerwille gegen die nachkantische Spekulation und seine Vorliebe für Locke. 4. Sein Zerwürfnis mit der Mutter, der zwar egoistischen und verschwenderischen, aber geistvollen und jedenfalls nicht allein schuldigen Frau das sein Urteil über die Frauen und die Menschen überhaupt entschieden beeinflusst hat. 5. Die eigentümlich beherrschende Stellung seines jugendlichen Hauptwerkes („Die Welt als Wille und Vorstellung“) in seinem Entwicklungsgang. 6. Der Misserfolg seiner Berliner Lehrthätigkeit, der, in seiner Feindseligkeit gegen das Hegel'sche System begründet, selbst wieder die Ursache seiner masslosen Polemik gegen die

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Universitätsphilosophie war. 7. Sein tragischer Kampf gegen die jahrzehntelange Verkennung und seine Eitelkeit auf den Ruhm seines Lebensabends.

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Schopenhauer's Persönlichkeit ist eine von den grossen zwiespältigen". Auf der einen Seite eine stille, in höchstes Geistesglück getauchte Gedankenwelt, „überindividuelles, sachliches Leben und Schaffen seiner Intelligenz"; auf der andern eine Welt leidenschaftlicher, aufgeregter, reizbarer Sinne. Sein Pessimismus ist keineswegs nur Bild, nicht Schicksal", er selbst nicht bloss ein „grosser Schauspieler", wie Kuno Fischer gemeint hat, vielmehr ist überall ein mächtig erregtes Gemütsleben als Untergrund" seiner pathetischen Darlegungen zu spüren". Das den meisten grossen Systematikern gemeinsame Selbstgefühl, der Glaube, eine abschliessende und erschöpfende Darstellung der Wahrheit gegeben zu haben, ist bei ihm in besonders starker Weise ausgeprägt. Unbedingte Furchtlosigkeit des Denkens, rücksichtslose, zuweilen naive Wahrhaftigkeit sind Merkmale seines Wesens. Aber er ist Erkenntnisund Willensmensch zugleich. Eine überraschende Zähigkeit in der Wahrung und Vermehrung seines pekuniären Besitzes, eine unablässig beunruhigende. Abhängigkeit von der Herrschaft des Geschlechtstriebes, eine principielle Herzenskälte und ironische Härte im Umgang mit den Menschen, eine peinliche Empfindsamkeit der Nerven und daraus folgende Ungeselligkeit stehen der idealen Seite seiner Natur gegenüber und rufen einen oft qualvoll empfundenen Widerstreit des Wesens hervor, der nicht ohne tragische und dramatisch kühne Züge ist.

Die Grundtriebfedern der Philosophie einer solchen Persönlichkeit sind naturgemäss nicht rein logische. Volkelt zählt deren neun weitere auf die schon genannte pessimistische, ferner eine illusionistische, subjektivistische und voluntaristischalogistische (denen zufolge die Welt einerseits bloss „Vorstellung“, Raum und Zeit, vom vorstellenden Bewusstsein abgelöst, metaphysisch wesenlos, andererseits dunkler, vernunftloser Willenstrieb sein soll), dann aber auch eine harmonistische, eine pantheistische und eine romantische (denen zufolge die zweckmässig geordnete Vielgestaltigkeit der Erscheinungen nur das Eine Grundwesen offenbaren soll, in dessen Reich die Sehnsucht nach transscendenter Erlösung erfüllt wird), endlich eine ästhetische (sofern das Philosophieren hauptsächlich im weihevollen Anschauen der Ideen bestehen soll) und eine moralische (sofern als Grund alles Daseins eine metaphysische Urschuld angenommen wird) eine Fülle von Gesichtspunkten, in der die Widersprüche auf der Hand liegen und die doch wegen ihrer persönlichen Konsolidierung das Wort Windelband's von einem glänzenden Mosaik" nicht rechtfertigt.

Ihrem Inhalt nach ist Schopenhauer's Philosophie wesentlich Metaphysik, wie die der nachkantischen Philosophen überhaupt und des von ihm bekämpften Fichte insbesondere: das Erkenntnistheoretische wird sofort metaphysisch umgebildet. In der von ihm geübten Methode verknüpft sich mit betonter Verstandesklarheit die Neigung zum Unergründlichen, Undurchdenkbaren, also ein gewisses mystisches Element". Philosophie ist ihm zunächst gewöhnliches wissenschaftliches Verfahren,

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d. i. Ueberführung der Anschauungen in Begriffe", dann aber in ihrem reinen Sinne unmittelbar intuitive Selbsterfassung, eine nur dem Genie eigentümliche irrationale, dem künstlerischen Betrachten verwandte Erkenntnisweise. Er nimmt also seine geschichtliche Stellung unter den Romantikern der Philosophie, obgleich er z. B. für einen Schelling nur Spott und Verachtung hat. In seinem faustischen Drang nach Erfassung der lebendigen Natur, in seiner leidenschaftlichen Parteinahme für eine „anschauungsgesättigte Urteilskraft“ und seiner Geringschätzung logisch begrifflicher Erkenntnis gehört er den heilsamen Gegenströmungen gegen die Ausartungen der Begriffsphilosophie an" (Abschnitt V, IX u. X).

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In drei Abschnitten (V-VII) entwickelt Volkelt die Grundgedanken der Schopenhauer'schen Erkenntnistheorie. Zuerst seinen Phänomenalismus: Der unanfechtbare Grundgedanke aller kritischen Philosophie: „die Welt ist meine Vorstellung" geht ihm, ohne dass er für den Philosophen selbst seine einheitliche Bedeutung verlöre, unwillkürlich, wie bei Kant, in erkenntnistheoretischen Subjektivismus und dieser in ein pessimistisch-metaphysisches Werturteil über; das Subjektive wird mit dem Nur-Subjektiven verwechselt, die sichtbare Welt, als Werk der Maja", als Traum, im indischen Sinne zum wesenlosen Schein. Zweitens seinen Korrelativismus und Materialismus: Die an und für sich unverfängliche Lehre von der Korrelativität des Subjekts und Objekts führt einerseits zu einer materialistischen Abschwächung jenes Phänomenalismus, indem die Welt, die vorher nur Vorstellung sein sollte, jetzt unabhängig vom Bewusstsein erscheint, und andererseits zur Unerkennbarkeit des Subjekts, dem, wie übrigens letzthin auch der Materie (Uebergleitung zu naivem Realismus"), Erhabenheit über Raum und Zeit zukommen soll. Drittens die Lehre von den vier apriorischen Funktionen, in der Schopenhauer, wie überhaupt in seiner Erkenntnistheorie, kantisch ist, „nicht nur in gutem, sondern auch in einseitigem Sinne", wenn er auch an Stelle der 12 Kantschen Kategorien die einzige Kausalität gesetzt", „das Unwillkürliche und Unbewusste der Verstandesarbeit nachdrücklich hervorgehoben" und bezüglich der Raumanschauung einen berechtigten empiristischen Gesichtspunkt" eingeführt hat.

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In schroffem Gegensatz zu dieser seiner kantisch-subjektivistischen Erkenntnistheorie steht freilich seine Willensmetaphysik, aber sie ist als eine gute Inkonsequenz“ zu begrüssen. Der Verf. kennzeichnet ihr intuitives Zustandekommen, indem er sie dem Voluntarismus Wundt's der übrigens selbst Schopenhauer jede Berechtigung abspricht, sein Weltprincip Wille zu nennen (Anm. 262) und seiner vorsichtigen empirischen Methode gegenüberstellt. Den Nachkantianern und besonders Hegel gegenüber ist Schopenhauer der metaphysische Irrationalist," ein Gegensatz, auf den schon Hartmann schlagende Lichter geworfen hat. Volkelt findet in dieser irrationalistischen Weltauffassung eine relative Wahrheit. „Das Weltbild," sagt

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er, drängt von zahlreichen wesentlichen Zügen aus mit unwiderstehlicher Gewalt zu der Annahme, dass der Weltgrund nicht durch und durch vernünftig sei, sondern Protestantische Monatshefte. 5. Jahrg. Heft 2.

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eine irrationale Seite als wesenhaft und mitentscheidend in sich habe. Ich sehe geradezu einen der heiligen Urgedanken der Menschheit in der Ueberzeugung, dass der Kern der Welt eine abgrundartige Tiefe, ein Nichtseinsollendes, Verkehrtes, Furchtbares in sich schliesse." Zwar sieht er in der Annahme Schopenhauer's, „mit dem Willen sei auch unmittelbar seine intelligenzlose, blinde Natur gegeben," einen metaphysischen Grundirrtum; er fasst seinerseits den Weltgrund als vernünftig, aber zugleich als irrational gebrochen" auf. (S. 162. Vgl. 253, 256.) Dass die Willens-Intuition Schopenhauer's ein Plagiat, sei's Fichte-Schelling'scher, sei's Bouterwek'scher Gedanken sei, hält er für ausgeschlossen; ebenso aber, dass keinerlei Anregung von dieser Seite vorgelegen habe, wie seine Anhänger, z. B. Deussen, denen seine Philosophie zugleich friedenbringende, erlösende Religion geworden ist“ (Anm. 294), behaupten. Auch kommt für die Alleinheitslehre Schopenhauer's seinen einseitigen", weil im Grunde gegen die Erscheinungswelt gleichgültigen Pantheismus" neben der indischen Philosophie Spinoza als anregender Philosoph" in Frage. Ein starkes platonisches Element findet sich weiter in seiner Ideenlehre, seinen Objektivationen des Willens, diesem Stufenreich typischer Wesenheiten, diesem Mittelreich zwischen kantischer Erscheinungswelt und Spinozischer Einheitstiefe, in dem freilich der Wille ebenso seine Vernunftlosigkeit wie seine Einheit preisgeben und zum zweckvoll schaffenden genialen Künstler werden muss. Auch den Entwicklungsgedanken Darwin's hat er in seine Lehre von den Ideen aufgenommen, freilich nicht ohne deren unzeitlichen Charakter anzutasten, denn nicht in allmählichen Uebergängen, wie Darwin, sondern kraft der Idee, mit einem Male lässt er die neuen höheren Typen aus den niederen entspringen. Leib und Gehirn des Menschen sind ihm einerseits zwar blosse Vorstellungen, andererseits doch auch wieder der wirkliche Unterbau für den vorstellenden Intellekt (als Funktion des Gehirns) und soweit schon vor und unabhängig von allem Vorstellen vorhanden." Hier, in dieser seiner dualistisch-voluntaristischen Psychologie prallen die Gegensätze seiner Denkweise unversöhnlich zusammen. Aber in diesem Zusammenhang macht der Verf. die Bemerkung: „Man muss Widersprüche, die auf schwächlichem und ungründlichem Denken beruhen, von solchen unterscheiden, die von einem vielseitigen, für die verschiedenen Betrachtungsmöglichkeiten angesichts der verwickelten Weltbeschaffenheit offen zugänglichen Denken Zeugnis ablegen.“ Blanke Widerspruchslosigkeit ist oft billiger erworben als ein Ringen in Widersprüchen." Schopenhauer hat es jedenfalls als unangemessen" erwiesen, den Willen als ein Ergebnis blosser Empfindungen und Vorstellungen aufzufassen, wenn auch andererseits seine Psychologie in Anbetracht der blossen Einbeziehung des Gefühls in den Willensbereich als eine solche „in Bausch und Bogen" bezeichnet werden muss.

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Fünf Abschnitte (XVI-XX) handeln von Schopenhauer's Pessimismus, dessen wenigstens relatives Recht Volkelt mit besonders warmer Sympathie verteidigt. Er findet ihn gerade für unsere Zeit beherzigenswert, weil sie voll sei „von Erschei

nungen, die nur auf Grund einer gedankenlos optimistischen Psychologie und allzu vertrauensseligen Kulturauffassung möglich sind", und breitet sich zu wiederholten. Malen über Missstände unseres Zeitungs-, Theater- und Versammlungswesens und über den philisterhaften Fortschrittsjubel" unserer Tage aus. Uebrigens sieht er auch bezüglich dieser pessimistischen Gedankengänge in Kant einen Vorläufer Schopenhauer's, wie sie andererseits, namentlich wo sie die Nichtigkeit der endlichen Welt betonen, mit dem echten Christentum," Plato und Spinoza übereinstimmen, in ihrer hoffnungslosen Geschichtsauffassung eine geistige Wahlverwandschaft mit den russischen Romanschriftstellern, ferner mit dem Philosophen Lotze und besonders mit dem Dramatiker Grillparzer verraten, endlich in Richard Wagner's Nibelungendichtung insofern wiederkehren, als die Gestalt Wotans den schuldvollen Willen als Wesen der Welt zu erhabenem Ausdruck bringt. Volkelt übersieht keineswegs die manchmal brutalen Einseitigkeiten, Verzerrungen und Uebertreibungen dieses Pessimismus, im Gegenteil, er deckt sie bei jeder Gelegenheit auf, aber er findet, dass er als Gegenschlag gegen den zu wohlfeiler Weltverklärung und feiger Weltbeschönigung“ verleitenden Optimismus der deutschen Philosophie auch in dieser übertriebenen Schroffheit heilsam und notwendig gewesen sei.

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Auch die Lehre vom willensfreien Intellekt, diesem zweiten Ding an sich bei Schopenhauer, ist dem Verf., der ihre Ueberspannungen" und ihren Widerspruch zu den erkenntnistheoretischen und metaphysischen Grundlagen des Systems nicht verkennt, doch anziehend. Denn sie ist ihm ein „kraftvoller Beleg dafür, dass sich die Philosophie der Anerkennung des unserm Ich innewohnenden Zuges. nach einer überzeitlichen und überindividuellen Geistesbethätigung nicht entziehen darf" Ebenso findet er die Frage nach dem Wesen des Genies bei Schopenhauer in entscheidenden Stücken mit wahrhaft erleuchtendem Verständnis" behandelt, ohne die Untersuchungen Hermann Türck's gerade über den Schopenhauer'schen und Spinoza'schen genialen Menschen auch nur einer Anmerkung zu würdigen. Die Aesthetik Schopenhauer's nennt er im allgemeinen eine Schöpfung erhabenen Stils", wenn er auch in ihr als einer übertriebenen Gehaltsästhetik“ eine genügende Würdigung der Form vermisst. Ihre Hauptbedeutung sieht er darin, dass sie uns ein Ideal des ästhetischen Betrachtens vor Augen gestellt hat, an dem das Willenlose und das Erlösende als Grundzüge hervortreten". Besonders fein und tiefsinnig erscheinen mir die Worte, in denen der Verf. den Wahrheitsgehalt der Schopenhauer'schen Musiktheorie und im Zusammenhang damit den vielsagend mystischen" Charakter der Wagner'schen Tonkunst beschreibt, Worte, die seiner eigenen künstlerischen Sprachgewalt aufs neue ein glänzendes Zeugnis ausstellen. (S. 282 ff.)

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Was den Prädeterminismus Schopenhauer's so darf ich kurz seine Lehre von der Willensfreiheit oder vom intelligiblen und empirischen Charakter bezeichanbetrifft, so erblickt Volkelt sein und Kant's Verdienst darin, dass sie die Freiheit, zu deren Annahme sie durch das Verantwortlichkeitsgefühl getrieben

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