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aber bei Leibe nicht in naturalistischer Hinsicht geschätzt würden. Wir verdenken es jedem jungen Mädchen aus guter Familie, welches auch nur ein Wort darüber fallen lässt, dass es weiss, von wie grossen Gefahren seine Unschuld und damit sein guter Ruf fortdauernd bedroht ist, sobald es einmal die Kinderschuhe ausgetreten hat. Unsere Töchter sollen, wenn immer möglich, bis zu ihrer Verheirathung keine Ahnung davon haben, dass es zwei Geschlechter giebt, von denen das eine alle Hebel ansetzt, um das andere zu verführen. Dennoch fordern wir von den völlig Unerfahrenen, dass sie ihre körperliche Keuschheit bis zu dem Augenblicke sich bewahre, da sie das Ehebett besteigt. Wir gewähren den Opfern unserer verkehrten moralischen Anschauungen in ihrem Kampfe gegen die sie bedrohenden Gefahren, höchstens die Unterstützung, dass wir mehr oder minder den Polizisten oder die spanische Duenna spielen. Wenn dann aber diese nicht in gehörige Wirksamkeit traten, oder überhaupt mangelten und es bei der Unerfahrenheit der einen, der List und der Gewissenlosigkeit der anderen Partei, zu einem »> offenbaren Skandale kam so fällen wir mühelos ein verdammendes Urtheil.

Man vergesse nicht: Der Drang, sich rückhaltlos hinzugeben, wo es liebt, ist gewiss jedem Weibe natürlich. Wie dieser Trieb sich auswächst, ist Sache des Naturells aber auch der Erziehung und Belehrung. Eins ist gewiss: wenn ein wirklich liebendes Weib ehrbar bleibt ehrbar im Sinne der gesellschaftlichen Moral, so ist es das Verdienst oder die Schuld des Mannes allein«.1)

1) Frieda von Bülow. Einsame Frauen. 124/125.

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Die aus konventionellen Lügen zusammengesetzte gesellschaftliche Moral hat von jeher, seit es überhaupt eine Gesellschaft giebt Unschuld, Jungfräulichkeit, Keuschheit und Sittlichkeit mit dem Aufrechterhalten des » guten Rufes der Persönlichkeit indentifizirt. Es ist eine Thatsache, dass sich die landläufige gesellschaftliche Moral nur dann als scharfe Sittenrichterin aufspielt, wenn irgend ein Mitglied der Gesellschaft, gleichviel welchen Kreis derselben sie betrifft, so unvorsichtig war, durch seine Leidenschaft den guten Ruf, weniger seiner selbst als der mit ihm in naher Verbindung Stehenden, zu gefährden. gesellschaftliche Moral ist je nach dem Zeitalter sehr weitoder sehr engherzig und die Anschauungen des Zeitalters sind von dem Auftreten derjenigen Personen abhängig, in welchen die Gesellschaft gerade ihre Führer erkennt. Um den guten Ruf zu erhalten, werden die wahnwitzigsten Anstrengungen gemacht; denn Niemand mag die Verachtung oder das Mitleid seiner lieben Mitmenschen ertragen. Wie viel Heuchelei gelangt nicht zum Ausdruck, bewusst und unbewusst, wenn der liebe gute Ruf in Frage kommt.

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Die

Der gute Ruf in seinen Beziehungen zur weiblichen Ehre beschlägt nun geradezu, wie wir aus unsern historischen Reminiszenzen Reminiszenzen sahen, nicht etwa ein moralisches, sondern ein physisches Besitzthum. Wird eine Jungfrau durch die Liebe compromittirt, sie braucht gar nicht einmal verführt worden zu sein, wird sie durch irgend eine Gewaltthat ihres Paladium virginitatis beraubt, oder selbst nur durch sittenpolizeiliche Verfügung einer ärztlichen Untersuchung überantwortet solche Fälle

sind ja auch in Deutschland schon vorgekommen

ist sie entehrt. «1)

SO

>> entehrt.<1) Niemand wird behaupten wollen, dass ein Jüngling, der z. B. das Opfer eines widernatürlichen Verbrechens wird, oder den man fälschlich in Verdacht nimmt irgend eine Uebelthat begangen zu haben, »entehrt und dadurch unfähig sei, in späterer Zeit ein glückliches Familienhaupt zu werden. Warum

soll dies denn aber bei einer Person weiblichen Geschlechtes der Fall sein? Weil, antwortet man sicherlich, das Weib eine besondere, mit der männlichen nicht zu vergleichende Ehre hat.

Zu den schönsten Errungenschaften unserer Zeit gehört es, dass wir mehr und mehr die Ansicht gewinnen, eine besondere Ehre für diesen oder jenen Stand, diese oder jene gesellschaftliche Klasse dürfe es nicht geben. Und im gleichen Athemzuge wollen wir behaupten, die Ehre der beiden Geschlechter sei eine wesentlich von einander unterschiedene ?

Gewiss, das Palladium virginitatis ist natürlichen Ursprungs und bezeichnet die körperliche Jungfräulichkeit. Dass aber zwischen dieser und der moralischen Unschuld ein grosser Unterschied besteht, haben nicht nur die Kirchenväter anerkannt, sondern wir selbst thun dies,

1) Ueber den bekannten Fall Köppen in Berlin schrieb z. B. ein Fräulein Raschke (in der Zeitschrift »Die Frauenbewegung« vom 15. 12. 1897): Hier ist ein Verbrechen begangen worden, das bei der besonderen Empfindsamkeit der weiblichen Ehre ärger als der grausamste Mord, teuflischer als irgend eine Missethat ist. << Nach der Ansicht von Fräulein R. ward das der zwangsweisen körperlichen Untersuchung ausgesetzte Mädchen für ihr ganzes übriges Leben entehrt.!!

Günther, Weib und Sittlichkeit.

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indem wir von einer keuschen Geliebten, einem keuschen Eheweibe reden, welche doch .beide nicht mehr über einen intakten Hymen verfügen.

Aber: Wir haben besondere Klassen- und Standesmoralvorschriften. Ausschliesslich in den besser gestellten und gebildeten Gesellschaftsklassen herrscht noch immer die altjüdisch-orientalische Ansicht, dass weibliche Tugend und weiblicher Werth auf der physischen Unberührtheit des Weibes beruhe, und dass eine Jungfrau, welche ihre Intaktheit gleichviel ob durch eigene Mitschuld oder durch Vergewaltigung eingebüsst hat, fortan als beschädigtes und entwerthetes Object nicht mehr geeignet sei, die Bestimmung einer Gattin und Familienmutter innerhalb der gedachten Kreise zu erfüllen; abgesehen von gelegentlichen Ausnahmen, bei welchen die >> gute

Gesellschaft ihre besonderen Gründe hat, ein Auge zuzudrücken. «1)

Wahrlich, es ist ein eigen Ding um die Moralität und die Jungfräulichkeit in unserer aufgeklärten Zeit.

1) Gertrud Gräfin Bülow von Dennewitz in der Zeitschrift

>> Die Frauenbewegung« vom 15. 2. 1898. Anstatt »altjüdisch-orientalisch<< muss es aber heissen »urgermanisch-romanisch.<<

Moralität in der Ehe.

iele Anzeichen deuten darauf hin, dass in der

ältesten Zeit, also in der vorgeschichtlichen Periode der Menschheit, der >Hetärismus«, die Gemeinschaftsehe bestand. Herodot berichtet derartiges von den Messageten1) und den Nasomanen;2) Athenaeus sieht in König Kekrops von Athen denjenigen, der zuerst > einen Mann mit einer Frau verband«.3)

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M'Lennan behauptete in einem an Darwin gerichteten Schreiben (vom 3. Februar 1870): Die Ehe

1) »Jeder heirathet ein Weib; doch bedienen sie derselben sich gemeinschaftlich.<< I. 216.

2) >> Mit den Weibern, deren nach ihrem Brauche ein jeder viele hat, ist bei ihnen die Begattung allgemein . . . . und bei der ersten Hochzeit eines Nasomanen ist es Brauch, dass sich die Braut in der ersten Nacht mit allen Gästen der Reihe nach gattet, worauf ihr jeder nach der Begattung ein Geschenk giebt, das er von zu Hause mitgebracht hat.<< IV. 172.

3) »In Athen hat zuerst Kekrops einen Mann mit einer Frau zur Ehe verbunden, während die Menschen früher in ungeregeltem Geschlechtsverkehr standen und die Gemeinschaftsehe herrschte.<< Deipnosoph. XIII. 555, d.

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