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VI.

Am Sonntage Septuagesimå.

Evangelium: Matth. XX. v. 1— 16.

Die Gnade unsers Herrn, Jesu Chrifti, sen

mit euch Allen; Amen.

Auch bey dem flüchtigsten Blick auf die Ungelegenheiten und Schicksale der Menschen kann man es nicht unbemerkt lassen, M. Z., daß Gott Manchen alles schwer, und Undern alles leicht gemacht hat; daß Manche verurtheilt zu seyn scheinen, unter mühevollen Anstrengungen ihr ganzes Leben zuzubringen, während Andre eine fast ununterbrochene wollüftige Ruhe ger niessen. Ich spreche jest nicht von den Wider wärtigkeiten und Unglücksfallen, die uns auf Erden treffen können; es ist bekannt, Manche verfolgt ein widriges Schicksal bis ins Grab, und Andre bleiben Günftlinge des Glückes, fo lange sie da sind. Auf die Geschäfte und Arbei ten, die Jeder zu verrichten hat, und auf die auffallend ungleiche Vertheilung derselben, wollte ich eure Aufmerksamkeit jezt vornåmlich richten.

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Nicht bestimmt zu Geschäften, sondern dazu verurtheilt; nicht versehen mit Arbeiten, sondern da mit überladen; nicht veranlaßt zu gewissen Verrichtungen, sondern über ihr Vermögen angeftrengt sind unzählige Menschen, das ist unstreitig. Wie groß ist die Menge der Unglücklichen, die schlechterdings nichts haben, als was sie sich fauer verdienen und'erringen; die unter dem Joche der beschwerlichsten Arbeiten feufzen müssen, so lange sie leben; die Mangel leiden und hůlflos find, sobald sie in ihrer Anstrengung nachlassen; denen durch nachtheilige Umstände von mancherley Art selbst das erschwert wird, was sonst wenig Mühe kostet; die zu allen Lasten und Kämpfen des Lebens noch überdieß mit einem so kleinen Maase von Fähigkeiten und Kräften versehen worden sind, daß sie immer alles aufbieten müffen, um nur nicht zu unterliegen, daß sie den Druck ihrer Beschwerden doppelt empfinden. Nein, es wird auch in dieser Versammlung nicht an Menschen fehlen, die in dieser Beschreibung ihr eignes Schicksal erkennen, die sich selbst unter die rechnen werden, denen Gott alles schwer ge macht hat.

Dagegen ist es offenbar, Andre werden so fehr geschont, und mit einer so auffallenden Milde behandelt, daß sie von den größten Lasten des le= bens fast gar nichts gewahr werden. Ihr werdet in der bürgerlichen Gesellschaft Ausgezeichnete finden, die schon ihr Stand und das glückliche Loos ihrer Geburt von den beschwerlichsten Unstrengungen befreyt, die nur leichte, mit mancher len Annehmlichkeiten verknüpfte Dienste leisten, deren Willkühr es überlassen ist, ob sie etwas thun

wollen, oder nicht. Ihr werdet Andre antreffen, denen es zwar nicht an Arbeiten fehlt, von denen viel und mancherley erwartet wird; aber ihnen find alle Umstände fo günstig, sie sind mit allen Hülfsmitteln, die sie sich wünschen können, fo reichlich versehen, sie geniessen bey allen Beschwer den, denen sie unterworfen sind, so viele Ermunterungen, so viele Vortheile aller Art, und fo viele Erquickungen, daß ihnen das Låstige ihrer Lage gar nicht merklich wird, daß sie das Ihrige verrichten, ohne sich eben sehr angestrenge oder erschöpft zu fühlen. Selbst in den Gegenden der groffen menschlichen Gesellschaft, wo das Meiste und Schwerste zu thun ist, wo sich die mühevoll sten Verrichtungen, und die anstrengendsten Urbeiten gleichsam zusammendrången, werdet ihr Glückliche gewahr werden, denen die Natur so viele Kräfte, ein so grosses Maas von erfinderie scher Geschicklichkeit, und dabey einen so heitern, fröhlichen Sinn gegeben hat, daß sie mit den größten taften gleichsam spielen, daß sie von dem, was Andre fast zu Boden drückt, noch gar nicht beschwert werden, und sich im Tumult ihrer Geschäfte eben so wohl. befinden, als Andre im Schoose des Müffiggangs und der Ruhe. Hat nun Gott, hat der Regierer der Welt, der alles ordnende und entscheidende Vater der unermeßlichen Haushaltung, in der wir uns befinden, Je dem zugetheilt, was er zu thun hat, und Jedem die Stelle angewiefen, auf der er wirken soll so ist es eine Erfahrung, die sich_täglich bestätigt, die wir durch unser eignes Schicksal erläutert und bewährt sehen, daß Gott, wie ich gleich an fangs behauptet habe, Manchen alles schwer, und Andern alles leicht gemacht hat.

Es kann nicht fehlen, M. Br., die Ungleichheit, die ich hier berühre, muß nicht nur Bedenklichkeiten und Zweifel, sie muß wirkliche Fehler und Unordnungen bey Allen zur Folge haben, die sie nicht mit christlicher Weisheit und Faffung zu beurtheilen und zu ertragen wissen; und es ist auch nichts gewöhnlicher, als Muth losigkeit, Ungeduld, Mißgunst und Unzufrieden. heit auf der einen, und Leichtsinn, Muthwille, Stolz und Ungebundenheit auf der andern Seite. Zu einer von den beyden Gattungen, die ich jezt beschrieben habe, gehört auch Jeder von uns; und ohne Schwierigkeit werden wir uns sagen können, ob wir angegriffen oder geschont sind, ob uns viel oder wenig aufgetragen ist, ob es uns Gott schwer oder leicht gemacht hat. Aber find wir nicht eben darum auch alle mehr oder weniger den Fehlern ausgesezt, die aus dem Einen und dem Andern zu entspringen pflegen, und werden wir diese Stunde besser anwenden können, als einige sehr nöthige Erinnerungen zu Herzen zu nehmen, welche wir im Kampfe mit den Beschwerden des Lebens, und beym Genuß seiner Annehmlichkeiten fast immer aus der Acht taffen? Mit Ernst und Liebe, mit der Theilnehmung eines brüderlichen Herzens will ich diese Erinnerungen euch jezt vortragen, wer ihr auch feyn, welche Lasten ihr tragen, und welche Frey heit ihr geniessen möget; nehmet sie mit Nach. denken und Wohlwollen auf, und lasset uns Gott bitten, daß er diese Stunde segne. Wir demüthigen uns vor ihm in stiller Andacht.

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Evangelium: Matth. XX. v. 1-16. Ein rührendes Bild des menschlichen Le bens, der wunderbar in demselben vertheilten

Arbeiten und Beschwerden, der Absichten und Gesinnungen endlich, mit welchen die Arbeiten gewöhnlich verrichtet, und die Beschwerden gewöhnlich erduldet werden, ist die Erzählung, M. 3., die ich euch jezt vorgelesen habe. Die beiden Hauptgattungen aller Arbeiten, die sich in der grossen Haushaltung Gottes befinden, sind in dieser Erzählung so deutlich ausgedrückt, daß fie sogleich in die Augen fallen. Ihr sehet in der felben Gemiethete, denen alles sehr schwer gemacht ist, die schon am frühen Morgen in den Weinberg gesendet werden, und zwölf Stunden lang mit gleicher Anstrengung arbeiten müssen die am Abende mit Recht von sich sagen können, sie hätten des Tages last und Hiße getra gen. Eben so sichtbar ist in der Erzählung des Evangelii eine grosse Menge Andrer, denen alles weit leichter gemacht wird, die nur neun Stunden, oder nur sechse, oder nur dreye, oder wohl gar nur eine einzige am kühlen Abend arbeiten dürfen, und am Ende dennoch einerley Lohn mit denen empfangen, welche die Beschwer. den des ganzen langen Tages erduldet hatten. Doch dieser Anblick zeigt sich auch im täglichen Leben wieder, ihr möget eure Augen richten, wohin ihr wollet. Zurückgesezte und Begünstigte, mit Bürden Beladene und nur leicht Beschwerte, unter Schweiß und Seufzern mühsam Arbeitende, und im Schooße der Ruhe fröhlich Geniessende sehet ihr überall mit einander gemischt; "und wie ich schon angemerkt habe, zu einer von beiden Klassen werdet ihr euch alle zählen, werdet euch entweder unter die Belasteten, oder unter die Geschonten rechnen. Aber wie sehr sich beide Gattungen vergeffen, und welche Fehler fie machen

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