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kennen (denn diese Scene ist aus dem Memoire fast wörtlich übertragen) eine beschämende, schriftliche Erklärung ab. Es geschieht in Gegenwart seiner Bedienten, die freilich diese moralische Ohrfeige nicht klatschen hören, da sie das französisch geführte Gespräch nicht verstehen. Beaumarchais spricht die Absicht aus, die Erklärung Clavigo's durch den Druck zu verbreiten, wenn Marie nicht anders entscheide. Diese thut freilich so, als ob sie von Clavigo nichts mehr wissen wolle; dennoch erhält der legtere die Erlaubniß, in Abwesen= heit des Bruders, der eben bei dem französischen Gesandten in Aranjuez zu thun hat, Mariens ältere Schwester besuchen zu dürfen. Der Gesandte warnt inzwischen Beaumarchais, nicht zu schroff gegen Clavigo vorzugehen; verstimmt darüber, kehrt dieser nach Madrid zurück. Bald aber tritt er mit Clavigo im freundschaftlichen Verkehr; legterer versichert ihn seiner Reue und der Liebe, die er noch immer für Donna Maria empfinde, ja er unterzeichnet sogar, als sie sich einer Verbindung auf's Neue geneigt zeigt, ein förmliches Verlöbniß. Doch mit einem Male beugt er wieder aus er behauptet, es circulire in der Stadt jene Er flärung, die er an Beaumarchais gegeben, und will den Umgang abbrechen. Dieser eilt zu ihm, verspricht. ihm jede Rechtfertigung, und der Hochzeitstag wird. festgesezt. Nun aber hat Clavigo seine Wohnung verlassen, und ist nur mit Mühe aufzufinden. Endlich scheint es doch zur Unterzeichnung des Ehecontracts zu kommen: da stellt sich plöglich eine Duenna ein, die auf Grund eines früheren Eheversprechens, das ihr

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Clavigo gegeben, Einsprache erhebt. Dieser entschuldigt sich, versichert, daß er an dem höchst unangenehmen Vorfalle keinen Antheil habe bald aber ist er wieder unsichtbar geworden und vor den Besuchen des Beaumarchais abermals in eine andere Wohnung entflohen. Nun giebt diesem ein Brief des französischenGesandten, den ihm ein Courier aus Aranjuez bringt, eine furchtbare Aufklärung. Der Gesandte meldet ihm darin, Clavigo habe ihn peinlich angeklagt, als sei er unter einem falschen Namen in sein Haus geschlichen, habe ihm im Bett die Pistole vorgehalten und ihn so gezwungen, ein Papier schimpflichen Inhalts zu unterzeichnen. Man räth ihm, sich schleunigst zu entfernen, denn seine Verhaftung stehe am nächsten Morgen bevor. Beaumarchais ist anfangs wie vernichtet; doch rafft er sich wieder auf, segt noch in der Nacht ein genaues Tagebuch alles Geschehenen auf, und eilt dann damit zu dem Gesandten. Dieser weiß ihm aber keinen anderen Rath, als den, Spanien so bald als möglich zu verlassen, da er ihm beim Minister Grimaldi höchstens einen Aufschub der Verhaftung erwirken könne. Furchtlos dringt Beaumarchais in das Hotel des Ministers selbst. Hier trifft er mit Whal, einem Franzosen in spanischen Diensten zusammen, der früher das Gouvernement von Indien inne hatte, und unter dem Clavigo seine Carriere begonnen; diesem liest er zuerst sein Tagebuch vor, wird von ihm dem Grimaldi, und durch beide dem Könige vorgestellt, der Clavigo durch die Entsegung von seinem Amte für jene Infamie bestraft. Doch galt diese Satisfaction ohne Zweifel

nicht dem beleidigten Bruder, nur dem Agenten der französischen Regierung, der zugleich eine wichtige Handelsnegociation im Auftrage der legteren in Spanien zu betreiben hatte; nachdem sein Geschäft dort aus war, wird wohl Clavigo wieder seine Archivarsstelle erhalten haben, wie er denn auch mit allen Ehren angethan, als eine der ersten literarischen Notabilitäten Spaniens bis zum Jahre 1806 lebte.

Was aus Marien weiter geworden, erfährt man nicht; das Interesse, in dem Beaumarchais seinen Ehrenhandel mit Clavigo mittheilt, ist ein juridisches, nicht ein romanhaftes; mit der Genugthuung, die er vom spanischen Hofe erhält, hat seine Geschichte ein Ende.

Man sieht deutlich, daß Clavigo nach dieser Erzählung bei allen Schritten, die er thut, bei der Liebenswürdigkeit, die er gegen Beaumarchais, bei der Reue, die er gegen Marie aufbietet, keine andere Absicht hat als die, jene demüthigende Erklärung zurückzuerhalten, sie wie einen Wechsel auf kluge Weise noch vor dem Zahlungstage herauszulocken. Dies gelingt nicht: da macht er zuerst den Versuch, das fatale Schriftstück entwenden zu lassen; da dies auch nicht geht, springt er zulegt mit Bütteln aus dem Hinterhalt und schmiedet gegen Beaumarchais jene Anklage auf gewaltsamen Ueberfall, um ihn mit dem Papier in der Tasche einstecken zu lassen, und sich so dessen zu versichern, daß es nicht in Umlauf komme. Er verfolgt von Anfang bis zu Ende einen bestimmten, wohlüberlegten Plan; sein ganzes Benehmen nach der

Ankunft Beaumarchais' stellt sich, wenn man des Lezteren Darstellung glauben will, als ein absichtlicher, prämeditirter Betrug, als eine Reihe von Ränken und Intriguen dar, durch die er seinen Gegner hinzuhalten, ihn sicher zu machen und zulegt sich seiner zu ent ledigen sucht.

Dieser Clavigo konnte nun durchaus kein poetisches Interesse darbieten. Um so weniger durfte er, da er nur gegenwirkt, fortwährend Contreminen gräbt, die erste Rolle in einem Stücke spielen, das genau im Sinne des Memoire's geschrieben worden wäre: der Held eines solchen hätte immer Beaumarchais bleiben müssen. Wie ist nun der Charakter gedacht, den Göthe an die Stelle des historischen Clavigo sezt? Er sollte einer jener fein organisirten, schöngeistigen Schwächlinge werden, bei welchen der Ueberschuß des ästhetischen Vermögens auf sittlichem Gebiet in Charakterlosigkeit umschlägt; eine Natur des Genre's, das Göthe besonders genau studirt hat. Die schnell erregte, aber auch rasch sich abnugende Lebhaftigkeit des Gefühls, mit der er sich in jede Situation einlebt, macht seine Persönlichkeit fesselnd und unzuverlässig zugleich; er fühlt gleichsam mit der Einbildungskraft, statt mit dem Herzen, bezaubert und reißt hin, aber wie ein unbewußter Schauspieler, bei dem man es nicht merkt und der selbst nicht dessen inne wird, er habe bloß gespielt. Je glänzender und gewinnender der Eindruck ist, den er beim ersten Entgegenkommen macht, desto tiefer ist dann die Enttäuschung, wenn man auf ihn rechnen zu können glaubt. Was bei dem spanischen

Clavigo aus einer planmäßigen Intrigue erklärt wire, soll hier aus innern Schwankungen und Selbsttäuschungen entwickelt werden; jener betrügt nur Andere, dieser zunächst sich selbst ist nach Außen hin falsch, weil er sich selber nicht treu zu sein vermag. Statt eines Neges äußerer Ränke wollte uns also Göthe ein Bild innerer Selbstumstrickung vorführen, den Stoff eines Intriguenstückes gleichsam in ein Seelengemälde umschreiben. Wir wollen sehen, wie es ihm gelang.

Göthe's Clavigo kommt ohne Stand und Vermögen nach Madrid, um sich eine Bahn durch's Leben zu brechen; sein einziges Capital, das sich erst allmälig verzinsen kann, ist sein Talent. Sonst ohne alle socialen Beziehungen, findet er im Hause der Schwestern Beaumarchais' freundliche Aufnahme; das Auge Mariens ruht innig theilnehmend auf seinen literarischen Arbeiten; er glaubt sie zu lieben, wie sie ihn in der That von Anfang an liebt. Er erreicht, wornach er strebte, ein einflußreiches Amt; aber was ihm früher höchstes Ziel war, wird jezt nur ein Schwungbrett für weitere Bestrebungen; glänzendere Aussichten, bedeutendere sociale Anknüpfungen verdunkeln ihm den bescheidenen Kreis im Hause der Beaumarchais

die junge Literatenliebe von früher ist glattweg aus seinem Herzen verschwunden. Da kommt der Bruder, rüttelt ihn unsanft auf, weckt sein schlaferdes Gefühl und Gewissen. Clavigo fühlt das ganze Gewicht seiner Vorwürfe die Reue desselben ist bei dem Dichter in diesem Moment eine aufrichtige er will in ter

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That Alles gut machen, was er verdorben. Er eilt,

Bayer: Von Gottiched bis Schiller. 11.

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