ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Halse schaffte, konnte er in ihm die ganze Poesie freier schwungvoller Lebenslust so voll und ungehindert zum Ausdruck kommen lassen; nur so konnte er uns in reiner Idealität das Bild einer glücklichen Heldennatur bringen, die die Menschheit ganz, und menschliche Begier in allen Adern fühlt, die von dem Himmel wehend, alle Segen der Gestirne zu umwittern scheinen! Selbst im Angesicht des Todes umgiebt ihn die Fülle des Lebens; er besteigt das Schaffot, wie man den Anderen voran eine Schanze stürmt, um im Heldenkampf den sicheren Tod zu finden. Nicht um eine Idee zur Geltung zu bringen, stirbt er, sondern um seine Natur auch im legten schweren Augenblick zu bewähren, noch vor dem blinkenden Mordbeil einen Triumph seines ungebrochenen Wesens zu feiern. Der Traum hebt ihm die leichten Kräfte seiner Seele über die schreckliche Gegenwart, ja über die nächste blutig düstere Zukunft hinaus; seine Geliebte erscheint ihm als die Siegesgöttin der Freiheit und hält den Kranz schwebend über seinem Haupt.

Ein liebenswürdiger Charakter wie dieser muß auch das reinste Glück der Frauenliebe genießen, er muß darin auch, wie in allem Uebrigen, sich über die Schranken der Convenienz und der Sitte hinwegsegen. So ist denn Clärchen, das Bürgermädchen, die nothwendige Ergänzung der poetischen Existenz Egmont's. Schiller hat gar nicht recht daran gethan, das Verhältniß Egmont's zu Clärchen, das Göthe ganz im Sinne dieses Charakters gedichtet hat, in seiner Kritik zu tadeln, und dem Liebhaber Egmont, der Nachts zu

seinem Liebchen schleicht, die würdigere, aber auch trockenere Gestalt des Gatten und Vater gegenüber zu halten.

„In der Geschichte," sagt Schiller,,,war Egmont verheirathet, und hinterließ neun (andere sagen eilf) Kinder, als er starb. Seine Familie war es, die ihn auf eine so unglückliche Art in Brüssel zurückhielt, da faft alle seine übrigen Freunde sich durch die Flucht retteten. Weder er selbst, noch seine Gemahlin, eine Herzogin von Baiern, waren gewohnt, Mangel zu ertragen; auch seine Kinder waren nicht dazu erzogen. Seine Entfernung aus dem Lande hätte ihm aber nicht blos die reichen Einkünfte von zwei Statthalterschaften gekostet, sie hätte ihn zugleich um den Befit aller seiner Güter gebracht, die in den Staaten des Königs lagen und sogleich dem Fiscus anheimgefallen sein würden. Diese Gründe waren es, die ihn so geneigt machten, sich an die schwächften Aefte der Hoffnung zu halten und sein Verhältniß zum König von der besten Seite zu nehmen. Weil er zu fein und edel dachte, um einer Familie, die er über Alles liebte, ein hartes Opfer zuzumuthen, stürzte er sich selbst in's Verderben."

Das also wäre Egmont der Bessere! Die Sorge für die Erhaltung seiner Güter, für die standesmäßige Existenz seiner 9-11 Kinder 2c. — das sind allerdings sehr schwer wiegende, aber auch höchst prosaische Motive: und wir müssen es dem Dichter nur Dank wissen, daß er dem freien, dreisten Gang seines Helden nicht solche Bleigewichte anhängte. In der Poesie läßt sich mit einem so reichen Kindersegen kaum etwas an= fangen. Der „Liebhaber von ganz gewöhnlichem Schlage," den Schiller in Göthe's Egmont findet, hat noch immer die Sympathien ungetheilt für sich — während jenes „rührende Bild eines Vaters und liebenden Gemahls,“ auf das Schiller so viel hält, flatt der herrlichsten Liebespoesie nur die nassen Effecte Iffland'schen Familien-Jammers in die Handlung gebracht hätte.

[ocr errors]
[ocr errors]

Um nun von den erotischen Scenen in „Egmont“ zu sprechen was bedarf es da noch einer Analyse, um die so oft genossene, so oft durchgefühlte Schönheit dieser hohen Liebesdichtung uns noch näher zu bringen? Für Clärchen, die selbst nur eine Episode in Egmont's vielbewegtem, wechselndem Leben ist, ist Eg= mont ihre ganze Welt, der einzige Inhalt, die Erfüllung, der Abschluß ihres Daseins. Wie die Blume den Sonnenstrahl, zieht sie mit durstigem Gefühl den Glanz und die Herrlichkeit seines Wesens in ihre Seele. Das kleine Lied „Freudvoll und leidvoll, gedankenvoll sein“ welches wie ein zarter Hauch aus ihrem Herzen strömt, es spricht ihr innerstes Wesen aus, das ganz in die eine Empfindung aufgegangen ist. Die Schelmerei, der Zug von Muthwillen, das träumerisch - sinnende, nachdenkliche Element, dies Alles, was sich sonst wechselnd in ihr regte, es hat jegt in der Liebe Halt und Fülle gewonnen; in dem einen Gedanken an Egmont fühlt sie sich über sich selbst emporgetragen. Sie summt heitere Soldatenliedchen vor sich hin, wenn sie seiner als des Helden von Gravelingen gedenkt und dann wird sie wieder nachdenklich und ernst, wenn sie über das Räthsel sinnt, wie ihr seine Liebe geworden, des Grafen Egmont, des großen Egmont, zu dem das Land emporschaut, an dem die Provinzen hängen. Alle bürgerlich-ehrbaren Bedenken, die der Mutter zuweilen aufsteigen, alle Besorgnisse für die Zukunft verschlingt das Gefühl der seligen Gegenwart. „Ach ich frage nur, ob er mich liebt und ob er mich liebt, ist das eine Frage?" Brackenburg, der schlichte, brave Bür

Bayer: Von Gottsched bis Schiller. II.

19

[ocr errors]

gerssohn, der sich in seiner Empfindung verzehrt und trauernd hinschleppt, seit er durch den glänzenden Egmont verdunkelt worden, erregt ihr inniges Mitleid fie weiß, sie hat Unrecht gegen ihn, und es nagt sie am Herzen, daß er's so lebendig fühlt. Ihre Hand drückt sich oft unversehens zu, wenn die seine sie se teise, so liebevoll anfaßt; dann schickt sie ihn wieder weg denn seine Gegenwart thut ihr so weh. Sie will nicht, daß er hoffen solle, und doch möchte sie ihn nicht verzweifeln lassen . . . Wenn sie aber Egmont's wieder gedenkt, löscht dieses eine Gefühl, wie ein sonniger Lichtstrahl, all' die Vorwürfe und Schatten aus ihrem Gemüthe. In jedem dieser Züge ist ein Verständniß des Herzens, ein Erlauschen seiner verschwiegensten Geheimnisse, welches den Scenen,in Clärchens Haus“ einen so seelenvollen Reiz, eine so wundersame Schönheit verleiht.

Und was ist für Egmont die Liebe zu Clärchen? Nur eben eine Erholung des Gemüthes, eine Abwehr der Sorge, die das Herz so leicht in ernster Zeit umspinnt, ein Aufathmen von der beengenden Last der Staatsgeschäfte. Er will einmal in ein Paar selige Augen, und durch sie bis auf den Grund einer offenen, kindlichen Menschenseele schauen, während er im Staatsrath nur lauernd-ausforschenden Blicken begegnet, denen er unwillig ausweicht. Unleidlich wird's ihm oft auf dem gepolsterten Stuhle, wenn in stattlicher Versammlung die Fürsten, was leicht zu entscheiden wäre, mit wiederkehrenden Gesprächen überlegen, und zwischen düsteren Wänden des Saales die Balken der Decke ibn

fast erdrücken; da eilt er fort, so bald es möglich ist, in raschem Ritt das stockende Blut zu erregen - oder er geht zu seinem Liebchen, und sein Verdruß schmilzt hinweg im Anblick ihres Glückes! Auch als Oranien ihn gewarnt, sucht er dieses freundliche Mittel auf, die sinnenden Runzeln von seiner Stirn zu vertreiben. „Laß mich sterben," sagt Clärchen, im Uebermaß der Wonne an ihn geschmiegt, — „die Erde hat keine Freuden auf diese!" Sie hat unbewußt wahr gesprochen, der Freuden Ende ist für sie gekommen.

[ocr errors]

[blocks in formation]

dies Liebesfchicksal soll sich ganz bei Clärchen vollenden. Als sie den theueren Mann in den Kerkermauern weiß da gibt sie sich dem hoffnungsvollen Wahne hin, das Volk liebe ihn mit solcher todesmuthigen Hingebung, wie sie selbst da steigert sich die Entschlossenheit, die fonst in glücklicheren Tagen schon in ihrem Wesen lag, zum heroischen Affect- und Clärchen, ehedem wie ein Kind an Egmont hangend, wird jegt zur Heldin, die das Volk zu seiner Befreiung aufruft. Aber vergebens! Mitleidig und ängstlich hören sie die Bürger, und schleichen fort, als sie Alba's Wachen nahen sehen. Egmont verurtheilt! Die Nachricht bringt ihr Brackenburg. Sie ist auch ihr Todesurtheil. Die Flamme ihres Muthes hat sich noch einmal aufleuchtend erhoben, als sie noch an die Möglichkeit dachte, den Geliebten zu befreien: jegt umhüllt sie trostlose Nacht und jenes Morgens Ahnung, an dem Egmont sterben soll, scheucht sie in das Grab.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »