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Die bestimmte Gestalt der religiösen Offenbarung innerhalb einer nationalen Cultusgemeinde, die das Grundwesen einer bestimmten Volksreligion ausmacht, ist im religiösen Genius, wie er als Religionsstifter auftritt, mit der unmittelbaren Gewalt des Naturinstinctes zuerst an's Licht des Bewußtseins getreten. Sie stellen die weltgeschichtlichen Knotenpunkte dar, an welche die in der Geschichte auftretenden Religionen anknüpfen.

Was die große Menge des Volkes ungekannt und ungewußt im Gemüth als religiöse Anlage hat, nimmt im schöpferischen Genius die Gestalt des Bewußtseins und Selbstbewußtseins an und wird von ihm als Lehre und Gesez verkündigt und von der Menge als höhere Offenbarung gläubig aufgenommen. Die Menge schaut zu dem religiösen Genius, im Gefühle ihrer Abhängigkeit und Bedürftigkeit, als zu ihrem höheren, verklärten Selbst auf und verehrt ihn als göttlichen Gesandten, als Träger der religiösen Offenbarung, als allgemeine Autorität für alle übrigen Individuen.

Als Fortseter des hohen Mittlerberufs des religiösen Genie's repräsentirt der Priester den religiösen Verstand, indem seine Aufgabe darin besteht, dem natürlichen und bedürftigen Bewußtsein der Gemeinde fortwährend die Mysterien der Religion verständlich und begreiflich zu machen, die verhüllten Tiefen des eignen Gemüthslebens zu er= schließen und den bestimmten Offenbarungsinhalt mit dem Bewußtsein und Willen der Einzelnen auf lebendige Weise zu vermitteln. Als Vertrauter und Rathgeber der unselbständigen, bedürftigen Menge repräsentirt der Priester die religiöse Autorität innerhalb der Gemeinde, ist Verkündiger und Ausleger der überlieferten religiösen Offenbarung, Anordner und Verwalter des religiösen Cultus, Darbringer des Opfers.

Der regelmäßige Verlauf dieses alltäglichen Vermitt lungsganges wird unterbrochen durch den Blitz des prophetischen Geistes, durch dessen Thun der positive Inhalt des religiösen Volkslebens fortwährend flüssig erhalten und

der Mechanismus des äußeren Cultus vor Erstarrung bewahrt wird.

Von der treibenden Macht und Energie des religiösen Volksgeistes unmittelbar ergriffen und fortgerissen, beherrscht und begeistert von derselben als wie von einer fremden Gewalt, ist der Prophet scheinbar außer sich verseßt, im Zustande der Ekstase und Begeisterung, in Wahrheit aber recht eigentlich in den innersttiefen Grund seines vom Geist des Ganzen, des Gemeinlebens durchdrungenen Selbstbewußtseins zurückge drängt und darin gründlich bei sich. Indem aber der religiöse Prophetismus über die unmittelbare Gegenwart des religiösen Gemeingeistes hinübergreift und die zukünftige Gestalt desselben begeistert vorausnimmt, tritt der Prophet als weissagend auf und wirkt so erweckend, belebend und fortbildend auf das allgemeine Bewußtsein des Volkes ein.

Keiner jener alten ehrwürdigen Weisen und Propheten (sagt Görres in seiner Mythengeschichte der asiatischen Welt) war Betrüger, sie waren Priester im edelsten Sinne des Wortes; wenn sie von Offenbarung sprachen, dann war's, weil sie die Nähe der Gottheit fühlten, und als ihre Drgane mit klarem Bewußtsein sich erkannten. Sie waren in ihrer eignen Tiefe soweit zurückgegangen, bis sie in ihr Gott gefunden, und sie erkannten ihn bald als die innerste Mitte ihres Wesens an.

Dieß gilt vom religiösen Mittlerthum überhaupt; solche Persönlichkeiten, seien sie nun religiöse Genie's, oder Priester, oder Propheten, beweisen sich (wie Schleiermacher sagt) durch ihr bloßes Dasein als Gesandte Gottes und als Mittler zwischen dem eingeschränkten Menschen und der unendlichen Menschheit.

§. 16.

Die religiöse Offenbarung.

Der ausgesprochene Inhalt des persönlichen Selbstbewußtseins der religiösen Genien und Propheten ist die

religiöse Offenbarung, die Selbstentäußerung der vollendeten religiösen Persönlichkeit. Sie tritt zuerst als heilige Lehre auf, welche in heiligen Schriften niedergelegt und in den religiösen Kunstdenkmälern vor die Anschauung gebracht wird.

Die heilige Lehre ist das erste laute Zeugniß, das die vollendete religiöse Persönlichkeit von sich selbst ablegt und dadurch verständliche Kunde von der im Innern vernommenen religiösen Offenbarung gibt. Was der religiöse Genius dem Ganzen, dem religiösen Gemeingeist, verdankt und durch eigne Thätigkeit aus ihm gewonnen hat, gibt er in der Lehre als Gemeingut wieder an das Ganze zurück.

So ist die Lehre das Mittel, wodurch die einzelne hervor. ragende religiöse Persönlichkeit mit dem Bewußtsein der Gemeinde in Verbindung tritt und ihr zum Verständniß ihres religiösen Inhalts verhilft. Was auf diese Weise als heilige Lehre ausgesprochen wird, erweist sich nothwendig als Richt. schnur und Regel für das Bewußtsein und den Willen der Cultusgemeinde, als die allgemeine Macht des religiösen Selbstbewußtseins und der Gesammtintelligenz des religiösen Gemeingeistes.

In ihrer geschichtlichen Erscheinung tritt die heilige Lehre in einer Stufenreihe von Formen hervor, deren Ver einigung erst die Vollendung der Lehre, als Offenbarung des religiösen Lebensinhalts eines Volkes, ausmacht. Das nächste, unmittelbare Zeugniß des religiösen Volksgeistes von seinem Inhalte ist das prophetische Wort, d. h. die Mittheilung des Offenbarungsinhaltes als eine ohne Zuthun des Subjectes, in Folge unmittelbarer Begeisterung demselben zu Theil gewordene. Der Prophet spricht seine Aussprüche nicht als Resultat seiner eignen Geistesthätigkeit, sondern als eine von seinem Zuthun unabhängige, göttliche Mittheilung aus, ohne noch sein eignes religiöses Selbst darin wieder zu erkennen.

Bestimmter tritt das Wesen der heiligen Lehre schon hervor in der Form des Gebotes, in der Form des Gesetzes, dem sich das Wissen und Wollen des religiösen Subjectes

unterwerfen soll, weil sich das Gesetz als eine höhere Macht für das endliche und unzulängliche Selbstbewußtsein des Einzelnen kund gibt, indem es demselben zeigt, was er sein und werden soll.

Zu diesen beiden ersten Formen der Lehre kommt endlich noch, als wesentliche und nothwendige Ergänzung, die Auslegung des prophetischen Wortes und des Gebotes hinzu, womit die heilige Lehre erst vollendet ist. Durch die Auslegung des prophetischen Wortes und des Gesetzes wird erst dessen Sinn erörtert, dessen Inhalt begriffen und den Einzelnen verständlich gemacht, daß sie darin ihr eignes Selbst und ihren eignen religiösen Gemüthsinhalt wiedererkennen.

Aber mit dem Hauche des Mundes verhallt auch das gesprochene Wort. Wer bürgt dafür, daß der Inhalt der religiösen Offenbarung, die heilige Lehre, auch in der Erinnerung haften bleibe und immer von Neuem und auch noch bei nachfolgenden Geschlechtern ein frisches religiöses Leben zünde?

Diesen festen Anhaltspunkt für die Erinnerung erhielt die heilige Lehre dadurch, daß sie in der Schrift aufbewahrt, in heiligen Büchern niedergelegt wurde. Alle oder wenigstens doch die ausgebildeteren Religionen, die Religionen der eigentlichen Culturvölker, haben in ihren heiligen Religionsurkunden den Inhalt ihres Selbstbewußtseins als Offenbarung niedergelegt. Wenn auch solche heiligen Bücher nicht immer und allenthalben auf die eigentlichen Religionsstifter zurückgeführt werden können, sondern ihrem Inhalte nach durch den Kanal der religiösen Ueberlieferung hindurchgegangen sind, che dieser von Priestern, Geschgebern oder religiösen Reformatoren aufgezeichnet wurde, so haben sie immerhin als das religiöse Testament der Völker für die Nachwelt eine hohe Bedeutung.

Eine ähnliche Bedeutung haben für den gegenständ lichen Ausdruck der religiösen Offenbarung der Völker und für die Erkenntniß der bestimmten Stufe ihres religiösen

Bewußtseins die religiösen Kunstdenkmäler, besonders Baudenkmäler und Skulpturwerke, welche ebenfalls für die Völker den Werth von Heiligthümern haben.

Ganze Völker, wie die Inder, Babylonier, Aegypter und andere, haben in großartigen Bauwerken den Inhalt ihres religiösen Bewußtseins sich gegenständlich gemacht und darin religiöse Ideen symbolisch dargestellt, z. B. die schöpferische Lebenskraft in der Natur in den indischen Phallussäulen, das Leben der Welt in den ägyptischen Obelisken, den Thiergeist des Menschen in den Sphinxen, die Wanderung der Seele nach dem Tode des Leibes in den Labyrinthen. Später, z. B. bei den Griechen und Römern, diente die Architektur zur Umschließung des Tempelbildes, oder, wie bei den Juden, als symbolische Wohnung des Gottes, oder endlich zum Versammlungsorte der religiösen Gemeinde, zur Stätte für ihre Cultushandlungen.

Skulptur und Malerei schufen das Bild des Gottes in menschlicher Erscheinung, als plastisch - anschauliches Gegenbild der inneren Gestalten der religiösen Vorstellung. Auch Musik und Gesang, Tanz und mimische Künste treten zum Dienste des Cultus allenthalben auf, und in der religiösen Poesie erschließt sich dem religiösen Gemüthe seine eigne tiefe Innerlichkeit mit ihrem Lebensreichthum.

§. 17.

Die religiöse Sittlichkeit.

Die Religion würde nicht diese allgewaltige Macht im Menschen und über denselben sein, wenn sie sich nicht auch in Sitte und Thun der Einzelnen, wie der Völker ausprägte. Die Religion ist die Mutter der Sittlichkeit; die im Elemente des Willens sich bethätigende Energie des religiösen Geistes gründet die sittliche Persönlichkeit der Einzelnen, wie der Völker.

Sofern das Ziel alles Cultus, wie überhaupt der Religion, die Versöhnung des Subjectes ist, schließt der Cultus

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