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In Wahrheit wird es jedem Weibe unendlich schwer, die Keuschheit zu verlieren. Diese und die Mutterliebe sind ja gerade die ausgeprägtesten weiblichen Gefühle; denn sie bilden die natürlichsten. Es bleibt nicht zu vergessen, dass die Keuschheit bezw. die Jungfräulichkeit ebensowohl physiologisch wie psychologisch mit dem Weibe und mit ihm ganz allein verbunden ist. Einen »jungfräulichen« Mann können wir uns selbst ideell gar nicht vorstellen, abgesehen davon, dass er auch in Rücksicht auf den anatomischen Bau unmöglich erscheint. Ist es ferner nicht eigenthümlich, dass die Zerstörung des Hymens, wie das bei der Defloration geschieht, das einzige Beispiel einer nur durch mechanische Gewalt hervorgebrachten physiologischen Vernichtung eines Organes darstellt, und dass der Hymen wirklich gar keinen anderen Zweck hat, als das Palladium virginitatis darzustellen? Angesichts dieser Thatsache darf wohl die Behauptung aufgestellt werden, das Weib sei von Natur aus zur Pflegerin und Vorkämpferin der Keuschheit bestimmt.

Was der Mann für Sinnlichkeit an irgend einer ihm auffälligen Frau erachtet, ist nichts anderes als Coquetterie und zwar meist eine recht unschuldige; denn jede Coquetterie verlangt vor allem die grösste Unbefangenheit in Rücksicht auf sexuelle Beziehungen. Gerade die Uebersittsamen, die etwa bei der leisesten Anspielung auf den Unterschied der Geschlechter erröthen und welche wie jene sagenhafte Engländerin die Tischbeine verhüllen, um jede Unanständigkeit aus ihrer Nähe zu verbannen, eben diese Heuchlerinnen sind gegebenen Falles zu den grössten Ausschweifungen geneigt. Dass es Frauen giebt,

welche in jeder Prostituirten eine todeswürdige Verbrecherin sehen, indess sie selbst sich vor innerlichem Feuer verzehren, darf nicht geleugnet werden. Aber wir wissen nicht, wieviel dabei auf Rechnung der Erziehung und des dauernden gesellschaftlichen Umganges zur Erklärung solcher Anomilitäten gesetzt werden muss. Dass es Jüngerinnen der Sappho so gut wie Nachfolgerinnen der Messalina auch unter den Nicht-Prostituirten giebt, wollen wir gerne zugeben aber wir müssen bei ihnen je und je eine tiefgehende Störung des Nervensystems annehmen. Dass eine solche seelische Störung endlich bei den Prostituirten vorhanden ist, ward längst auf das Schlagendste erwiesen. Wir wissen aber auch, dass die Prostituirten ausnahmslos einen oft nicht unansehnlichen Rest von Scham besitzen, und dass sie mehr oder minder unter der allgemeinen Verachtung, die ihnen zu Theil wird, insgeheim bitter leiden. Endlich sind uns allen schon im Leben Frauen begegnet, die nach einer stürmisch verlebten Jugend würdige Matronen, wenn nicht geradezu Heilige im Sinne der Kirche wurden. Das bekannte drastische Sprichwort des Volkes spielt in der Weise auf diese Sinnesänderungen an, dass wir versucht sind, sie alle für Dictate der Heuchelei zu erachten. Das ist jedoch keineswegs immer der Fall.

Dem Manne ist keine Mauer zu hoch, kein Graben zu tief, kein Wasserlauf zu breit, kein Preis zu ungeheuerlich, um seiner Sinnlichkeit Genüge zu leisten. Er wird gegebenen Falles ein Vermögen verschwenden, seine Lebensstellung vernichten, seine Ehre und seinen guten Namen aufopfern, Verbrechen begehen oder Heldenthaten

verrichten, um seiner geschlechtlichen Lust eine immerhin gewöhnlich recht kärgliche Befriedigung zu verschaffen.

Auch das Weib begeht Verbrechen aus Liebe, aber eben nur und immer nur aus Liebe, die sexuelle Lust, welche diese bringt, steht dabei für die Schuldige stets in letzter Linie und vor ihr kommen die Eifersucht, der Neid, das Streben nach dem Alleinbesitz des Geliebten. Aus Liebe wird auch das Weib zur Verschwenderin, aber niemals aus Sinnlichkeit.

Wäre das Weib nicht von Natur aus kalt und unempfänglich gegen die grobe Sinnenlust geschaffen worden, die Menschheit hätte niemals auch nur die ersten Stufen auf der Bahn der Gesittung zurücklegen können. Von vorne herein hätte der wildeste Taumel alle Thatkraft, alle edlen Regungen erstickt und die Ausschweifungen würden die >>Krone der Schöpfung<< schon vor Jahrhunderttausenden entblättert haben.

Der Mann ist jedoch stets bemüht gewesen, die Schuld, den » Sündenfall« von sich abzuwälzen. Dies beweisen die literarischen und theilweise auch die künstlerischen Schöpfungen aller Völker, die entweder mit der höchsten poetischen Kraft oder mit der gröbsten und zugleich langweiligsten Unsittlichkeit das Thema vom Apfelbiss behandeln. Das zeigt nur, wie wenig von jeher das männliche Geschlecht sich Mühe gegeben hat, das weibliche zu verstehen, ja überhaupt nur oberflächlich kennen zu lernen. Wie oft sind wir nicht z. B. mit dem Gemeinplatz bei der Hand: Sie hat ihn verführt! Und wenn wir dann den betreffenden Fall genau studiren, so wird sich immer und immer wieder ergeben, dass die

Verführerin nichts anderes war, als der zwar auf natürlichen Grundlagen beruhende, dann jedoch durch innere oder äussere Dispositionen auf das schärfste zugespitzte Trieb des Mannes, das fragliche Weib zu besitzen.

Die Heuchelei, welche nun einmal unzertrennlich ist von den menschlichen Anschauungen und Handlungen hat jene Begriffsverwirrung verschuldet, welche Keuschheit und gesunde Sinnlichkeit als Gegensätze auffasst. Beide gehören aber zusammen wie Mann und Weib kraft des Naturgesetzes zusammen gehören. Es giebt nur eine Art von Liebe, die nämlich zwischen Mann und Weib, alles Uebrige was wir »Liebe« heissen, ist nichts anderes als Freundschaft, oder scharf ausgeprägte Anhänglichkeit, oder Mitleid, oder nothwendiges Empfinden. Die Liebe ist ganz und gar untrennbar mit den geschlechtlichen Beziehungen zweier Vertreter der beiden Geschlechter zu einander verbunden. Diese sexuellen Beziehungen sind natürlich, sie sind der Ausdruck des Lebensprincipes, da durch sie allein die Fortpflanzung ermöglicht wird. Ob nun aber durch den vom Winde fortgeführten Blüthenstaub ein Pflanzenkelch befruchtet, oder ob durch die innige Umarmung zweier menschlicher Individuen eine Schwangerschaft hervorgerufen wird, das bleibt angesichts der Natur ein vollkommen identischer Vorgang. Die Befruchtung an sich vollzieht sich bei der Pflanze ebenso keusch, wie beim Thiere oder beim Menschen; lediglich weil sie dem blöden Auge hier auffällt, dort aber sich anscheinend verbirgt, gilt sie uns im letzteren Falle für derart ärgerlich, dass wir aus reiner Keuschheit nicht einmal daran zu denken wagen. Darum

haben wir Alles, was an solchen Vorgang direct erinnert, seit langen Zeiten als unästhetisch, als unsittlich, als unkeusch betrachtet und selbst in wissenschaftlichen Abhandlungen, welche dieses Thema besprechen, benutzen wir verschleiernde Ausdrücke und verhüllende Wendungen. Das ist menschlich und darum schliesslich auch natürlich.

Der gesunden Sinnlichkeit steht folgerichtig die ungesunde gegenüber, d. h. die Immoralität. Auf dem ihr so günstigen und allein zuträglichen Nährboden der Heuchelei wuchernd, hat die Unsittlichkeit in jeder Form, vorzüglich aber die sexuelle seit jeher bestanden und sie wird sich erhalten, so lange die Menschheit überhaupt athmet. In ihrer Art ist sie demnach auch natürlich. Aber, ihre Natur gleicht den verheerenden Katastrophen, welche der Menschen Werke ohne Erbarmen zerstören. Wie wir Alles thun, um der Gewalt der Elemente zu entgehen, ebenso müssen wir unsere ganze Kraft einsetzen, um uns vor der jedes Ideal zerstörenden Immoralität zu schützen. Leider sind wir uns nur über die Nothwendigkeit der Abwehr einig, aber nicht über die dafür zu treffenden Maassnahmen. Vielleicht, ja wahrscheinlich wird dieser Meinungsunterschied bis zum Ende aller Tage dauern wie er immer bestanden hat seit wir nur historische Nachrichten von unsern Vorfahren im engern und weiteren Sinne besitzen. Denn, wir Menschen sind und bleiben Menschen!

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