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sich zu Marien's Füßen zu werfen. Mit all' jener Beredtsamkeit, die ihm die Einbildungskraft mehr als das Herz auf die Lippen legt, erbittet er sich Verzeihung und erhält sie. Der Eindruck dieses Wiedersehens ist bei Beiden ein sehr verschiedener. Marie findet alle großen Eigenschaften, die ehemals in seiner Bescheidenheit verborgen lagen, glänzend an ihm entwickelt, sie fühlt, daß er mit diesem freien Bewußtsein seiner selbst, mit dem er auftrete, alle Herzen wegreißen müsse; Clavigo entdeckt nach dem ersten Taumel des Gefühlsrausches mit Schrecken die Spur langsamen Verwelkens, zehrender Krankheit in Mariens Zügen: es ist ihm, als wenn ihm in der Fülle der Freuden die kalte Hand des Todes über den Nacken führe. Schon zuckt ihm der Gedanke durch den Kopf, daß diese Verbindung doch nicht für ihn passe, das Zurückgreifen in eine verblaßte Vergangenheit und das muthige Vorschreiten in eine glänzende Zukunft sich nicht wohl vereinen lassen. Der Kampf hat schon in ihm begonnen, obgleich er sich's selbst nicht zu gestehen wagt da erscheint Carlos, der Mann der kalten, rücksichtslosen Klugheit, um den Conflict zwischen Ehrgeiz und Pflichtgefühl in ihm auf die Höhe zu treiben und zu entscheiden. Jeder kennt das geistvolle Gespräch im 4. Act, ein Muster der glänzendsten Dialektik, die gleich Messern blank und scharf auf den Kern der Sache eindringt und alle umhüllenden Täuschungen schonungslos bloslegt. Clavigo ist von Carlos' überlegenem Verstand jegt ebenso überwunden, wie früher von Beaumarchais' energischer Festigkeit.

So weit wäre im Allgemeinen die Inconsequenz dieses Charakters doch mit Consequenz entwickelt und durchgeführt. Nur dies führte den Dichter etwas seitab, daß er, um Zeit und Mühe zu sparen, die große Scene mit Beaumarchais aus dem Memoire fast wörtlich herausschrieb. Dadurch kamen fremdartige Züge in sein Bild; der glatte, spanische Höfling-Literat, der weiche, Göthe’sche Weislingen - Clavigo schillern da seltsam und widersprechend in einander. Beaumarchais hat sich in dieser Scene die Glanzrolle zugedacht und dafür gesorgt, daß Clavigo ihm gegenüber möglichst flein und verächtlich erscheine. In dem Stück dagegen war nicht die peinliche Klemme der Situation, nicht die ängstliche Verwirrung und Verlegenheit Clavigo's so vorwiegend stark zu betonen mehr die tiefere, moralische Erschütterung seines Gemüthes, die aufrichtige und doch nicht ganz unmännliche Reue, ein freimüthiges, und doch nicht so haltungsloses Eingeständniß seines Vergehens. Die Erklärung mußte wohl Clavigo abgeben; er thut es auch bei Göthe in dem richtigen Gefühl, daß es sich hier mehr um eine Gewissens, wie um eine Ehrensache handle. Dann durfte es aber der Dichter auch nicht dahin kommen lassen, daß Beaumarchais seinen Helden geradezu beschimpfe. Er nennt ihn einen Nichtswürdigen, sagt ihm ein um das andere Mal, daß er ihn verabscheue und verachte, und dieser versichert ihn dagegen seiner größten, aufrichtigsten Hochachtung. Das ist das Benehmen eines abgestraften Schuljungen oder im anderen Fall, das eines feigen, windigen Hofmannes,

der sich über die

hinausgesezt hat.

Romantik des Ehrbegriffs längst Die Beschimpfung war auch ganz leicht zu vermeiden. Nicht darum gebraucht Beaumarchais jenes starke Wort, weil Clavigo Marien einfach sizen ließ, sondern weil er gegen die Verlassene, als ihre Freunde an mächtige Gönner sich wandten, noch obendrein intriguirte weil er ihr und der Schwester drohend bedeuten ließ, wenn sie sich unterständen, etwas gegen ihn zu unternehmen, wäre es ihm ein Leichtes, sie im fremden Lande zu verderben. Dieser Zug paßt in die Anklageacten Beaumarchais', nicht in die Charakterzeichnung des Göthe'schen Clavigo; er konnte daher nicht blos, er sollte in dem Stücke unbedingt wegbleiben. Kann dies derselbe Clavigo sein, der noch ehe Beaumarchais erscheint, in einer Anwandlung wahrer Reue zu Carlos sagt: „Ich kann die Erinnerung nicht los werden, daß ich Marien verlassen, hintergangen habe nenn's wie Du willst!" Unmöglich! Wer zur Treulosigkeit noch den kalten Hohn hinzufügen kann, macht sich solche sentimentale Vorwürfe nicht mehr.

Ehe wir noch Clavigo's wiederholten Abfall und dessen tragische Folgen betrachten, wollen wir nur einen Augenblick bei der Gestalt der Marie Beaumarchais verweilen. Es war eben keine lohnende Aufgabe, eine Figur zu zeichnen, die für den vorliegenden Conflict paßte, - ein Mädchen, das so sehr interessant nicht einmal sein darf, damit ihr eben das Unglück widerfahren könne, an dem ihr Herz zulegt bricht. Dennoch wußte der Dichter einen gewissen schwermüthig süßen

Reiz um ihre leidende Gestalt zu verbreiten, durch die bescheidene stille Innigkeit ihrer Liebe und ihr erschütterndes Schicksal den tiefsten Antheil für sie zu wecken. Sie lebt und stirbt in ihrer Empfindung; ihre Krankheit sigt da, wo ihre Liebe wohnt, in ihrem Herzen. Wie fie der Dichter zeichnete, ist sie in ihrer zarten Schwärmerei ganz ein deutsches Mädchen; ebenso hat auch der Bruder bei Göthe nicht das leicht- und raschblütige Pathos des Franzosen, sondern die starre, biedere Heftigkeit eines Deutschen. Er streift nahe an die Klinger'sche Weise der Charakterdarstellung, und wüthet später seine Entrüstung über Clavigo's Verrath ganz im Sturm- und Drangstyl jener Zeit aus. Der französische Beaumarchais hat immer etwas von einem Komödienbruder, ebenso erscheint seine Schwester nach dem Memoire als ein ziemlich gewöhnliches Mädchen, die sich auf die hergebrachte Weiberkomödie in ihrem Fall trefflich versteht; die Krämpfe, in die sie nach dem Bericht der älteren Schwester verfällt, als Clavigo sie verlassen, scheinen sich von den befannten Theaterohnmachten nicht wesentlich unterschieden zu haben. Anfangs thui sie desgleichen, als ob sie von Clavigo durchaus nichts mehr wissen wollte; als er wiederfommt, verzeiht sie ihm trogdem doch und ebenso wird sie sich nach dem legten Wortbruch ihres Verlobten, wenn auch nach längeren und stärkeren Krämpfen (wie Danzel spottend bemerkt), am Ende noch zu trösten wissen. Nicht wahr, mein Kind?" sagt Beaumarchais in dem Memoire zu Marie, als sie sich versöhnlicher zeigt, „Du liebst ihn noch und schämst Dich

"

dessen wohl recht? Ich sah es. Aber geh' doch! Du bist deswegen nicht minder ein edles vortreffliches Mädchen, und da Deine Erbitterung ihrem Ende naht, so lasse sie endlich sich in den Thränen der Vergebung vollständig auflösen. Sie sind so süß nach den Thränen. des Zorns. Er ist ein Ungeheuer, dieser Clavigo“, segt er lachend hinzu, allein, wie es nun einmal ist, rathe ich Dir selbst ihm zu verzeihen. Für ihn wäre mir's lieber gewesen, wenn er sich geschlagen hätte, für Dich ist's mir lieber, daß er's nicht gethan hat." Auch Marie lacht zu diesen Worten mitten durch ihre Thränen. Wie sie hier geschildert ist, qualificirt sie sich durchaus nicht für ein Trauerspiel; dem Verhältniß fehlt da alle Tiefe, wir stehen mitten drinnen im gewöhnlichen Lauf der Welt. Wie anders bei Göthe, der mit wenigen feinen Zügen diese Gestalt in's Tragische umzuzeichnen und das pathologische Motiv der Herzkrankheit mit Geschick und ohne Zwang dafür zu benügen verstand! Wie fein hat er auch an die Stelle jener Unterredung mit dem Bruder die wiederholten, vertrauten Gespräche Mariens mit ihrer älteren, ruhigeren Schwester zu sehen gewußt da nur ein Weib diese Saite bei einem Weibe mit leisem, schonenden Finger zu berühren vermag, nur dem Blick der Schwester, der Freundin sich die Seele in solchem zarten Fall frei und offen darlegt.

Ich komme auf Carlos zu sprechen, diesen bösen Dämon von Mariens Glück. Er ist die Gestalt, welche dem sonst unbedeutenden anekdotischen Inhalt des Stückes erst Größe und Bedeutung giebt, eigent

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