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D. Th. Häring, Professor in Tübingen, Das christliche Leben auf Grund des christlichen Glaubens (Christliche Sittenlehre). Herausgeg. vom Calwer Verlagsverein, Calw und Stuttgart 1902, 455 S. Preis M. 4.

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Jede theologische Ethik", „,christliche", auch evangelische Sittenlehre" trägt notwendig gewisse Antinomien in sich. Sie setzt bestehende, und zwar traditionell gegebene, christliche Sitte" voraus und kann und will darum ihren Stoff nicht aus „reiner Vernunft" schaffen. Aber als „Lehre" oder Wissenschaft sucht sie oberste Principien, woraus sich die Einzelsitte nicht bloss mit religiöser sondern wissenschaftlicher Evidenz ableiten lässt. Hiebei gerät gerade die heutige evangelische Ethik in die Gefahr, in diese Ableitung nicht den wissenschaftlichen, sondern den protestantisch-sittlichen Charakter der Ethik zu setzen, und sie somit auch dem evangelischen Laien zuzumuten. Damit hängt zusammen: Die theologische Ethik muss, um nicht mit aller Tradition in Widerspruch zu kommen, ihren Principien auf irgend einer Stufe der Behandlung Gesetzes form geben; dann muss aber diese Form auch bis herab zum Handeln des Einzelnen durchgeführt und nicht schliesslich dieser zum Gesetzgeber seiner selbst gemacht werden; denn „Gesetz" hat auf allen. Gebieten, wo dieser Ausdruck gebraucht wird, nur einen Wert, wenn es mir eine Wahl erspart, nicht mich vor eine Wahl stellt. In der That wird auch von Kant in seiner Formulierung des kategorischen Imperativs, wie von der sich an ihn anschliessenden theologischen Ethik die Einzelpflicht dem Individuum nicht sowohl in sein Gewissen, sondern in seinen Intellekt geschoben; denn „, welche Maximen sich zum Princip einer allgemeinen Gesetzgebung eignen", oder durch welchen Thatinhalt das Reich Gottes" am ehesten gefördert werde, kann ich nur aus intellektuellen Erwägungen heraus entscheiden; und deren Inhalt lässt sich nicht sittlich zumuten, wenigstens nicht nach der landläufigen Ethik, welche das intellektuelle Leben nicht systematisch in ihren Bereich zieht. Wird dann aber das „Du sollst" rein formal Thu's auch" gesetzt, so lässt sich daraus, christlicher Erfahrung wie kirchlicher Tradition gemäss, das „Du kannst" nicht ohne weiteres ableiten, und das in diesem Widerspruch, ja schon im „Sollen“ und „Können“ überhaupt beschlossene Welträtsel lässt sich mit den Mitteln der theologischen Glaubens- und Sittenlehre allein, oder auch wenn man ein paar philosophische Lehnsätze zu Hülfe nimmt, nicht lösen. Endlich die christliche Sitte steht von jeher in allerdings stark wechselnden Beziehungen zu Kultur, Familie, Staat; aus Schrift, Tradition, protestantischem Princip" können wohl gewisse Normen für diese Beziehungen, nicht aber das Dasein und die eigentümlichen Werte dieser anderweitigen Lebensgebiete abgeleitet werden. So behalten jene Normen einen Kompromisscharakter, was noch schärfer hervortritt bei dem, notwendig fliessenden, Uebergang der theologischen Ethik in praktische Theologie und von da in Einzelseelsorge: Casuistik" ist hier unausbleiblich, was ja auch die protestantische Ethik anfänglich war; und nur die faktische Beschränktheit seelsorgerlichen Einflusses in der Gegenwart, sowie die Zerfahrenheit unserer kirchlichen Protestantische Mouatshefte. 6. Jahrg. Heft 6.

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Zustände lässt eine eingehende Bearbeitung dieses Gebiets als überflüssig und hoffnungslos erscheinen.

Ich halte es für einen Vorzug der Häring'schen Ethik, dass sie sich dieses casuistischen Eingehns nicht enthält; mag demgegenüber auch die Herrmann'sche Ethik von strafferer Systematik sein, so kann doch auch diese die oben geschilderte Zwiespältigkeit nicht verhüllen und lässt sich auf Detaillierung von Einzelpflichten ein, hält auch, trotz der dem einzelnen evangelischen Christen zuerkannten sittlichen Autonomie, z. B. über das harmlose Privatgewissen stillvergnügter Privatiers drakonisches Gericht. Häring hat ja auch wohl sein Buch weniger für akademische Theologen bestimmt, als für Geistliche und Lehrer, für Gymnasien, Seminare, Missionsschulen u. dg., namentlich auch für denkende Laien. Ob diese überall die an sich hochnützlichen Anspielungen im Text auf geschichtliche und Zeitmeinungen, die halben Citate u. dgl. verstehen und ergänzen werden? Hier wären kurze hinweisende Anmerkungen dankenswert gewesen. Die Darstellung ist, verglichen mit Herrmann, etwas zahm. Aber dieser Mangel an Temperament ist keineswegs Mangel an Charakter; mit zarten, aber sauberen und festen Strichen zeichnet Häring seine Entwürfe und Entscheidungen; Ernst, Weisheit und Milde kennzeichnen das grundgediegene Werk von Anfang bis zu Ende. Darum können auch Theologen aller Richtungen Genuss und Förderung davon haben, obwohl des Verf.'s theologische Stellung bekanntlich eine ganz eigentümliche ist: er steht einerseits Ritschl nahe, andrerseits dem, namentlich schwäbischen, Pietismus. Ueber die Gemeinschaften" sagt er das treffende Wort: „Den Wert dieser Kreise wird die evangelische Kirche überhaupt noch rückhaltloser anzuerkennen haben. Nicht indem sie dieselben verzieht, und in Wahrheit knechtet, meist weil sie zu irgend einer kirchenpolitischen Aktion taugliche Werkzeuge scheinen, auch nicht indem sie von oben ohne Wurzeln im Volksund Stammesleben künstlich hervorgerufen werden, sondern indem man sie in ihrer Freiheit schützt" (S. 440 f.). Dabei macht er aber von freierer Stellung zur Schrift

nicht nur faktisch Gebrauch

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das muss gerade auf ethischem Gebiet ja auch der „Positivste", sondern er rechtfertigt diese Freiheit auch principiell (S. 379). Das Buch zerfällt in einen apologetischen Teil: „Die christl. Sittenlehre und ihre Gegner", welch letztere der gründlichen, umsichtigen und vornehmen Polemik gegenüber sich gewiss nicht über Ungerechtigkeit beklagen können; und in einen systematischen: „Die christliche Sittenlehre in ihrem Zusammenhang". Einzelnes hieraus anzuführen, hätte wenig Zweck; wenn auch, wie schon angedeutet, m. E. der Hauptwert des Werks in der Behandlung der Detailfragen liegt (über die sociale Frage kommt ein besonderer Exkurs), so empfängt sie doch erst aus dem Ganzen ihre besondere Beleuchtung. Zu wiederholtem Durchlesen lädt der reiche Inhalt, zu gelegentlichem Nachschlagen ein ausführliches Register ein.

Gruibingen.

A. Hoffmann.

Max Hennig, Gymnasialoberlehrer in Zwickau, Das Ziel und die Aufgaben des evangelischen Religions unterrichts auf dem Gymnasium. Leipzig 1901, Georg Wigand. 50 Pf.

Die Bewegung für eine zeitgemässe Reform des Religionsunterrichts der höheren Schulen hat eine Reihe gediegener Arbeiten gezeitigt, deren Verfasser, auf der Höhe wissenschaftlicher Bildung stehend, mit weitem Blick und pädagogischer Erfahrung dem Religionsunterrichte neue Ziele gesteckt und neue Bahnen gewiesen haben. Hierzu gehört auch dieser auf der Sächsischen Kirchlichen Konferenz zu Chemnitz 1901 gehaltene Vortrag, der sehr lesenswert und lehrreich ist. Seine Hauptgedanken sind etwa folgende: Endzweck des Religionsunterrichtes ist Erweckung eines lebendigen Interesses für das Christentum. Dieses Ziel sucht der Religionsunterricht zu erreichen, indem er die Form der geschichtlichen Betrachtung annimmt, die aus der Fülle des Stoffes das auswählt, was zum geschichtlichen Verständnis einerseits des christlich-religiösen und christlich-sittlichen Geistes, andererseits der christlich-kirchlichen Gegenwart geeignet ist. Entscheidend ist der Gemütswert für die Charakterbildung. Bei dieser Konzentration auf das Wesentliche fällt in Kirchengeschichte und Bibelkunde vielerlei weg, was bisher getrieben wurde. Auch die israelitische Religion gehört in den Kreis der Betrachtung. Hinsichtlich der Stoffverteilung ist an Stelle des Princips der sogenannten konzentrischen Kreise der Grundsatz des historisch-genetischen Fortschritts zu befolgen (Lehrplan S. 26). Die gesicherten Ergebnisse der theologischen Forschung sind ohne viel Kritik einfach positiv zu verwenden. Die religiös-sittliche Entwickelung muss möglichst an führenden typischen Persönlichkeiten veranschaulicht werden, wobei die Gestalt Jesu den Unterricht beherrscht. Weiter wird gefordert: Quellenlektüre soviel als möglich! Schliesslich sind die gewonnenen Resultate des Unterrichts zusammenzufassen in Bibelsprüchen, Gesangbuchsliedern und im Katechismus, der sich aber dem Unterricht nur als dienendes Glied einzuordnen hat. In Oberprima müssen die Fragen der Zeit besprochen werden, um den Schüler zu befähigen, sich eine richtige Weltanschauung zu bilden. Er muss die Einsicht gewinnen, dass Christentum und Kultur keine Gegensätze sind; man kann ein moderner Mensch sein und doch zugleich ein evangelischer Christ.

Jena.

A. Auffarth.

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Theologische Abhandlungen. Eine Festgabe zum 17. Mai 1902 für Heinrich Julius Holtzmann, dargebracht von W. Nowack, P. Lobstein, F. Spitta, E. Lucius, J. Smend, J. Ficker, E. Mayer, G. Beer, G. Anrich. Tübingen und Leipzig 1902, Mohr'scher Verlag (Paul Siebeck); 297 Seiten. Heinrich Julius Holtzmann begrüssen an seinem 70. Geburtstage in dankbarer Verehrung die Kollegen der Theologischen Fakultät“ - so lautet die schlichte Widmung, die den zu einem stattlichen Bande vereinigten neun wertvollen Abhandlungen vorgedruckt ist. Die protestantische Theologie darf sich des schönen Geschenkes freuen, das die Strassburger Fakultät ihrem ehrwürdigen Senior darbringt, der auch vor dem ältesten der Kollegen fast zwei Lebensjahrzehnte voraus hat. Wir müssen es unsern Mitarbeitern überlassen, auf die einzelnen Abhandlungen bei gebotener Gelegenheit einzugehen, und begnügen uns heut mit der Inhaltsangabe: 1. Georg Beer, Der biblische Hades. 2. Wilhelm Nowack, Die Zukunftshoffnungen Israels in der assyrischen Zeit. 3. Friedrich Spitta, Das Magnifikat, ein Psalm der Maria und nicht der Elisabeth. 4. G. Anrich, Clemens und Origenes als Begründer der Lehre vom Fegfeuer. 5. Ernst Lucius, Das mönchische Leben des 4. und 5. Jahrhunderts in der Beleuchtung seiner Vertreter und Gönner. 6. Paul Lobstein, Zum

evangelischen Lebensideal in seiner lutherischen und reformierten Ausprägung. 7. E. W. Mayer, Ueber die Aufgaben der Dogmatik. 8. Julius Smend, Zur Frage der Kultusrede. 9. Johannes Ficker, Das Konstanzer Bekenntnis für den Reichstag zu Augsburg 1530.

Der dankbare Leser scheidet von diesem Sammelbande mit dem erhebenden Eindruck, dass aus den so verschiedenartigen Arbeiten doch ein und derselbe Geist einer gewissenhaften protestantischen Theologie redet, die ein kirchliches Autoritätsprincip im Gebiet der Wahrheitserkenntnis grundsätzlich ablehnt und nur Beweise, die die innere Zustimmung abnötigen, nur Gründe von gemeinwissenschaftlichem Werte anerkennt. Wir sind dessen gewiss, dass die Strassburger theologische Fakultät das gute protestantische Recht gewissenhafter kritischer Forschung sich allezeit wahren. und dadurch bewahrt bleiben wird vor jener falschen Apologetik, die mit der Trübung des wissenschaftlichen Wahrheitssinnes der Kirche des Evangeliums den allerschlechtesten Dienst erweist. J. W.

Die Salzburger.

Volksschauspiel von Albrecht Thoma. Karlsruhe 1901,

J. J. Reiff's Verlag; 96 S.

Im vierten Jahrgange unserer Monatshefte S. 290 ff. hat D. Aug. Werner das gründliche, feine und dabei volkstümliche Buch Karl Franklin Arnold's „Die Vertreibung der Salzburger Protestanten und ihre Aufnahme bei den Glaubensgenossen" warm empfohlen. Diesem farbenreichen kulturgeschichtlichen Zeitbilde aus dem 18. Jahrhundert tritt das Volksschauspiel des schaffensfreudigen Karlsruher Dichters D. Albrecht Thoma würdig an die Seite. In 7 Bildern: Die unsichtbare Kirche (Pfingstgottesdienst des evangelischen Volkes auf der Alm), Die Bussprediger (JesuitenMission), Der Ueberfall, Der Salzbund, Die geharnischten und gestiefelten Apostel (Dragonaden), Bei Nattern und bei Schlangen (im Kerker zu Salzburg) und der Auszug aus Aegyptenland (und Einzug in Berlin) geht die Leidensgeschichte der Salzburger Protestanten bis zu ihrer Erlösung anschaulich und tiefergreifend an uns vorüber unter den Klängen ihrer und unserer Glaubenslieder von Joseph Schaitberger's Exulantenklage aus der ersten Salzburger Protestanten-Verfolgung bis zu Luther's Triumphgesang „Ein feste Burg ist unser Gott". Die im Dulden und Bekennen heldenmütigen schlichten Salzburger hat der Dichter ebenso wie ihre Bedränger in Gestalten voll Leben meisterhaft verkörpert. Dagegen hat seine Kunst den König Friedrich Wilhelm I. und auch die Vertreter der Berliner Bürgerschaft und Kirche meines Erachtens etwas kärglich ausgestattet. Die Dichtung als Ganzes aber verdient die dankbarste Anerkennung. Ihre Aufführung würde wahrscheinlich weit tiefer und fruchtbarer wirken, als etwa das vielbeliebte Herrig'sche Lutherspiel.

Wir benutzen die Gelegenheit, um allen, die das schöne badische Land lieben und seinen ehrwürdigen Fürsten treu verehren, Albrecht Thoma's neuestes Festspiel zum Grossherzog-Jubiläum" (Karlsruhe 1902 bei Reiff, 34 S.) zu empfehlen. Besonders im zweiten Aufzuge, wo die badischen Städte im Festschmuck erscheinen, um ihrem gütigen Herrn glückwünschend zu huldigen (Karlsruhe, Konstanz mit Mainau an der Hand, die Wiese mit Schopfheim und Lörrach, Freiburg im Breisgau, Lahr, Offenburg, Baden, Rastatt, Pforzheim, Durlach, Bruchsal, Mannheim, Heidelberg, die Tauber mit Wertheim und Tauberbischofsheim) singt und klingt wahrhafte Poesie, wie sie in Festspielen solcher Art sonst selten ist. Das im ganzen Lande wohlbekannte protestantische Bekenntnis des Dichters brauchte hier natürlich nicht hervorzutreten.

J. W.

Für die Redaction verantwortlich: D. Websky in Berlin W. Pariserstrasse 53.
Druck und Verlag von Georg Reimer in Berlin W. Lützowstrasse 107-8.

Georg Reimer
Verlag

Hervorragende Neuheiten 1902:

Berlin W. 35,

Lützowstr. 107-8.

Deutschland und die grosse Politik anno 1901. Von Prof.

Dr. Th. SCHIEMANN. Geheftet M. 6.- gebd. M. 7.-.

Altersklassen und Männerbünde. Eine Darstellung der

Grundformen der Gesellschaft von HEINRICH SCHURTZ.
Geheftet M. 8.—.

Aus Eduard Lasker's Nachlass. Herausgeg. von Geh. Legat.

Rat Dr. W. CAHN. Teil I: Fünfzehn Jahre parlamentarischer
Geschichte (1866-1880). Geheftet M. 2.40.

Die Völker im kolonialen Wettstreit von POULTNEY

BIGELOW. »The children of the nations «. Deutsche Bearbeitung von Professor Dr. PH. WOKER. Geheftet M. 5.gebd. M. 5.80.

Die Heilung des Orest in Goethes Iphigenie. Von Dr.

HANS LAEHR. Geheftet M. 2.-.

Blätter aus meinem Skizzenbuche Gesammelte kleine Er

zählungen von Dr. E. BUDDE. Zweite vermehrte Auflage. Geheftet Mk. 1.80, gebunden Mk. 2.50.

In zehnter verbesserter Auflage erschien soeben:

Natürliche Schöpfungsgeschichte. Gemeinverständliche,

wissenschaftliche Vorträge über die Entwickelungslehre von ERNST HAECKEL. Mit dem Porträt des Verfassers und mit 30 Tafeln, sowie zahlreiche Holzschnitten, Stammbäumen und systematischen Tabellen. 2 Bände broschirt M. 12.—, ge

bunden in 2 Halbfranzbände M. 16.—.

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