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Uebergang zur inneren Versöhnung; der Titane wird zum Heros.

Eine andere mythische Anschauung des noch nicht zu dieser Versöhnung gelangten Geistes ist in der Sage vom thrakischen Sänger Orpheus enthalten, der durch seinen Gesang die thierische Wildheit der Völker bändigte, aber von rasenden, weinberauschten Weibern zerrissen wurde.

§. 96.

Der Cultus des Titanenzeitalters.

Der Dienst der pelasgischen Erdmutter stand in eng= ster Verbindung mit der aus Phrygien in Kleinasien stammenden und von dort auch nach Griechenland verpflanzten Verehrung der großen Erdmutter Kybele oder Rhea, welche durch wilde, ausgelassene Waffentänze, unter Trompeten-, Pfeifen- und Hörnerklang, nicht selten auch mit grausigen Menschenopfern verehrt wurde. Im Dienste dieser Göttin traten die erdgebornen Kureten und Korybanten, als personificirte Naturmächte, ebenso die durch kunstreiche Erfindungen berühmten Telchinen und Kabiren auf.

In erweiterter und fortgebildeter Naturanschauung erscheint auf dieser Stufe des religiösen Bewußtseins der Litanenzeit auch wieder, unter veränderten Namen, das Wesen der altpelasgischen Gottheiten Zeus und Dione. Ihr Begriff wurde von dem nach Versöhnung des inneren Zwie spaltes ringenden Bewußtsein umgewandelt.

In dieser veränderten Gestalt tritt das göttliche Wesen des Zeus unter dem Namen Hekatos und Hermes als die den Frevel rächende und den Fluch abwendende Gottheit auf, welche nach der Sage die Mauern von Troja dem Könige Laomedon bauen half. Als solcher erscheint er unter dem Bilde des Wolfes und wird als Wolfstödter, Lyläos, aufgefaßt, und alle fluchbelasteten Frevler mußten die Macht dieses strafenden Gottes erfahren, der zur Sühnung und Büßung sogar Menschenopfer verlangte. Nach einer an

deren Seite seines göttlichen Wesens erscheint dieser spätere pelasgische Zeus unter dem Namen Hermes, mit dem Symbole der Zeugungs- und Befruchtungskraft, als Schußgott des Hauswesens und des bürgerlichen geordneten Gemeindelebens und zugleich als Vermittler zwischen dem irdischen Menschenleben und dem Leben der Götter. Man verehrte den Gott anfänglich durch Steinhaufen an Kreuzwegen, dann durch einen viereckigen Stein.

Dem Zeus-Hekatos-Hermes steht als weibliche Gottheit, entsprechend der altpelasgischen Dione, deren Wesen jest weiter entwickelt erscheint, die das Böse abwendende und den Frevel strafende und rächende Göttin Hekate zur Seite, die als Himmel und Erde beherrschende Schicksalsmacht, zugleich als Göttin der Nacht und unterweltliche Göttin angeschaut wird. Auch die Sühnung der Verbrechen im Menschenleben und das Gemeindeleben ist der Kreis, worin die pelasgische Hekate waltet.

Den alten Pelasgern war der Tod Furcht und Grauen erweckend; mit den Geistern der Verstorbenen, von denen man glaubte, daß sie den Menschen Träume sendeten, strebte man durch Todtenbeschwörung in Verbindung zu treten. Ein Todtenorakel befand ich in der Landschaft Böotien, wo in einer Höhle die Orakel geholt wurden.

Auch die mit dem Adoniscultus verbundenen syrischen Trauerfeste (vergl. §. 75), die sich auf den Untergang der Sinnenlust und des frischen blühenden Lebens bezogen, hatten sich unter den alten Griechen in der pelasgischen Zeit verbreitet. In der Mythe vom Attis, des Lieblings der Göttermutter Kybele, der an der Selbstentmannung kläglich starb, drückt sich eben diese Trauer des in Sinnenlust erliegenden Bewußtseins über den dazwischentretenden Tod aus. Dieselbe melancholische Geistesrichtung kehrt wieder in der mythischen Volksklage der alten Griechen um den Linos, der in der Blüthe des Lebens und im Freudengenusse hingerafft worden war.

Bei den Pelasgern dieser zweiten Periode begegnen

uns auch dieser Natursymbolik entsprechende Anfänge der Kunst, nämlich bildliche Darstellungen der Götter, aus Holz geschnitt, mit vielen Köpfen, Augen und Händen, als deren Verfertiger die Telchinen genannt werden. Ebenso schreibt die alte griechische Sage den Kyklopen Bauwerke von eigenthümlicher Art zu, welche man deßhalb kyklopische Mauern nannte. Sie bestehen aus ungeheuren, meist unregelmäßig behauenen Felsstücken, welche zu einer Art von Gewölben zusammengefügt sind. Auch hierin, wie im religiösen Bewußtsein der alten Pelasger, bestätigt sich die mythische Thatsache, daß das ganze Culturleben jener Zeit dem orientalischen Wesen ähnlich war, während sich erst die späteren Hellenen zu eigenthümlicher Bildungs- und Religionsform erhoben.

§. 97.

Das religiöse Bewußtsein der Heroenzeit.

Unmittelbar auf die pelasgische Zeit Griechenlands folgt dasjenige Zeitalter des griechischen Lebens, welches man das heroische zu nennen pflegt und welches etwa vom vierzehnten bis zum neunten vorchriftlichen Jahrhundert reicht. Der Name der Pelasger verschwindet seitdem aus der griechischen Geschichte; von Thessalien, aus Nordgriechenland her hatten andere Völkerschaften die Pelasger verdrängt und unterworfen. Unter diesen hat der Stamm der Achäer die Hauptrolle gespielt, weßhalb das ganze Zeitalter auch das achäische genannt wird. Auf das Verschwinden der Pelasger aus der Geschichte bezieht sich die Sage von der deukalionischen Fluth oder der großen Ueberschwemmung, aus welcher nur der Stammvater der Hellenen, des Prometheus Sohn Deukalion mit seiner Gemahlin Pyrrha übriggeblieben war, dessen Sohn die Sage Hellen nennt, von dessen drei. Söhnen wiederum die drei Hauptstämme der Griechen ihre Namen erlangt haben sollen.

Der Charakter dieser Zeit bestand in einem an Ent Das Buch der Religion. I.

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wickelungskeimen reichen, kriegerischen, thatenluftigen, ritterlichen und abenteuerlichen Leben, besonders Seeräuberleben, in welchem die Elemente der späteren hellenischen Bildung in chaotischer Gährung durcheinanderwogten. Die beson ders hervortretenden Punkte dieses heroischen Zeitalters find am Anfange desselben die Gründung des Staatslebens und der Seeherrschaft auf der Insel Kreta, in der mythischen Zeit des Minos, dann der von den Drchomeniern oder Minyern ausgehende Zug der Archonauten nach dem goldnen Schahe zu Kolchis, ferner die Herrschaft Thebens und die Sagenkreise des Oedipus und die gemeinsame Unternehmung der Achäer gegen die Macht Troja's.

Schon am Anfange der Heroenzeit war durch ihre Seeherrschaft und ihre Cultur die Insel Kreta berühmt. In der mythischen Geschichte Kreta's erscheint Minos als der Heros, an welchen die Volkssage den Ursprung der politischen Verhältnisse und der geistigen Cultur dieses Landes knüpft. Die titanische Göttin Kybele oder Rhea wurde. dort verehrt und mit ihrem dortigen Cultus die Ausbildung menschlicher Gewerb- und Kunstthätigkeit verknüpft. Minos selbst war durch seine Weisheit und Gerechtigkeit so berühmt, daß ihn die Sage nach seinem Tode in die Unterwelt als Todtenrichter versehte. Vom Minotaurus, einem wilden Stier, der auf der Insel hauste, befreite der Heros Herakles oder, nach anderer Sage, Theseus das Land. Minotaurus bedeutet den Thiermenschen, den in Sinnenleben und Fleischeslust versenkten Menschen, von dessen Herrschaft das die Natur überwindende und sich zu freier Menschenwürde erhebende Bewußtsein des Heros die Menschen befreite.

Kreta wird von der hellenischen Mythe zur Geburtsstätte des olympischen Zeus und zur Wiege der olympischen Götter gemacht, d. h. der Glaube der Heroenzeit ist die Grundlage der späteren hellenischen Volksreligion, das religiöse Bewußtsein der Heroenzeit der vermittelnde Uebergang zur späteren klassischen Vollendung der griechischen Religion

in der epischen Dichtung und der bildenden Kunst. Von der Rhea auf der Insel Kreta geboren wuchs Zeus heran unter dem Tanz der als kunstreiche Erzarbeiter bekannten Kureten.

Die bildende Kunst der Griechen nahm auf Kreta ihren Anfang. Ihren Vater seht die griechische Mythe dorthin, es war Dädalos, nach welchem die kretische Kunstschule genannt wurde, weil er zuerst den Kunstdarstellungen der Götter Leben und Seele einzuhauchen verstand. Ihm zur Seite steht in der Sage Ariadne, worunter nichts anderes vorgestellt wurde, als die personificirte Phantasie und der ordnende Verstand des Künstlers, welcher in dem bunten Gewirre mannichfaltiger poetischer Anschauungen (d. h. in der Mythe: des Labyrinths, welches als wirkliches Gebäude niemals existirt hat, sondern nur ein Erzeugniß der mythischen Phantasie war) der zur Klarheit des künstlerischen Schaffens leitende Faden ist. Mit Dädalos sezt die Sage die Namen der bildenden Künstler Smilis, Learchos und Anderer in Verbindung, welche bald nach dem trojanischen Kriege die ersten Bildnisse des Zeus und der Hera verfertigt haben sollen, so daß eben von Kreta aus die Kunstdarstellung der olympischen Götter nach dem übrigen Griechenland sich verbreitete.

In der Landschaft Böotien blühte schon zu Anfang der Heroenzeit das Reich der Orchomenier oder Minyer durch Ackerbau und Handel zu hohen Reichthümern auf. Von ihnen ging der mythisch-heroische Zug nach dem goldenen Vließ oder Widderfell in Kolchis, am schwarzen Meere, aus, ein auf Beute, Abenteuer und Heldenruhm abgesehenes Unternehmen griechischer Helden. In der reichausgeschmückten Sage von diesem Argonautenzug ist die Erinnerung der späteren Griechen an den in ältester Zeit stattgehabten Verkehr zwischen Griechenland und Kleinasien und den damit verbundenen Austausch der geistigen Bildung, in mythischer Weise, angeschaut.

Später ragte über die Drchomenier in Böotien Theben

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