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trägt, und die kalte Brust dem kalten Eisen heroisch darbietet, macht nun die sympathische Schuld dieser Magdalenengestalten, die jegt in die Literatur einziehen

dieser schönen Büßerinnen mit niedergeschlagenen Augen, die menschlich fehlten, und denen viel verziehen wird, weil sie viel geliebt haben! Nicht lange mehr, und Faust's Gretchen tritt in die Mitte dieser Gestalten - als die Krone und die Vollendung derselben, bei der der begreiflichste Fehltritt des Weibes mit aller Glorie der Anmuth, mit aller warmen Fülle der Liebe verklärt ist, die der kalten, wohlafsecurirten Tugend für immerdar abgeht.

Den weiblichen Figuren von Lenz fehlt zum Gretchentypus fast durchaus noch jene ideale Naivetät, deren Hauch diese schönste Blüthe deutscher Dichtung umathmet; sie haben viel zu viel derbe, aus bestimmten Lebensfreisen gegriffene Wahrheit an sich, um für eigentlich poetisch gelten zu können. Am meisten nähert sich noch jenem Typus eine Gestalt aus einer novellistischen Dichtung von Lenz; es ist Marie, die Tochter des Dorfschulzen in der Erzählung: 3 erbin oder die neuere Philosophie" (1776). Keine verzogene Bürgerprinzessin also, wie das „Marieel" in den „Soldaten," sondern ein Mädchen aus dem Volke; an jungfräulichem Reiz eine Blume, duftend und rein, aber zu nahe an den Weg gepflanzt, um nicht Gefahr zu laufen, daß sie zu ihrem Schaden gepflückt werde und hinwelke. Der Dichter schildert sie als ein schlankes rehfüßiges, immer heiteres und lustiges Mädchen. Ihre Gutherzigkeit war ohne Gränzen; ihr Gesicht nicht fein,

aber die ganze Seele

malte sich darin. Lesen mochte sie nicht, aber desto lieber tanzen, welches ihre Lebensgeister in der ihr so unnachahmbaren Munterfeit erhielt. Selbst ihr gewöhnlicher Gang war fast ein beständiger Tanz, und wenn sie sprach, jauchzte sie, nicht um damit zu gefallen, sondern weil das herzliche innerliche Vergnügen mit sich selbst und ihrem Zustande feinen andern Ausweg wußte." Dieses reizende Geschöpf nun verliert seine Unschuld an einen geistig überlegenen, aber innerlich haltlosen und zerrissenen Menschen, dem zum Faust freilich noch viel mehr fehlt, als ihr zum Gretchen. Der Moment des Ausgleitens ist mit hoher psychologischer Wahrheit geschildert. „Wie vieles kommt auf den Augenblick an,“ fügt Lenz sehr nachdrücklich bei, zu wie vielen schrecklichen Katastrophen war nur die Zeit, die Verbindung oft kleiner unwichtig scheinender Ursachen die Lunte! Ach, daß unsere Richter auch dies auf die Wagschale legten, nicht die Handlung selbst, wie sie in's Auge fällt, sondern sie mit allen ihren Veranlassungen und zwingenden Ursachen richteten, ehe sie sie zu bestrafen das Herz hätten!" Marie muß ihren Fehl fürchterlich büßen. Sie bringt heimlich ein todtes Kind zur Welt, wird also nicht, wie das Gretchen im Faust" zur Kindesmörderin aber der Dichter will von einem grausamen Geseze wissen, nach welchem verhehlte Schwangerschaft allein hinreichte, einer Weibsperson das Leben abzusprechen. So wird sie denn zum Tode verurtheilt. Die Scene im Gefäng= niß, wo sich ihr Vater, der Dorfschulze, auf eine zerbrochene Tonne niedersegt, und durchaus den Vater

des Kindes erfahren will, den sie bis an's Ende edel finnig verschweigt, gehört zu dem Ergreifendsten, was man lesen kann.*) Trog allem Antheil, den das Schicksal des Mädchens erweckt, bleibt die Justiz bei ihrem Spruch sie wird enthauptet. Sie stand auf dem Schaffot," sagt der Dichter sehr bezeichnend für seine Anschauung, etwa wie eine von den ersten Befennerinnen des Christenthums, die für ihren Glauben Schmach und Martern getrost entgegensahen.“ Da wo die Welt roh und kaltherzig straft, erblickt er nur das reine Martyrium der Liebe.

Es lag einmal in der Zeit und der neuen Richtung der Empfindung, von Lenzen's "Zerbin" an bis auf Schiller's Kindesmörderin" hinab, Stoffe dieser Art in die Poesie einzuführen, die nun wie Christus bei dem Falle mit der Ehebrecherin, die rein menschliche Theilnahme laut aufrief, und gegen das Pharisäerthum der öffentlichen Schicklichkeit entschieden Front machte. Unter diesen Umständen kann ich es nicht begreifen, was für ein Unrecht Wagner an Göthe begangen haben soll, indem er, ehe noch etwas vom Fauft bekannt wurde, ein Trauerspiel: „Die Kindesmörderin“ schrieb und veröffentlichte.**) „Ich erzählte ihm", theilt Göthe in ,,Dichtung und Wahrheit“ mit, „meine Absicht mit Faust, besonders die Katastrophe von Gretchen. Er faßte das Sujet auf, und benügte es für ein Trauerspiel, „Die

*) Siehe: Schriften von Lenz, III. Bd., S. 166.

**) Es erschien zu Leipzig 1776; dieselbe Jahreszahl ist auch dem,,Zerbin in der Tiec'schen Ausgabe vorangefeßt.

Kindesmörderin." Es war das erste Mal, daß mir Jemand etwas von meinen Vorsägen wegschnappte; nachher habe ich dergleichen Gedankenraub und Vorwegnahme noch oft genug erlebt" sc. Ein eigentlicher Gedankenraub liegt hier kaum vor; das von Wagner vorweggenommene Motiv ist eben nichts wie jene alte Geschichte, die ewig neu bleibt, auf hundertfache Art behandelt werden kann, und damals gerade an der poetischen Tagesordnung war. Von einer Entwendung fann nur da die Rede sein, wo es sich um eine eigent= liche Erfindung, um eine originelle Fabel oder Verwicklung handelt; eine solche liegt aber dem Gretchen-Roman nicht zu Grunde, und ich wüßte fürwahr nicht, was Göthe Wagner'n Besonderes daraus hätte erzählen können, da doch alle Wirkung hier nur in der Psychologie, in der Schilderung der Seelenzustände und Affecte liegt. Uebrigens soll das Wagner'sche Stück, das ich nicht zu lesen Gelegenheit hatte, poetisch werthlos, trivial und roh sein; der Titel einer späteren Bearbeitung: „Evchen Humbrecht, oder: ihr Mütter merkt's euch" führt schon den Geleitschein der Bänkelfängermoral ausdrücklich mit sich. Göthe hätte also um so weniger diese verunglückte Concurrenz zu scheuen gebraucht.

Ich komme nun schließlich noch auf diejenigen Stücke von Lenz zu sprechen, die zu seinem eigenen Seelenleben, zu seinen Herzenserfahrungen in der unverkennbarsten Beziehung stehen, und wie oben bemerkt wurde, die volle Bedeutung von dichterischen Selbstbekenntnissen haben. Wenn auch nicht wie bei

Göthe, Briefwechsel und Annalen all' jene Bezüge belegen, so merkt man es doch hinreichend an dem hohen Hizgrad der erregten Stimmung in diesen Productionen, wie sehr der Dichter mit seinem eigensten Selbst daran betheiligt war.

In dem Stücke die Freunde machen den Philosophen“ senken sich schon die Schatten der Schwermuth, der Muthlosigkeit lang und schwer hinab. Strephon, ein junger Deutscher, der aus philosophischen Absichten" reist, ist wohl niemand anderer, als der Dichter selbst. Er hat in der Fremde an seinen neugewonnenen Freunden die bittersten Erfahrungen gemacht; sein bestes Wesen hat er an sie weggeschenkt, nur sein Schatten ist ihm geblieben, über sich selbst zu trauern. „Ich bin Allen Alles geworden, und bin am Ende nichts" - so klagt er dem Arist, einem Vetter aus der Heimath, vor. „Meine Kräfte sind verbraucht, das Del der Lampe ist verzehrt. Alle meine Kenntnisse, meine Vorzüge sind in fremden Händen, es ist nichts mein geblieben, als der Gram über ihren Verlust. Ihr fragt wohl, was meine Freunde mir zu Leide gethan? Das eben ist's sie haben mir nichts gethan weder Liebes noch Leides, aber sie verlangten immer nur Dienste von mir. Wirkung ohne Gegenwirkung erstirbt endlich, all' meine Liebe war wie ein Mairegen, der auf einen kalten Felsen gießt, und dem nicht ein einziges belohnendes Veilchen nachkeimt... hätte ich nur so viel Kraft noch übrig, böse zu scheinen; aber ich habe sie nicht! All' meine Fasern sind durch die lange Uebung so biegsam gewor

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