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Man nannte diese aufgezeichneten Ueberlieferungen Sagen, deren Inhalt zunächst Lebensbeschreibungen von Häuptlingen, Abenteurern, Bauern u. s. w. bildeten, woraus sich crst allmälig der Fortschritt zur Darstellung der Geschichte der ganzen Insel und ihres Zusammenhanges mit Norwegen entwickelte.

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Das berühmteste und bedeutendste. Werk dieser Sagengeschichtschreibung, welches uns ebenfalls in der Ursprache erhalten ist, hat ebenfalls jenen Snorre Sturleson, den Verfasser der jüngeren Edda, zum Verfasser. Es führt den Titel: Heimskringla," d. h. Weltkreis oder Heimathskreis, weil diese Geschichte die ganze Welt des Isländers umfaßte, indem sie die norwegischen Königssagen darstellte. Es ist diese Geschichtsdarstellung noch ganz der unmittelbare, einfach - naive Wiederhall der allgemeinen Sage, deren einzelne Partieen, jede in ihrer ursprünglichen Eigenthümlichkeit, wiedergegeben werden.

Außer diesen isländischen Driginalquellen besigen wir über die Geschichte der heidnischen Vorzeit Skandinaviens noch lateinisch geschriebene Chroniken, denen alte Volkssagen und Skaldenlieder zu Grunde liegen. So haben die Ge schichtschreiber Adam von Bremen im elften Jahrhundert und Saro Grammaticus manche Mittheilungen über die altheidnischen Mythen und Sagen der Norweger gemacht, die aber, weil nur aus der Ueberarbeitung isländischer Driginalquellen hervorgegangen, für die Kenntniß der nordischen Religion nur wenig brauchbar sind.

§. 128.

Der germanisch-nordische Volksgeist im Allgemeinen.

Aus diesen Denkmälern des germanisch - nordischen Volkslebens läßt sich der Charakter der Zustände des germanischen Nordens und des Geistes dieser Völker hinlänglich erkennen. Es spiegelt sich im Allgemeinen darin der Geist und Charakter der heroischen Zeit, in welcher der Zu

stand der germanischen Völker in der vorchristlichen Periode ihrer Geschichte sich bewegt. Der Geist und Charakter, die Lebensweise und Cultur dieser nordischen Heldenzeit sind der griechischen Heroenzeit sehr ähnlich, nur daß eben die lokale und physische Eigenthümlichkeit des germanischen Nordens, der düstere Himmel und das kältere und rauhere Klima auch dem Geist der nordischen Heldenstämme einen ernsteren, düsteren und fast melancholischen Charakter verlich, der von dem Grundzug des griechischen Lebens sehr verschieden war.

,,Der Nordländer war düster, wie sein Himmel, und das irdische Leben gab sich ihm deßhalb vorzugsweise von der Seite seiner Nichtigkeit und seiner Entbehrungen her zu erkennen; dieß trieb ihn zu muthiger Lebensverachtung und machte, daß er erst in dem Heldenthale der anderen Welt das wahre Leben und einen dauernden Genuß erwartete. Der Grieche dagegen hielt unter seinem heiteren Himmel gerade das Leben am freundlichen Sonnenlichte der Oberwelt für ein wahrhaftiges Leben, das der Unterwelt aber erschien ihm, sogar beim größten Glücke, nur als ein Schatten von jenem; er liebte deßhalb das Leben, hielt den Lod stets für ein bitteres Geschick und erkannte demgemäß sogar die Schnellfüßigkeit eines Helden als einen großen Vorzug an."

Besaßen nun aber die germanisch - nordischen Völker auch nicht die sinnliche Heiterkeit und frohe Lebenslust der Griechen, wodurch die letzteren die frische Jugend der europäischen Völkergeschichte repräsentirten, so stellen dagegen die Germanen die überströmende Fülle des männlich-jugendlichen Geistes unter den abendländischen Völkern dar. Nicht die Schönheit war das Gesetz des germanisch - nordischen Daseins, sondern die Freiheit und Selbständigkeit des Menschen nach außen und die sittliche Reinheit des Gemüthes nach innen. Mit der tiefen Gemüthsanlage verband sich bei den Germanen eine mächtige und kräftige Phantasie, und in der Vereinigung beider Eigenschaften wurzelte bei

denselben die große Liebe zur Poesie, welche bei diesem naturhaften Heldenvolke die einzige selbständige Richtung und Regung geistigen Lebens war. Von Odhin war bei ihnen der Ursprung der Dichtkunft abgeleitet, und ihre Gesänge zeigen einen hohen kräftigen Aufschwung der Phantasie und eine große Fülle und Lebendigkeit der Bilder.

Die germanisch- nordische Individualität ging keineswegs im Staate auf, wie die griechische und römische, sondern das Recht der Familie und der freien Selbständigkeit des Einzelnen kam hier zu seiner vollen Geltung. Dabei eignete dem germanischen Geist eine unendliche Willenskraft und ein bildungsfähiges Gemüth, aus deren Naturaṇlage es sich auch erklärt, daß die Germanen nach dem Untergange ihres altheidnischen Lebens noch die innere Kraft und Geschmeidigkeit besaßen, ein neues weltgeschichtliches Leben zu beginnen. Der Nordländer, in seiner lebenskräftigen Naturwüchsigkeit, war keineswegs den Naturmächten hingegeben, in unrühmlicher Abhängigkeit, sondern tritt im Heldengefühle seiner Freiheit und Herrschaft über die Natur mit verachtendem Troß ihren Mächten entgegen, geht siegesgewiß den Kampf mit denselben ein.

Dabei blickte der nordische Geist tief in's Gemüth der weiten Welt hinein und brachte aus dieser geistigen Vertiefung in's Naturleben eine Fülle poetischer Anschauungen und lebensvoller Gestalten hervor. Einen weiteren Stoff für die Bildung seiner Weltanschauung bot dem Nordländer sein reichbewegtes geschichtliches Leben, Krieg, Abenteuer, Raub und Beute. Die Nordländer in ihrem rauhen Himmelsstriche waren besonders fühlbar von feindlichen Natureinflüssen umgeben und mußten den freundlichen um so dankbarer sein. Ueber die Verhältnisse dieser freundlichen und feindlichen Einflüsse konnten sie sich aber in ältester Zeit nur bildlich ausdrücken. So beziehen sich die Vorstellungen von den Riesen vorzugsweise auf die den Menschen feindlichen Naturverhältnisse, und die wichtigste Mythe, die Vorstellung von der Entstehung der Welt, der Riesen und der

Götter, in welcher die Riesen einen früheren Ursprung haben, als die Götter, ist ganz aus der Betrachtung der Wechselwirkung von der Kälte des Nordens und der Hiße des Südens begründet. Ebenso zeugen auch die Zeiten, in welche die wichtigsten Feste der Nordländer fallen, von sorgfältiger Naturbeobachtung.

Die Götter selbst aber erscheinen, mit Abstreifung aller bloß oberflächlichen symbolischen Personification, in vorwaltend geistiger Haltung, als freie Herren über das Naturleben, das durchweg als begeistigt und als von geistigen Mächten beherrscht und durchwaltet erscheint. Ebenso greift aber auch in den religiösen Anschauungen der Nordländer das Naturleben in das geistige Menschenleben wirksam ein. Durch diese innige Wechselwirkung des Natürlichen und Geistigen in der Weltanschauung erhält dieselbe einen mystischen Charakter, der noch dadurch erhöht wird, daß der nordischen Religion ein Gefühl der inneren Unzulänglichkeit des Heidenthums und die Vorahnung des Unterganges desselben einwohnt, welches sich in der Vorstellung vom Untergange und der Wiedergeburt der Götterwelt seinen gegenständlichen Ausdruck gegeben hat.

Mit Recht ist darum die nordisch - germanische Religion das reinere und strengere, unverdorbenere Heidenthum genannt worden, zu dessen Vorzügen auch noch der Reichthum an Göttinnen und anderen mythologischen Frauengestalten gehört, die in das Götter- und Menschenleben mächtig eingreifen und in ihrem Wesen und Charakter die tiefere Bedeutung und den sittlichen Einfluß der Weiblichkeit auf das Gemüthsleben des Mannes anschaulich machen.

§. 129.

Die nordischen Vorstellungen von der Welt und ihren Theilen.

In der mythischen Vorstellung der germanisch - nordischen Völker vom Weltgebäude bildeten nach oben der Himmel und nach unten die Unterwelt die beiden Endpunkte,

von denen jener nach Süden und diese nach Norden liegend gedacht wurde. Der Himmel hieß Muspellheimr; Sonne und Mond fahren mit Rossen bespannten Wagen am Himmel dahin, und die Gestirne sind Feuerfunken aus Muspellheimr. Denn es ist dieß die Licht- und Feuerwelt, woher Licht, Wärme und Lebenskraft in die übrigen Theile der Welt ausströmte, die Wohnung Surtur's oder Alfadir's, des beseelenden Geistes der Welt.

Am anderen Ende der Welt dagegen lag Niflheimr oder Nebelheim, die Unterwelt der Nacht und Finsterniß, die Wohnung der Todten und der Aufenthalt der Götterfeinde. Wie der Winter dem Sommer, so ging die Nacht dem Tage vorher, nach der nordischen Vorstellung, und wurde die Riesentochter Nacht oder Nott als Mutter des Dagr oder des Tages vorgestellt. Sie fahren jedes mit einem Roß am Himmel hin; das Roß der Nacht heißt das reiffmähnige, das des Tages das glanzmähnige.

Zwischen diesen beiden äußersten Enden des Weltgebäudes dachte man sich, nach der Völuspa, die übrigen Welten und Firmamente liegend, deren mit Muspellheimr und Niflheimr zusammen neun sind. Zunächst bei Muspellheimr, im Süden, war Liosalfheimr, die Wohnung der Lichtelfen, die man sich als lichte und gute Geister von schöner und luftiger, aber winziger Gestalt vorstellte und ihnen eine wohlthätige, Heil und Segen bringende Wirkung auf die Menschenleben beimaß.

An diese Welt schloß sich Asaheimr oder Godheimr, die Wohnung der Asen, d. i. der Götter. Von hier aus steigen die Götter vom Himmel auf die Erde nieder auf der Brücke Bifrost, d. h. dem Regenbogen. Mitten in Asaheimr lag die befestigte Götterburg Asgardhr, mit Od: hin's Palast Valhalla, dem Aufenthaltsorte der unsterbli chen Helden.

An diese Götterwelt grenzte die Wolken- oder Windregion, Windheimr oder Vanaheimr genannt, die Wohnung der weisen Banengötter.

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