ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

"

in Frankfurt noch auf keine Weise gestört, mag jedoch bald erkaltet sein; als er später auch nach Weimar kam, paßte er Göthe'n nicht mehr dahin; er war ihm dort wie ein Splitter im Fleisch, der schwürt und sich herausschwüren wird." Die harte Heterogenität seines Wesens, wohl auch ein gewisser plebejischer Troß gegenüber dem stets vornehmer werdenden Dichter - Aristofraten, trat wohl allzu schroff hervor; „Klinger fann nicht mit mir wandeln," schreibt Göthe an Merck,,,ich hab's ihm gesagt, darüber er außer sich war und's nicht verstund, und ich ihm's nicht erklären konnte noch mochte." Es war doch auch zu stark, daß Klinger bei den Schießübungen, wie sie gewöhnlich im Gange des herzoglichen Wohnhauses stattfanden, einmal Göthe's Portrait zur Zielscheibe hinstellte, nach welchem denn auch wirklich geschossen wurde! In Weimar ging Göthe auf solche muthwillige und ausgelassene Scherze nicht mehr so leicht ein, wie früher in Straßburg, in Frankfurt oder Weglar.

Schon früher hatte die Seyler'sche Truppe Klinger als Theaterdichter beschäftigt, nachdem er sich durch sein Trauerspiel die Zwillinge" einen Namen gemacht; nun da er in Weimar den Abschied bekommen, trat er wieder in die frühere Stellung zurück. Der nüchterne Nicolai bemerkt hämisch über dieses erneuerte Engagement: „Erst wollte Klinger in der Geschwindigkeit die Artillerie lernen, um nach Amerika zu gehen, und da mit Thatkraft die Freiheit zu verfechten. Er änderte aber kurz seinen Entschluß, und blieb bei Seylern, um Trauerspiele oder vielmehr Mordspiele zu

[ocr errors][merged small]

schreiben." Diesem Spott zum Troß machte Klinger mit der Rüstigkeit, die in ihm lag, sich mit dem Leben einzulassen, gar bald seine Carriere. Es war seinem Wesen fern, an Verstimmungen und Enttäuschungen, gleich Lenz, ohne Widerstand hinzusiechen; was für diesen cine Todeswunde war, für ihn war es nur eine leichte Schramme; die Püffe und Stöße des Schicksals stählten in ihm nur die trogende, wagende Kraft, die ihn, der sich aus niederer Sphäre emporgearbeitet, von Anfang an hob und mit Zuversicht durch's Leben weiterhalf.

Das Soldatenblut seiner Herkunft regte sich wieder in ihm; im baierischen Erbfolgekriege 1778 trat er in österreichische Militärdienste; nach dem Teschener Frieden finden wir ihn bei Schlosser in Emmendingen, dann bei Kayser, Hagenbach und Sarasin in der Schweiz. Nicht lange, da reist er mit württembergischen Empfeh= lungen nach Rußland ab, tritt dort in's Marinebataillon ein, und begleitet dann als dienstthuender Officier den Großfürsten Paul auf einer Reise nach Italien und Frankreich. In Rom macht er auf Heinse den Eindruck eines vornehmen, blasirten Russen; so viel Welt, die an ihn herantrat, hat ihn in kurzer Zeit gründlich verändert. Nach Rußland zurückgekehrt, steigt er von Stufe zu Stufe, verheirathet sich, wie man wissen will, mit einer natürlichen Tochter der Kaiserin Katharina, wird. 1796 Generalmajor, 1811 Generallieutenant, und stirbt in ehrenvollem Ruhestand und hohem Alter 1831 zu Dorpat.

Wenn wir Lenz und Klinger entgegenhalten, welche verschiedene Lebensbahnen und Geschicke, von so nahe

liegenden Punkten auslaufend, stellen sich uns dar! Beide waren gleichzeitig, in ihrem Jugendstreben scheinbar innig verwandt; Lenz aber, um Göthe's Wort zu wiederholen, zog als ein vorübergehendes Meteor nur augenblicklich über den Horizont der deutschen Dichtung hin und verschwand plöglich, ohne im Leben eine Spur zurückzulassen Klinger hingegen, als einflußreicher Schriftsteller, als hochgestellte Persönlichkeit im Staat, behauptete sich dauernd und mit Erfolg im Leben wie in der Literatur. Beide theilten die Richtung jugendlichen Ungestüm's und traten revolutionär gegen die poetischen Convenienzen auf aber es war Sturm und Drang von verschiedener Art. Bei Lenz, dem mehr weiblich angelegten Jüngling, wühlte sich die Leidenschaft in's Innere hinein, und nagte und zehrte an seinem Gemüth; Klinger's rüstige, aber auch nüchternere Natur drängte sie nach Außen und machte ihr gelegentlich in tollen Kraftproducten Luft, ohne daß die qualmende Flamme des Affectes sein eigenstes, inneres Wesen umdüstert hätte. Jener war durchaus nicht im Stande, Plan und Absicht in sein Leben zu bringen, und den traumhaft umnebelten Blick für die Dinge der Welt zu schärfen; dieser besaß bei aller Poetenleidenschaft, die er mit der ganzen Epoche theilte, eine ge= wisse kalte, practische Berechnung, bei aller nur mehr äußerlichen Phantastik einen klaren, besonnenen Weltsinn, der sich rasch zurechtzufinden, günstige Umstände schnell für sich zu benügen verstand. So verlor sich das Leben des Einen, durch innere Kämpfe aufgerieben, in die Schatten cimmerischer Nacht, das des Anderen ar=

[merged small][ocr errors]

beitete sich auf zu der hellbeschienenen Höhe äußern Glücks, das freilich durch Erkältung des Gemüths, durch Ernüchterung der Phantasie erkauft war

In Klinger's Individualität ist die poetische Begabung nur eine Seite, die ihn nie ganz ausfüllt, und mit zunehmender Welterfahrung zwar maßvoller wird, aber auch verarmt. Ein unternehmender, auf das Leben gerichteter Drang tritt bei ihm von Anfang an hervor, und klingt auch in seinen Dichtungen an; sagt er doch einmal selbst, es sei ihm bei allen seinen Schreibereien um nichts Anderes zu thun, als in einer vorgestellten Welt zu leben, wenn er's nichtthätig in der wirklichen könne." So lange ihm das practische Leben keinen Stoff darbietet, abenteuert er in der Phantasie und erträumt sich ein Feld für Leidenschaften und Thaten; sobald er aber das Leben erfahren und durchgemacht, bleibt ihm für die Dichtung kein anderer Inhalt mehr übrig, als nüchterne Beob= achtungen, Verstandesreflerionen, kalte Ergebnisse der Welt- und Menschenkenntniß. Seine ganze Natur war mehr äußerlich und weltlich angelegt; er war zum mindesten ebenso sehr ein practisches wie poetisches Talent. Seine dichterische Kraft, obgleich höchst gewandt, beweg= lich, nach verschiedenen Seiten hin ausgreifend, hat nicht die geheimnißvolle Tiefe der vollen Ursprünglichkeit an sich; sie gleicht nicht jenen Strömen, die in den Höhlen der Erde verschwinden und dann mit mächtigem Erguß wieder hervorrauschen - es ist von vornan in ihr etwas Absichtliches, Bewußtes, ja beinahe Gemachtes.

-

Tie nennt Klinger beschränkter und fälter" als

Lenz. Man könnte vielleicht Verdacht gegen dieses Urtheil hegen; weiß man doch, wie die romantische Schule sich stark der Ansicht zuneigt, daß man echte, hohe Poesie mehr erleide als schaffe, und die passiven, von der dichterischen Stimmung pathologisch ergriffenen Naturen weit mehr die echte Dichterweihe hätten, als die activen, nach Außen wirkenden Talente. Doch hier hat der Altmeister der Romantik vollkommen Recht. Lenzens Dichtergabe war zugleich sein Schicksal, weil sein ganzer Beruf in Poesie aufging, und er auch an das Leben poetische Anforderungen stellte; bei Klinger wird oft sehr wild darauf losgestürmt, aber es ist dabei immer viel Spectafel und Renommisterei; die Einbildungskraft ist wohl sehr erhigt, aber das Gemüth nicht sonderlich betheiligt. Da es ihm mit dem stürmenden Ungestüm seiner Jugendproducte kein so völliger Ernst war, so konnte er um so leichter im Alter darüber lachen; der russische Generalmajor erkannte nichts mehr davon an, was meist der Pädagogschüler in Frankfurt und der Studiojus in Gießen geschrieben. Klinger ist beinahe schon jenen Schriftstellern beizuzählen, die mehr dem, was in der Zeit, als was in ihnen selbst liegt, einen Ausdruck zu geben sich beeilen; er weiß sich, wie Gruppe etwas schroff, aber nicht unrichtig über ihn bemerkt, auch Fremdes schnell anzueignen und es wirksam zu verarbeiten, schwimmt mit dem Strom, geht den Neigungen des Publicums nach, und dies ohne festen, künstlerischen Halt. Alles ist bei ihm stark aufgetragen, aufgesteift, mehr Streben nach Kraft als wirkliche Kraft; in seinen Erstlingsstücken herrscht etwas Desperates, ja selbst Kan

[ocr errors][ocr errors][ocr errors][ocr errors][ocr errors][ocr errors]
« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »