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Voraussetzungslosigkeit in der Theologie.

Von

Lic. Dr. Gottwalt Karo in Aeschach.

Dass die Wissenschaft voraussetzungslos sein müsse, diese Forderung hat für die Theologie unseres Wissens zuerst David Fr. Strauss') ausdrücklich geltend gemacht, thatsächlich schon Joh. Sal. Semler und vor allem G. E. Lessing. Die Frage nach Recht und Pflicht der Voraussetzungslosigkeit in der Wissenschaft überhaupt ist in unsern Tagen mit erneuertem Eifer besprochen worden. Ist es auch nur ein einzelner Fall, durch den die Verhandlung darüber angeregt ward, so hat die Sache doch eine so hohe und umfassende Bedeutung, dass wir es nur mit Freuden begrüssen können, wenn hier einmal gründlich Klarheit geschaffen wird. Möchten diese Zeilen dazu einen nicht ganz unwillkommenen Beitrag liefern. Wenn wir uns dabei wesentlich auf die Theologie beschränken, so berechtigt uns dazu schon die Erwägung, dass keine andere Wissenschaft so lebhaft an dieser Frage interessiert ist wie diese und mit ihr die Kirche.

Voraussetzungslosigkeit wird als die selbstverständliche, Voraussetzung für alle Wissenschaft gefordert, die diesen Namen verdienen soll, also auch für die Theologie. Das Recht dieser Forderung scheint zunächst unmittelbar einzuleuchten. Die Wissenschaft trägt ihr Gesetz in sich selber, soll es sich nicht von Voraussetzungen diktieren lassen, die anderswoher entnommen sind. Das gilt auch für die Theologie, will sie anders wirkliche Wissenschaft sein. Aber die Gläubigen, mögen sie sonst auch keine Verächter freier wissenschaftlicher Forschung sein, widersprechen dieser Forderung - wir werden ja sehen, mit welchem Recht. Jedenfalls handelt sich's um die Lebensfrage der Wissenschaft, auch der theologischen.

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Da ist denn zunächst ohne Rückhalt zuzugeben: keine Theologie arbeitet ohne Voraussetzungen; aber ebenso unerlässlich bleibt die Forderung stehen: keine Theologie darf mit Voraussetzungen an ihre Probleme herantreten. Wie ist diese Antinomie zu lösen? Oder ist sie vielleicht unlösbar, und muss die Theologie ihrer Natur nach in ewigem Schwanken bleiben, mit dem Verstand ein Heide, mit dem Gemüt ein Christ" (Jacobi)? „Soll der Knoten der Weltgeschichte so auseinandergehen, dass die Wissenschaft mit dem Unglauben, das Christentum mit der Barbarei gehe" (Schleiermacher)? Damit verlöre eben auch die Theologie ihre Berechtigung als Wissenschaft. Oder sollen etwa nach einem neueren Vorschlage die theologische Wissenschaft der Universitäten und die kirchliche Praxis geistlicher Seminare ge

1) Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. 4. Aufl. 1. Bd. S. V. (Vorrede zur 1. Auflage.) Protestantische Monatshefte. 6. Jahrg. Heft 4.

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trennte Wege wandeln, schiedlich friedlich? Das kann niemand wollen, der sich auf die Interessen beider wirklich versteht. Hier muss eine Lösung zu finden sein.

Die Theologie ist und will sein eine Wissenschaft. Für die Wissenschaft aber gilt es als beste Errungenschaft der modernen Zeit und als unumstössliches Axiom: sie muss voraussetzungslos sein. Sie kennt ja nur Eine Aufgabe: die Erkenntnis der Wahrheit, wobei freilich nicht zu übersehen ist, dass sie die in äussern und innern Thatsachen erscheinende Wahrheit selbst nicht erst zu schaffen, sondern nur zu erforschen hat. Darum kennt sie auch nur Ein Gesetz: die Wahrhaftigkeit, die auch durch die edelsten Motive sich nicht bestechen und beeinflussen lässt. Dies Gesetz liegt in ihrem Wesen selber. Die Naturwissenschaft, wenn sie über ihre specielle Aufgabe und deren Grenzen sich klar ist, verschmäht es, in fremdes Gebiet überzugreifen und sich von dort her Entscheidungsmotive zu leihen. Die echte Geschichtsforschung sucht unbeirrt durch irgend etwas ausser ihr nach den wirklichen Thatsachen und lässt sich ihr Urteil, das sie abzugeben nicht umbin kann, eben doch wieder durch die erkannten Thatsachen regulieren. Die wahre Philosophie folgt mit unbedingtem Gehorsam den Gesetzen des Denkens, den unerbittlichen Normen der Logik. Nicht anders hat sich auch die Theologie zu verhalten. Die Gesetze der Natur, die Regeln der historischen Forschung und Kritik, die Grundsätze der Logik respektiert sie ebenso treulich, wie die Profanwissenschaften. Thut sie das nicht, so hört sie auf, Wissenschaft zu sein und begibt sich ihres Existenzrechtes in der universitas literarum. Sie muss stracks vor sich hingehen mit ihrem Denken, wohin sie auch gerate".) Sie darf sich vor allem nicht vor den Konsequenzen ihres Denkens und Forschens fürchten. Wer glaubt, der flieht nicht." (Jes. 28. 16.) Sie ist, wie alle Wissenschaft, allerdings nicht sicher vor Irr wegen, aber wie alle Wissenschaft trägt sie ihre Korrektur in sich selbst und ihrem eigenen Fortschritt, und „jede spätere Wissenschaft ist eine natürliche Respektsperson für die frühere" (Rich. Rothe).

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Aber, wird man nun sagen, diese ganze Forderung voraussetzungsloser Wissenschaft und vor allem einer voraussetzungslosen Theologie ist eine leere Abstraktion, ihre Behauptung eine blosse Illusion. Wo bleiben denn alle die Voraussetzungen", die unvermeidlich in der Natur des forschenden und denkenden Individuums begründet sind? wo bleibt der religiöse Glaube, der doch und mit Recht als das Motiv anzusehen ist, das eben zur Erforschung des religiösen Gebietes, also des Arbeitsfeldes der theologischen Wissenschaft führt? Niemand tritt ja an die Wissenschaft heran, dessen Geist ein völlig unbeschriebenes Blatt wäre. Der Naturforscher bringt mit den Glauben an die Gesetzmässigkeit der Natur, die er in seinen Forschungen bestätigt finden wird; der Geschichtsforscher hat sein Volkstum, das ihm ganz

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1) R. Rothe, Theol. Ethik. 2. Aufl. I, S. XVII (Vorrede zur 1. Auflage).

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unwillkürlich den Massstab zur Beurteilung für die Geschichte seines eigenen wie fremder Völker an die Hand gibt; der Philosoph wird getragen von seinem Vertrauen auf die unverbrüchlichen Gesetze der Logik und den in seiner eigenen Denkfähigkeit begründeten Fortschritt im Denkprozess. Wie viel mehr tritt der Theolog mit Voraussetzungen" an seine Wissenschaft! wie fest gebunden an die Voraussetzungen der Frömmigkeit und darum auch gebunden durch sie! Ein Theolog, ein christlicher Theolog ohne Frömmig keit, ohne lebendigen Glauben an Gott, ohne innige Liebe zu Christus, ohne Ehrfurcht vor der heiligen Schrift, ohne Anhänglichkeit an seine Kirche, ohne einen hohen Begriff von des Menschen Würde einerseits wie ohne tiefe Erkenntnis der Sünde andrerseits was für ein Theolog wäre das? Hier gilt doch das Wort: pectus est, quod theologum facit. So bringt er also zur wissenschaftlichen Arbeit mit sein ganzes religiös-sittliches Bewusstsein, den ganzen moralischen Bestand des Christen, und noch dazu in der besondern, sei es katholischen oder protestantischen, Form muss das nicht Voraussetzungslosigkeit von vorn herein ausschliessen? Und doch muss es bei der Forderung derselben an die Theologie bleiben, will sie als Wissenschaft gelten.

Aber wie, wenn nun diese Voraussetzungen gar keine blossen „Voraussetzungen" wären? Solche duldet allerdings die Wissenschaft nicht. Die Wissenschaft, natürlich auch die Theologie, soll über ihre Gegenstände ein völlig freies, durch nichts ausser ihr beschränktes Urteil abgeben. Aber sie darf erst urteilen, wenn sie sich völlig ihres Gegenstandes bemächtigt hat, nicht vorher schon, m. a. W. sie darf nicht mit Vorurteilen an ihn herantreten. Und das ist es eigentlich, was die Forderung meint, die Wissenschaft solle voraussetzungslos" sein. Etwas ganz anderes jedoch ist jener durch Geburt und Naturanlage, Nationalität und Erziehung bedingte geistige Besitz, auf dessen Grunde alles wissenschaftliche Denken und Forschen des wissenschaftlichen Individuums ruht, ja vielmehr ohne den es überhaupt zu keiner Wissenschaft kommen kann. Denn wie könnte es diese geben ohne die angeborene Liebe zur Wahrheit, die den Forscher beseelte? Wo fände sich ein Naturforscher, in dem nicht der Sinn für die Vorgänge in der Natur angelegt wäre? wo der Geschichtsforscher, dem das Vaterland nicht am Herzen läge und seine Geschichte, in das er hineingeboren ist? Das gleiche gilt denn auch, und ganz besonders, für die Theologie. Ohne jene schon bezeichneten. Voraussetzungen der Frömmigkeit, des Glaubens kein rechter Theolog, und wer sich nicht hie durch zur Beschäftigung mit dieser Wissenschaft getrieben fühlt, der soll lieber die Hand davon lassen. Sind denn aber diese „Voraussetzungen" als solche angethan, die vorurteilsfreie oder, wie man zu sagen. pflegt, voraussetzungslose" Forschung zu hindern? Wird nicht ein so gesinnter Theolog erst recht mit Liebe in seinen Gegenstand sich versenken, mit der Liebe, die den Gegenstand immer klarer und sicherer zu erkennen sucht, aber auch keine Furcht vor dessen ehrlicher kritischer Bearbeitung hegt, weil er dessen gewiss ist, dass derselbe seinem wirklichen Gehalt und

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Wesen nach jede noch so peinliche Durchforschung erträgt, ja nur um so herrlicher aus dem Läuterungsfeuer hervorgehen muss? Sollte es nicht auch hier heissen: „Furcht ist nicht in der Liebe" (1. Joh. 4, 18)? Denn eben dies ist ja, wie Rich. Rothe so treffend sagt, das Wesen der Werke aus Gottes Hand, dass sie die Betrachtung durch das schärfste Mikroskop vertragen, während die Werke von Menschenhand unter demselben grob und uneben erscheinen.

Indes gerade hier treten bedenkliche Forderungen auf. Die Kirche. in der wir geboren sind, das Dogma, unter dessen Herrschaft wir aufwuchsen, machen sich eben auch als solche unerlässliche Voraussetzungen" geltend. Sie fordern nicht etwa bloss den höchsten Respekt als grossartige geschichtliche Gebilde, wie er allerdings dem Forscher ziemt, sondern demütige Unterwerfung bis zum sacrificium intellectus, zur völligen Aufopferung der denkenden Vernunft. Insofern haben jene Katholiken Unrecht oder sind doch in einem gutmütigen Wahn befangen, die von einer freien katholischen Wissenschaft träumen, und es ist Unwahrheit, bewusste oder unbewusste, der katholischen Kirche die Duldung einer voraussetzungslosen Wissenschaft zuzutrauen, die es wagen würde, von ihrem Dogma abzuweichen, wie denn auch alles Reden von Toleranz in ihrem Munde nur eine leere Phrase ist und sein muss; darf und kann sie doch nicht anders, als jegliche Abweichung von ihrer Lehre ausschliessen und verdammen. Und in milderen Formen ist es auch mit dem Dogma in der protestantischen Kirche nicht anders, wenn darunter die von der Kirche und ihren officiellen Vertretern statutenmässig festgesetzte Lehre verstanden wird.') Eine Theologie, überhaupt eine Wissenschaft, die sich auf solchen Voraussetzungen aufbauen und daran binden will oder muss, hört freilich eben damit auf, Wissenschaft zu sein. Die katholische Kirche vor allem, der wegen seiner Wissenschaft so gepriesene Jesuitenorden können wohl Schätze von Gelehrsamkeit anhäufen und es zu grosser Routine des Wissens und der Dialektik bringen - echte Wissenschaft" zu erzeugen ist ihnen nicht möglich. Wenn einzelne katholische Gelehrte, auch einzelne Jesuiten, auf irgend einem Gebiete der Forschung Grosses geleistet haben, so ist doch der Konflikt mit der Kirche nicht ausgeblieben, sobald sie sich auf das Gebiet wagten, das die Kirche ihrem Princip nach für sich in Anspruch nehmen musste.

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Aber gerade angesichts dieser unberechtigten und für die Wissenschaftlichkeit der Theologie tötlichen Forderungen wird es klar, was eigentlich ,,Voraussetzungslosigkeit" in ihr bedeutet. Es gibt ja auch, wie wir sahen, berechtigte Vorbedingungen, ohne die es überhaupt nie zu einer Theologie kommen könnte, und die gerade mächtige und heilsame Förderungsmittel für ihre Entwicklung bieten. Doch auch diesen gegenüber muss sie sich völlige

1) Vgl. meinen Aufsatz: „Undogmatisches Christentum" in diesen Blättern 1901, Heft 6, S. 223.

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Unbefangenheit wahren. Sie haben sich der freiesten Kritik zu unterziehen, um eben durch sie erst ihrem wahren Wesen und Gehalt nach zum Verständnis zu kommen. Damit ist denn der Gefahr vorgebeugt, dass sie den klaren Blick für die Thatsachen, für die Wirklichkeit der Dinge trüben und das Urteil irreleiten könnten. Um so freier wird sich dann auch die wissenschaftliche Theologie allen äusseren kirchlichen oder sonstigen Autoritäten gegenüber stellen und sich frei machen von allen von aussen her überkommenen, willkürlich festgelegten Vorbegriffen, die aus Gebieten stammen, die der Wissenschaft fremd sind, unabhängig von allem, was nicht wissenschaftlicher Begriff und Grundsatz, sondern Sache des Glaubens" im Sinne etwa kirchlich. gebotenen Fürwahrhaltens ist. Das Gleiche gilt ja auch für die anderen Wissenschaften. Der Naturforscher darf als solcher nicht principieller Materialist oder Atheist sein, wenn er das Gesetz für die Naturerscheinungen finden oder ableiten will. Der Historiker darf, ja soll sein eigenes Volk und seine Kirche lieben, aber diese Liebe darf ihn nicht verleiten, gegen deren Schwächen und Sünden sich zu verblenden und über andere Völker oder Kirchen ungerecht zu urteilen oder gar die Thatsachen der Geschichte darnach zurechtzulegen. Der Philosoph darf ebenso wenig mit materialistischen wie mit einseitig idealistischen Anschauungen und Voreingenommenheiten an seine Probleme herantreten, weil beides die Klarheit seines Blickes trüben muss. Also nicht ohne Voraussetzungen, aber ohne Vorurteile hat die Wissenschaft, auch die theologische, ihre Aufgaben zu lösen. Insonderheit die Theologie darf sich nicht durch kirchliche und dogmatische Satzungen binden lassen, mit einem derartigen System im Kopfe an die Arbeit gehen. Gott steht ihr fest den Gottes begriff soll sie erst suchen; Christus ist ihr religiös-sittliches Ideal, thatsächlicher Erlöser der Menschheit sein Wesen soll sie wissenschaftlich frei erforschen; das Christentum gilt ihr als die Religion in ihrer Vollendung warum es diese ist, soll sie durch unbefangene') Vergleichung mit den anderen Religionen, und auf spekulativem Wege erweisen; die Bibel ist ihr von höchstem Wert wie sie diesen Wert wissenschaftlich auszudrücken habe, dazu führt sie erst eine unbedingt freie kritische Untersuchung, die natürlich ohne kongeniales Verständnis nicht ausführbar ist; sie darf ebenso wenig von vorn herein das „Wunder" leugnen, als sie die unbefangene Prüfung der Wunderberichte nach historischen (nicht dogmatischen) Gesichtspunkten scheuen darf, auch wenn das Resultat der Prüfung zu einer Modifikation des Wunderbegriffes und zur Ablehnung einzelner Wundergeschichten führen sollte. Bildet sie aber ein theologisches System aus, so hat sie sich stets dessen bewusst zu bleiben, dass sie damit nur ganz relativ der Wirklichkeit äusserer und innerer religiös-sittlicher Erlebnisse nahe kommt.

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1) Ohne diese Unbefaugenheit würde immer der Stachel der Ungewissheit bleiben, ob nicht doch zuletzt eine andere Religion sich als die höhere und reinere herausstellen werde.

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