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gend gleichsam durch Zauber erlangt, wie jene des Faust, als er die Last der Jahre abschüttelnd, sein Studierzimmer im Rücken läßt, und sich in den vollen brausenden Strom des Lebens wirft.

Ein unersättlicher, ungestümer Drang, etwas zu erleben, ins volle Menschendasein hinabzutauchen, regt sich in dem jüngern Geschlecht. Fürwahr, es ist ein Faust'scher Drang, der es beseelt!

Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns glühende Leidenschaften stillen !
In undurchdrung'nen Zauberhüllen
Sei jedes Wunder gleich bereit !
Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit,

Jn's Rollen der Begebenheit!

Da mag denn Schmerz und Genuß,

Gelingen und Verdruß,

Mit einander wechseln wie es kann;

Nur raftlos bethätigt sich der Mann.

Dies war das Losungswort, das durch jene Epoche widerhallte, und durch Göthe so voll und mächtig ausgesprochen wurde. Er war's, der alle die heißglühenden Kräfte der Zeit anzog und sie in seinem Geiste sammelte, um dem dunklen, gewaltigen Drängen einen klaren Ausdruck zu geben. Wie spricht das kühne Wort Faust's so ganz die Tendenz jener Originalgenies aus:

...

Was der ganzen Menschheit zugetheilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst genießen,
Mit meinem Geist das Höchft' und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh' auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
Und, wie sie selbst, am End' auch ich zerscheitern!

Das Individuum, das einzelne Ich wollte damals eine ganze Welt sein es war aller Inhalt des

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Lebens in die gährende Tiefe des einzelnen Gemüthes zurückgeschlungen, und mit solcher Fülle beladen und überladen wurde freilich ein jeder Poet zu einem Titanen, ein jeder ringende und strebende Mensch zu einem Faust.

Ich habe somit schon den Helden dieser Epoche genannt, in dem sich ihr ganzes, ungestümes Streben ebenso personificirte, wie früher Nathan die Summe der milden, ausgleichenden Weisheit in klarer, doch behutsamer Weise aussprach, die dem Scharfsinn, wie der ethischen Tendenz Lessings als legtes Ziel vor= schwebte. Diesem stillen, beruhigten Charakter gegenüber, der jeden Brand der Leidenschaft auslöscht und dafür die Leuchte der Weisheit aufsteckt ist Faust der raftlos weitertreibende, niemals in sich befriedigte Dämon der neuen Literaturperiode, der verkörperte Geist des Sturmes und Dranges. Schon durch Lessings Studirzimmer schritt ahnungsvoll sein Schatten hindurch in einzelnen Scenen suchte er seine Gestalt dichterisch zu erfassen und festzuhalten aber es blieb nur beim Versuch: zu Leffing's innerstem Streben stand diese Figur in keiner organischen Beziehung, ihm fehlte das siedende Blut, um sie daran zu beseelen.

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Doch davon später! Bleiben wir vorläufig dabei, worin eigentlich die jüngere Generation im Gegensag zu der früheren das Wesen der Dichtung fand.

Dem Begriffe nach hatte es wohl Lessing gefunden, was Poesie sei; er hat ihr bewegtes auf die Handlung gerichtetes Wesen gegenüber der schönen Ruhe der bildenden Kunst im Laofoon bestimmt, er hat den speciellen

Lebensbedingungen der dramatische Poesie gelegentlich, gleichsam casuistisch in der Dramaturgie nachgeforscht und für ihn haben diese theoretischen Erkenntnisse auch ausgereicht, um classische Erzeugnisse einer wahrhaft männlichen Poesie hervorzubringen. Aber eine große, kritisch sichergestellte Anschauung vermag es noch nicht, auch in Anderen die poetische Kraft_lebendig zu ers wecken. Diese entzündet sich erst, wie in elektrischer Reibung, durch den unmittelbaren Contact des Ges müthes mit den Gegenständen - und diese fruchtbaren Berührungen mußte der leitende Instinct des Talentes selbst erst aufsuchen sie kamen ihm keineswegs entgegen. Der Enthusiasmus, der kühnen Muthes in die Welt trat, fest entschlossen sich von ihr anregen und immer wieder anregen zu lassen, ohne daß es ihm eben auf eine legte Befriedigung ankam, diese leidenschaftlich erhöhte Stimmung, die sich an sich selbst er. higte und steigerte, und dann erst den Gegenstand suchte, auf den sie ihr innerlich genährtes Feuer werfen und gleichsam übertragen könnte diese fieberartige Begeisterung, wie sie damals durch die Köpfe stürmte, sie mußte sich nothwendig auf das Gefolge der Ironie gefaßt machen, ja zulegt bei jedem Genuß, mitten in dem Weihemoment der Inspiration den Geist der Verneinung in sich selbst entdecken. Dies ist das Schicksal feder halb oder völlig bewußten Exaltation: nur die naive, unbefangene Begeisterung hat Ruhe vor der Fronie. Die forcirte Jugendlichkeit des Faust'schen Dranges, der in der Zeit lag, war und blieb an jenen bösen Geist gefesselt und wenn sich das stür

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mende Genie im Moment der schönsten Erhebung um sah, da stand die mephistophelische Frage der Verneirung unheimlich, beänstigend hinter ihm.

Faust und Mephistopheles! In diesem vielbedeu= tenden Paare sehen wir also gleich den getheilten Geist, das Doppelwesen dieser Literaturepoche vor Augen. Versuchen wir es nun, auf ihre Entwicklung im Besonderen einzugehen.

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Wenn die Doctrin Gottsched's auf dem Steckenpferde der äußeren Regelrichtigkeit ritt, wenn Lessings Kritik ihr die innere Gesezmäßigkeit der Poesie gegen= überstellte, so wollte man jezt in Sachen der Dichtung und des Geschmacks gar keine Abstractionen gelten lassen. Natur, Ursprünglichkeit, Originalität waren die Schlagwörter der neuen Richtung ein Genie hieß Jeder, der den Muth hatte, das Dichterpferd ohne Sattel und Zaum zu reiten, mochte er immerhin bei dem wilden Ritte auch abgeworfen werden. Im Gegensaz zu jener „Nachahmung der Natur", die, ohne jede Natur betrieben, ein Hauptaugenmerk der früheren Dichterei und Künstlerei war, ist jezt das Bestreben darauf gerichtet, Natur in sich selbst zu erwecken, und die Poesie als die Ergießung einer ursprünglichen, schöpferischen Kraft aus dem Inneren hervorbrechen zu lassen. Ein Moses nach dem anderen trat mit Prophetengebärde heran, und schlug mit dem Stab an den Felsen. Der Krug zerbrach, mit dem die Nachahmer so lange zu Wasser gegangen waren, um

aus fremden Brunnen zu schöpfen; nun fing das Quellensuchen und Brunnengraben auf eigenem Grund und Boden an, mochte auch immerhin der erste Erguß oft trüb und schlammig aus der Tiefe hervorquellen.

Leffing wollte die Poesie noch als Kunst aufgefaßt wissen, und darum galt ihm noch die wohlverstandene Regel etwas; von dieser ganz absehen, war ihm so viel, als von den Dichtern verlangen, daß Jeder die Kunst auf's Neue für sich erfinden solle. Die Kunstregel sah er als den Gewinn einer langen Reihe von Erfahrungen an, die ganze blühende Kunstperioden durchge= macht haben, und die wieder von vornan durchzumachen man sich ersparen könne, wenn man die Regel mit Einsicht und Verständniß zu benügen wisse. Da wo die Dichtkunst einen Gipfel erreicht hat, von dem es sich, wie es Aristoteles in seiner Poetik that, frei und weit umherschauen läßt, da haben die Späteren für die Dauer ihrer Lehrzeit sich das Richtmaß der leitenden Regel zu holen. Jeßt faßte man die Sache anders — und nachdem Lessing kaum noch den Leuchtthurm seiner Dramaturgie auf jenem Grunde fest und sicher in die Höhe gebaut, schlug schon an seine Fundamente die brandende Woge der neuen Richtung an. Nicht als Kunst, mehr als eine Art von Offenbarung, von Orakel und Prophetie wurde nun die Poesie aufgefaßt; da gelte die Inspiration Alles, das Erfahrungswesen und die empirische Kunstregel nichts; nicht auf der hellen Mittagshöhe der Kunstdichtung, sondern in dem mystischen Morgengrauen der Natur- und Volkspoesie sei das wahre Wesen der

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