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Lesedramen durch die psychologische Feinheit ihres Dialog's, durch die zarte Schönheit ihrer poetischen Durchführung ganz nur auf eine geistige Wirkung berechnet ; auf der Bühne treten fast nur ihre Theatermängel hervor, ihre Vorzüge verschwinden aber da etwa so, wie die Farbenharmonie eines Staffeleibildes in einer Entfernung, in der nur der feckere Pinsel des Decora tionsmalers wirken kann. Selbst der derber angelegte Gög konnte nur mittelst gewaltsamer und zerstörender Verkürzungen und Aenderungen gegeben werden, die der Dichter später mit großer Schonungslosigkeit an diesem genialen Jugendwerk selbst vornahm; bei Faust, wo Göthe es gar nicht auf die Bühne absah, zeigte es sich nachher nur wie durch Zufall, daß diese wunderbaren scenischen Bilder, obgleich ihnen der strenge Zusammenhang fehlt, doch immerhin zu einem aufführbaren Stücke zusammengeschoben und verkittet wer= den könnten.

Der Mangel an Anspannung für einen bestimmten Zweck, das holde Irren und Schweifen, das durch Göthe's Leben geht, theilt sich auch seinen Helden mit. Sowie auch seine Sache nicht das thätige, umgestaltende Eingreifen in die Verhältnisse, sondern ein behutsames Durchsteuern durch die Wogen des Lebens war, so sind feine Helden gleichfalls nicht thätig und handelnd, sondern bestimmbar und von Außen bestimmt; ein gewisses Sich-gehen-lassen ist ihnen Allen eigen. Scheint mir die Sonne heut, um das zu überlegen, was gestern war? und um zu rathen, zu verbinden, was nicht zu errathen, zu verbinden ist - das Schicksal eines fom

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menden Tages?" Dieses Wort Egmont's ist ein echt Göthe'sches Bekenntniß; ebenso jenes andere: „Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unseres Schicksals leichtem Wagen durch, und uns bleibt nichts, als muthig gefaßt, die Zügel festzuhalten, und bald rechts bald links vom Steine hier, vom Sturze da, die Räder wegzulenken. Wohin es geht, wer weiß es? Erinnert er sich doch kaum, woher er fam." Aber diese geniale Plan- und Sorglosigkeit, dieser nachtwandlerische Gang durch's Leben geziemt nicht dem dramatischen Helden; er soll wissen, wohin es geht, und die Stichworte seiner Lebensrolle, bei denen er einzutreten hat, im Kopfe haben. Ueberall läßt sich die undramatische Qualität der Helden Göthe's mit Leichtigkeit nachweisen: so Clavigo's schwankende Unentschlossenheit, Orest's muthlose Melancholie, Jphigeniens lautere Scheu vor dem Conflict und der Schuld, Tasso's träumerische Eraltation. Dies sind durchwegs Dispositionen, die nur ein leidendes, nicht ein thätiges Verhalten zur Welt bedingen. In den Grundzügen zu einer Untersuchung über epische und dramatische Dichtung, die Göthe gleich nach Vollendung von „Hermann und Dorothea" entwarf, stellt er wohl den Hauptunterschied auf: das Epos habe den auß er sich wirfenden Menschen in seiner Thätigkeit, die Tragödie den nach innen geführten Menschen in seinem Leiden vorzustellen. Dazu wäre aber hinzuzufügen : die echte Tragödie müsse ein Leiden schildern, welches Rückschlag und Folge eines Thun's ist, nicht aber das reine, pathologische Leiden, die bloße thatlose Pas

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sivität. Man sehe nur genau nach: in keinem Stücke Göthe's giebt die freie That den Anstoß, immer nur ein Ereigniß, das von Außen kommend, einen bestehenden Zustand aufrüttelt, Krisen im Gemüthe hervorruft, und endlich die Wolke des Geschickes hinabzieht oder eine ausgleichende Lösung ermöglicht. In „Clavigo" muß Beaumarchais, in Egmont" Alba, im "Faust" Mephistopheles, im „Tasso" Antonio später erscheinen und hinzukommen, um Bewegung in den ruhenden Zustand zu bringen, der sonst selbst keinen Gährungsstoff dramatisch fruchtbarer Elemente in sich trüge. Die Katastrophe so äußerlich eingeleitet, erfolgt daher auch nicht nothwendig; der Ausgang kann so oder auch anders fallen. Bei „Clavigo" ist der tragische Schluß mit Willkür und Gewaltsamkeit herbeigezogen, indeß der wirkliche Clavigo noch ruhig fortlebte ; Gög endigt tragisch, aber gegen die Geschichte; Tasso endigt gar nicht, oder vielmehr ist dieses fragmentarische Schauspiel nur der erste Act von der Lebenstragödie des historischen Tasso; von der Stella ist es bekannt, daß Göthe später mit wenigen Federstrichen den befriedigenden Ausgang, der aber das sittliche Gefühl des Publicums durchaus nicht befriedigte, in einen tra= gischen umwandelte. Eine solche Zufälligkeit des Ausgangs ist nichts weniger als dramatisch, auch nicht einmal episch, höchstens romanhaft. Doch auch in dem ganzen Gang der Entwicklung hielt Göthe keineswegs an dem Wesen des Dramatischen fest. Er wußte sehr wohl, es sei eine Haupteigenschaft des epischen Gedichtes, daß es immer vor und zurück

gehe, während das Drama Alles nach vorwärts dränge und schiebe; aber wie verfuhr er in seinen eigenen dramatischen Dichtungen? Man vergleiche nur beispielweise den ersten Monolog der Iphigenia, oder den Egmonts im Kerker mit einem beliebigen Selbstgespräch Shakespeare's. Während wir bei dem legteren jedesmal einen Entschluß keimen, etwas Zukünftiges entschieden heranrücken schen, wird dort der gegenwärtige Zustand ganz contemplativ mit einem entschwundenen verglichen, zu dem sich das Sinnen und Denken in schön empfundener Klage zurückwendet; bei Shakespeare ist alles Drang nach neuem Geschehen, bei Göthe betrachtendes Verweilen bei der Vergangenheit. Ist auch dies wohl dramatisch? Iphigenia blickt zurück nach den Hallen des Vaterhauses, wo sie in hoffnungsfroher Kindheit neben den Geschwistern aufwuchs, Oreft nach den Tagen kühnen Jugenddrangs, wo er noch von großen Thaten träumte, Fauft nach der Sabbathstille, die ihn, den betenden Knaben umfing, Göz nach der Zeit, wo noch wackere Fürsten mit Rittern und Volk sich friedlich vertrugen, die Bürger in „Egmont“ nach den besseren Tagen, da ihre Privilegien blühten ; Alle sind sie auf ein Vergangenes bezogen, sie sinnen, träumen und denken, aber sie wollen nichts Bestimmtes, die Zukunft kommt über sie, zu ihrem Schrecken, oder ihrer Erlösung, als ein unerwartetes, überraschendes Geschick. So blickte der Dichter in seine Welt, so schaute er auch diejenige an, die außer ihm lag, und stellte die Menschen, die er schilderte, zu ihr in ein gleiches Verhältniß.

Aus dem lyrisch-subjectiven Kern der Göthe'schen Charaktere, aus der psychologischen Detailarbeit in der Durchführung ihrer Seelenzustände ergiebt sich von selbst das andere Moment, das ich bereits berührte, nämlich die epische Ausbreitung, die allzuruhige Haltung des Ganzen, der Stillstand oder das nur stoßweise Fortrücken der Begebenheiten. Wenn Göthe's epische Composition so musterhaft war, daß Wilhelm von Humboldt in seiner berühmten Abhandlung über „Hermann und Dorothea" daran überhaupt das Compositionsgesez des Epos entwickeln konnte: so ist die Anordnung seiner Stücke dagegen um so undramatischer; man sieht deutlich, daß er einen Stoff, aus dem er ein Schauspiel machen wollte, unwillkürlich auch durch das Medium der epischen Form ansah. So hat sich Göthe die Form des Drama's nach den Bedingungen seiner künstlerischen Natur in einer Weise zurechtgelegt, die gegen die concise mustergiltige Form Lessings eigen= thümlich contrastirt, obgleich er den reichsten dichterischen Inhalt in dieses willkürlich umgebildete Gefäß gegossen. Wie sollen wir aber diese specifisch Göthe'sche Form bezeichnen? Ich glaube, indem ich hier wieder Tiecks Bezeichnung aufnehme: theils als dialogisch aus= geführte, psychologische Novelle, theils und dies gilt von den größeren dramatischen Werken - als einen, in eine ganze Scenenfolge aufgelösten Roman. Neben der Novellette: „Die Geschwister" sind: „Clavigo," "Stella," in einem höheren Sinn auch „Taffo" so eigentlich dialogisirte psychologische Novellen. Der Conflict ist hier überall ein innerlicher, geht nicht in

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