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sie in der Fremde spielen, eine heimathliche Färbung; dieser läßt seine Phantasie in die Ferne schweifen und sucht seinen Kraftmenschen in Italien, Spanien, Amerika eine ihrer würdige Umgebung aus. Lenzens Hauptgestalten haben Alle einen Leidenszug; sie schaffen sich nicht das Leben, sondern erdulden es, werden von der Wirklichkeit ergriffen, statt in sie einzugreifen. Klingers Helden möchten immer handeln, doch ohne zu wissen was, sich mitten durch die Welt eine Bahn sprengen, doch ohne zu wissen, wohin. So ließen sich die Gegensäge noch weiter verfolgen, aber das Ergebniß bliebe immer dies: beide Dichter blieben gleich weit von jener Mitte entfernt, aus der das Drama gefaßt werden muß, um die verschiedenen Seiten des Lebens in sich zu einigen und organisch zu durchdringen. Die Zeit selbst war für die Umbildung und Erweiterung des Drama's noch nicht reif; sie war zu frankhaft individuell, zu sehr in subjectiven Stimmungen befangen, um den freien Weltblick für das Drama zu gewinnen; nicht einmal der Gög, sondern der Werther wurde das Hauptwerk dieser Epoche, ein deutliches Zeichen, wo eigentlich der Schwerpunkt ihrer Empfindungs- und Anschauungsweise lag. Erst im Anfang der 80ger Jahre war es Schillern vorbehalten, den aufgege= benen Versuch der Stürmer und Dränger mit größeren Tendenzen, in veränderter Richtung zu erneuern und nun erst die Hauptströmung der deutschen Literatur entschieden in das Bett des Drama's zu leiten. Subjectiv und leidenschaftlich erregt, wie jene, beginnt aber sein Pathos hat von Anfang an einen

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objectiven, auf das Allgemeine gerichteten Gehalt; es sind „der Menschheit große Gegenstände“, durch die er, wenn er sie auch mehr rhetorisch als poetisch ergreift, doch das Drama, die Tragödie sogleich in die ihnen gebührende Sphäre emporhebt. Göthe, zu dessen Darstellung wir nun übergehen, war in erster Reihe Dichter im uneingeschränktesten Sinne des Wortes, nicht speciell Dramatiker. Sein Reich ist die ganze Poesie bis an ihren fernsten Horizont; erobernd ging sein Geist in's Weite, statt sich in eine einzige Form, sei es auch die bedeutendste, vorwiegend zu vertiefen; das Drama ist nur eine von den verschiedenen Spiege= lungen seiner reichen Individualität, in der wir mehrere ihrer größten Züge, nicht aber ihr volles geistiges Gesammtbild finden. Die Elemente des Dichters, die bei Lenz chaotisch zusammenflossen, bei Klinger starr sich schieden, vereinigte Göthe in sich in jener wunderbar harmonischen Weise, welche mit magischem Zauber die Zeitgenossen rührte, und für immer die Bewunderung der Nachwelt bleiben wird. Diesen Zusammenklang dichterischer Kräfte in seinem Genius zu schildern, soll nun die Aufgabe des nächsten Abschnittes sein.

II.

Göthe unter den Sturm- und Dranggenossen.

A. Allgemeines Charakterbild des Dichters; Hauptzüge seines Entwicklungsgangs. Verhältniß seiner dichterischen Begabung zu den Aufgaben des Drama's.

Es überkommt uns eine eigene, feierlich ernste Stimmung, wenn wir einem Geiste ersten Ranges betrachtend gegenübertreten, und indem wir seine Werke zu beurtheilen versuchen, eigentlich nur eine Selbstprüfung mit dem Maaße unseres eigenen Verständnisses vornehmen. Aus der dämmernden Ruhmeshalle der Literatur, die mit ihren vielen Nischen, Bildnissen und Gedenktafeln halb Tempel, halb Mausoleum ist, treten wir hinaus in's Freie, vor das hochragende Monument des Dichters auf dem Markte, das mitten in der regen Bewegung des gegenwärtigen Lebens dasteht, als Sinnbild seiner fortwirkenden geistigen Gegenwart in den kommenden Geschlechtern.

Wenn man sich Göthe's Wesen recht lebhaft reproducirt, wenn man den so naturgemäßen Entwickelungsgang seines Talents mit der Höhe seiner künstlerischen

Vollendung zusammendenkt - fast möchte man glauben, daß die Hauptstellen in Schillers herrlichen Gedichten: „das Glück" und der Genius" sich direct auf ihn beziehen - auf ihn, wie auf keinen andern deutschen Dichter, unmittelbar zu deuten sind:

Selig, welchen die Götter, die gnädigen, vor der Geburt schon
Liebten, welchen als Kind Venus im Arme gewiegt,
Welchen Phöbus die Augen, die Lippen Hermes gelöset,
Und das Siegel der Macht Zeus auf die Stirne gedrückt!
Ein erhabenes Loos, ein göttliches, ist ihm gefallen;
Schon vor des Kampfes Beginn find ihm die Schläfen bekränzt.
Ihm ist, ehe er es lebte, das volle Leben gerechnet ;

Eh' er die Mühe bestand, hat er die Charis erlangt.

Fürwahrer brauchte dem Triebe nicht zu mißtrauen, der leise ihn warnte, dem Gesege, das die Natur ihm selbst in den Busen geprägt; nicht braucht' er zu warten, bis die Schule auf jene ewige Schrift ihr Siegel gedrücket, und das Gefäß der Formel bannte den flüchtigen Geist! Was er dem innern Orakel gehorchend, aussprach, unterwarf ihm die Geister mit magischer Gewalt einfach ging er und still durch

die eroberte Welt!

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So wirkte er auch auf seine Umgebung bernd, wie ein wunderbarer höherer Mensch. Der Jüngling Göthe kostete die Liebe ohne Neid - eine eraltirte Hingebung fam ihm fast überall entgegen. Wie stürmisch lauten über ihn die bewundernden Ausbrüche Jakobi's und Heinse's, als er bei dem ersteren. in Pempelfort glückliche Tage verbracht! „Man brauche nur eine Stunde bei ihm zu sein," sagt Jakobi, um es im höchsten Grade lächerlich zu finden, von ihm zu

begehren, daß er anders denken und handeln solle, als er wirklich denke und handle. Jede Veränderung zum Schönern und Bessern sei in ihm nur möglich, wie die Blume sich entfalte, wie die Saat reife, wie der Baum in die Höhe wachse und sich kröne." Auch Wieland berauscht sich in Weimar ganz an dem Zauber des herrlichen Jünglings, dieses schönen Herenmeisters mit schwarzem Augenpaar und Götterblicken. „So habe fich nie in Gottes Welt ein Menschensohn ihm gezeigt, der alle Güte und alle Gewalt der Menschheit in sich vereinige, der sø mächtig, unzerdrückt von ihrer Last, alle Natur umfasse, so tief sich in jedes Wesen grabe und doch so innig im Ganzen lebe. Niemand könne so wie er aus den innersten Tiefen der Seele mit solch' entzückendem Ungestüm Gefühle erwecken, die ohne ihn, uns selbst verborgen, schlummerten.“

Und was machte ihn zu diesem Zauberer? die schöne harmonische Individualität, die in ihrer innern Fülle unbegränzt schien, von der man glauben mußte, daß mit dem, was sie gäbe, ihr Reichthum nur wachse! Ihn machte dazu diese entschiedene Kundgebung der innern Natur, die reine Uebereinstimmung des dichterischen Ergusses mit der vollen Persönlichkeit, wie man fie früher in der conventionellen, literarischen Bücherpoesie vergeblich gesucht hätte mit einem Worte: die auf sich selbst gestellte Nothwendigkeit seines ganzen Wesens.

Göthe trat mit offenen Augen und dem besten Bestreben, sich recht viel anzueignen, mit dem Eintritt in die Universität auch an die deutsche Literatur her11

Bayer: Von Gottsched bis Schiller. II.

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