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an. Er sah sich in ihren Bereichen um, wie etwa ein Kunstjünger, der noch wenig gesehen, aber dafür manches um so reger empfunden, sich in einem Bildersaal, in einem Museum umschaut. Bald zeigte es sich wohl, daß das vermeintliche Museum zum guten Theil nur ein Curiositätencabinet war - ausgestopfte Thiere aus der äsopischen Fabeldichtung ganze Herbarien naturbeschreibender Poesien transparente Engel in verblichenen Farben aus der seraphischen Dichtung u. s. w. Aber Göthe ließ sich geduldig mit allen diesen Erscheinungen. ein, und stellte sie erst dann beiseite, nachdem sich durchaus keine lebendige Wirkung einfinden wollte. Kritisch gab er sich über die einzelnen Erzeugnisse der Literatur feine vollständige Rechenschaft er ließ ihnen gegenüber seine Natur frei walten und da sie ihn so sicher zu leiten schien, mochte er zulegt wohl selbst wie Sokrates, an ein Dämonisches in seinem Wesen glauben, das ihm das Rechte zuflüstere, und im Leben, wie in der Dichtung selbst auf seltsamen Nebenpfaden nie ganz den Hauptweg aus den Augen verlieren lasse.

Da sich Göthe an der Literatur nicht sonderlich befruchten konnte - wenige große Leistungen ausgenommen, wie Winkelmanns Schriften, Lessings Laokoon und dessen Minna von Barnhelm, die ihm um so heller entgegenleuchteten so blickte er mit durstigem Auge nach unmittelbaren Anregungen umher und suchte der Wirklichkeit, dem Leben und der Liebe um so mehr für die Poesie abzugewinnen. Das scharfe Sehen, das sich bei Lessing ganz auf den Kunstverstand, die kritische Einsicht wirft, wendet sich bei Göthe den

Erscheinungen und Verhältnissen zu, die ihn lebendig umgeben. Seine selbstbiographischen Bekenntnisse,,,Dichtung und Wahrheit" betitelt, sind ein reiches Skizzenbuch voll geistreich entworfener Charakterköpfe. Er besaß in höchstem Maße die Fähigkeit, das Leben vielseitig auf sich wirken zu lassen. An sich sind Göthe's Erlebnisse nicht so bedeutend, aber die Art und Weise, wie er sie für feine Bildung zu benugen wußte, das poetische Arrangement und die geistige Verarbeitung seines Lebens, dies ist das Bedeutende daran. Jede Individualität, die ihm entgegentrat, wußte er, wenn sie nur einigermaßen interessant war, in seinen Lebenskreis zu ziehen. Ganz im Gegensag zu Lessing, bei dem freundschaftliche Annäherung oder feindlicher Streit auf Einstimmigkeit oder Gegensag der Principien beruhte, hatte Göthe die größte Toleranz gegen die Gesinnung, wenn nur die Art, wie sie sich in einem bestimmten Individuum als ein echt Persönliches kundgab, etwas Anziehendes, wohl auch nur momentan Anregendes für ihn hatte. So vertrug er sich mit der buntesten Umgebung, mit den verschiedenartigsten Menschen. Jede Ansicht, auch die wunderlichste, ließ er gelten, wenn er nur das Wurzelgeflecht entdeckte, durch das sie mit der innersten Natur eines Individuums zusammenhing. Weniger als das allgemein Giltige im Menschen geiste waren ihm die abweichenden und mannigfachen Formen der Menschen natur beachtenswerth, in denen sich diese ohne Ende, in ewig wechselndem Reichthum darstellt. So wie er in seiner naturwissenschaftlichen Auffassung nicht voreilig von den Erscheinungen zum allgemeinen Geseze

vorzudringen suchte, sondern dieses erst dann aussprach, nachdem er es in mannigfachen Fällen schon ahnend herausgefühlt hatte: so übereilte er sich auch nicht in dem Aussprechen allgemeiner Lebensansichten, und ließ die bunte Mannigfaltigkeit des Daseins sachte und gelassen an sich herankommen. Wenn Lessing und auch Schiller immer bestimmte Ziele ihrer Bestrebungen im Auge hatten, so behielt Göthe eigentlich nichts Anderes im Sinn, als das Leben selbst und seinen natürlichen poetischen Gehalt, der sich an jedem Punkte desselben erzeugt und wiedererzeugt. So hatte er keine Eile, weil er immer das Gegenwärtige fich idealisirte; er wich keiner Episode aus, gab seinem Dasein feine straffe Anspannung, und ließ es gleichsam in epischer Breite sich ruhig und allmälig aufrollen. Wenn man aber so seinem eigenen Leben mehr zusieht, als es nach bestimmten Zwecken bildet und gestaltet, so muß sich natürlich auch eine gewisse Schicksalsanschauung, ein leiser Anklang von Fatalismus mit einstellen. Auch an diesem fehlt es bei Göthe nicht; und er spricht oft genug in fast antiker Weise von der unerforschlichen Gewalt des „verehrungswürdigen" Schicksals, ganz nach der Art jener Naturen, die sich von dem Drang der Stimmung und dem Einfluß halbdunkler Lebensbeziehungen mehr leiten lassen, als von der selbstbe= wußten, straffen Energie des eigenen Willens.

Da Göthe's ganzes Wesen darauf angelegt war, Alles was ihm wahrhaft eigen sein sollte, als ein Lebendiges anzuschauen, nicht als einen todten Begriff zu erfassen: so hielt er sich die Abstraction möglichst

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vom Leibe, die Alles rasch in Ordnung bringt, endgiltig erledigt, aber auch durch den Reichthum des Lebens einen großen schwarzen Strich zieht. Er suchte lieber auf einem Umweg zur Wahrheit zu kommen, nur um das Leben, das in der Mitte liegt, nicht einzubüßen. Man kann nicht sagen, daß er seine Irrthümer durch theoretische Ueberzeugung überwand; er machte sie durch, wie man eine Krankheit übersteht, seine Natur stieß sie zulegt aus sich heraus, und stellte sich so, wie durch eine wohlthätige Krisis, in sich selbst wieder her. Es ist daher so ganz aus Göthe's Subjectivität geflossen, wenn er gegenüber dem abstracten, blos theoretischen Wahrheitsdrange, der die Wahrheit nur ergrübeln, aber nicht erleben möchte, im „Faust" die Berechtigung des Irrthum's bei dem strebenden Menschen vertritt. Das Wort: „Es irrt der Mensch, so lang' er strebt" ist durch das andere erklärt und gerechtfertigt:

,,Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
3ft sich des rechten Weges wohl bewußt!"

Gerade so, wie ich ihn jezt zu schildern versuchte, war der Jüngling Göthe ganz dazu angethan, die Welt mit sich fortzureißen, und alle besseren Geister seiner Nation zu schönerem Leben anzuregen; in der Stimmung, die ihn damals emportrug, war ihm Alles gegeben, um das Höchste zu erreichen. Von der conventionellen Poesie hatte er sich halb und halb schon in Leipzig in heiterer Weise emancipirt, als er über die Leiter auf den Parnaß sich lustig machte, die sich

Professor Clodius aus griechischen und römischen Wortsproffen zusammenzimmerte. Die Betrachtung des be= wegten Lebens, das er mit seinen Genossen selbst so gern führte, die psychologische Ergründung der Leidenschaften, die er in sich selbst theils empfand, theils ahnte, wurde nun auch das Studium des Dichters. Der Religion und den wichtigsten metaphysischen Fragen gegenüber bildete er sich eine aus Glauben und Schauen entsprungene Ueberzeugung, die er seinem sittlichen und literarischen Lebensbau zu Grunde legte, und noch in spätern Jahren als ein wohl angelegtes reichlich wucherndes Capital ansehen durfte. Während er sich der deutschen Literatur entfremdet fühlte, wendete er sich in seinem autodidaktischen Kreisgange den geliebten Alten zu, die noch immer, wie ferne blaue Berge, deutlich in ihren Umrissen und Massen, aber unkenntlich) in ihren Theilen und innern Beziehungen, den Horizont seiner geistigen Wünsche begränzten, aber ihm bald näher und näher rücken sollten. Das homerische Licht ging ihm in neuer Weise auf: nicht als eine Offenbarung der Kunst, sondern der reinen Natur. Er sah in jenen Epen nicht mehr, wie man es vom Heldengedichte nach der schulmäßigen Auffassung zu erwarten pflegt, ein angespanntes und aufgedunsenes Heldenwesen, sondern die abgespiegelte Wahrheit einer uralten Gegenwart, und suchte sich dieselbe nun möglichst heranzuziehen. Durch Herder insbesondere wurde er in Straßburg mit der Poesie von einer Seite bekannt, die seinem ganzen auf Ursprünglichkeit gerichteten Wesen auf's Innerste zusagen mußte. Die hebräische

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