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Es spricht eben nicht für die Größe der historischen Auffassung in dieser Tragödie, daß die Gestalt des liebenden Mädchens so hoch über die Verhältnisse derselben emporzuwachsen vermag, daß sie in ihrer Liebesbegeisterung auch die patriotische Größe des Helden weit bedeutender abspiegelt, als es durch die Darstellung und Gruppirung der äußeren Ereignisse, ja durch die Charakteristik des niederländischen Volkes selbst geschieht. Man sollte glauben, das Stück müßte, wie später Schillers Tell, einen doppelten Helden haben Egmont selbst und die mithandelnde, mitduldende Nation. Dem ist aber nicht so. In diesen Bürgern, die sich zulegt scheu und furchtsam hinwegschleichen, lebt die politische Idee nicht, so eifrig fie sonst politifiren mögen. Sie kommen ohne alle dramatische Motivirung zusammen, um im Begegnen Meinungen auszutauschen, Zeitungsnachrichten zu besprechen, nach Neuigkeiten zu fragen verhalten sich aber sonst in Allem nur als unthätige Zuschauer, find in ihrer Schneider- und Krämeropposition sehr harmlos, ja zum Theil (wie die Scene mit Vansen beweist) ganz entschieden conservativ — und laufen von ferne vor einer jeden spanischen Runde. Das niederländische Colorit ist in den Bürgerscenen meisterhaft wiedergegeben; diese behäbigen Bürgerfiguren erscheinen uns so, als wären sie aus dem Bilde eines holländischen Genremalers herab auf die Bühne gestiegen aber es ist nicht dasselbe, die Farbe, und den Geist einer Zeit zu treffen - und dem Dichter gelang nur das erstere. Entsprechen wohl diese Bürger der Schilderung, die

Egmont in seinem Gespräch mit Alba von seinen Landsleuten macht? „Ein jeder rund für sich, ein kleiner König, starr und fest!" das sind nun diese Soest's und Jetter's, diese ehrlich beschränkten, schwaghaften Handwerker wohl nicht! Es hätten dies Männer sein sollen, die ebenso rasch und sicher nach der Wehre, wie nach ihrem Werkzeug greifen denen jenes trogig-freie Wesen auf der Stirne zu lesen ist, das wirklich dem spanischen Despotismus Unruhe und Sorge einflößen fonnte die nicht erst von einem vagabundirenden Schreiber über ihre Privilegien unterrichtet zu werden brauchen, sondern genau wissen, was ihr Recht ist und wie viel auf dem Spiele steht. Nur so konnten sie den dramatisch-wirksamen Gegensaß zu den spanischen Unterdrückern bilden, nur in dieser Weise die ungeheuren Anstalten der Regierung erklärlich machen, die sie zur Vernichtung der niederländischen Freiheit aufwendete.

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An eine solche echt dramatische Verwendung der Bürgerscenen scheint aber der Dichter gar nicht gedacht zu haben; sie sollten ihm, wie auch die Cabinetsscenen, nur als Hilfsmittel dienen, uns mit dem politischen Zustand des Landes bekannt zu machen, in den er uns sonst nicht auf unmittelbarere Weise hineinzuversegen verstand. Einmal läßt er uns das Urtheil auf dem Markte, das anderemal die Ansicht des Cabinets vernehmen der doppelte Refler der Volksmeinung und des Regierungsstandpunctes fällt abwechselnd auf die Ereignisse aber wir sehen sie nur in diesem Wiederschein, bekommen nicht die Dinge, wie sie sind, leib, haftig zu schauen. Hier berühren wir die schwächste

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Seite des Stücks. Es ist seit jeher die Aufgabe des dramatischen Dichters gewesen, uns die Begebenheit in ihrer nothwendigen Entwicklung selbst vorzuführen, nicht uns dieselbe blos aus Urtheilen, Meinungen und Ansichten mittelbar kennen lernen zu lassen. All' die Scenen beim Armbrustschießen, auf dem Marktplage, wie im Palast der Regentin sind eigentlich nicht Scenen im dramatischen Sinn, sondern bloße Gespräche, politische Unterhaltungen, Betrachtungen über Dinge, die schon geschehen sind und nun Stoff des Raisonnements werden; sie bilden zusammen nur eine breit ausgeführte dreiactige Erposition, auf die sogleich mit der Ankunft Alba's die Kata= strophe folgt.

Die erste Spur eines dramatischen Fadens läuft durch jenes historische Gespräch zwischen Egmont und Oranien, wo dieser den allzu Sicheren warnt, und ihn mit den eindringlichsten Gründen zu überreden sucht, Brüssel zu verlassen. Hier treten doch zwei bedeutende Charaktere, durch Temperament und Lebensansicht contrastirend, einander unmittelbar gegenüber; da schlägt der Dialog sogleich höhere Wellen, während er sonst ganz glatt und ruhig verläuft. Schiller rühmt es, daß die einzige Scene uns ganz den schlauen, wortfargen, Alles verknüpfenden und Alles fürchtenden Oranien schildere; freilich ist diese Charakteristik, wenn auch im Allgemeinen treffend, doch etwas zu mager und skizzenhaft. Der Gegensaz, den uns der Dichter, nur leicht historisch colorirt, hier vorführt, ist übrigens derselbe, den wir aus anderen Formen seiner Charakterdarstellung

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schon kennen: jener mehr psychologische, als dramatische Gegensag zwischen der poetischen Unbestimmtheit einer genialen Natur und dem decidirten, vorausrechnenden Weltverstand, der bei Clavigo und Carlos, bei Tasso und Antonio, ja auch bei Orest und Pylades in ähnlicher Art wiederkehrt. Sonst vermied es der Dichter forgfältig nur die spätere Scene zwischen Egmout und Alba ausgenommen die wirklich streitenden Gegensäge Stirn gegen Stirn gegeneinander zu stellen. Von den Hauptpersonen der großen politischen Action jener Zeit ließ er ohnehin, um sich die dramatische Arbeit recht zu erleichtern, nur Egmont, die Regentin, Oranien auftreten; aber auch diese kommen nicht in lebendige Gegen- oder Wechselwirkung, sondern gehen, jedes für sich, seinen eigenen Weg. Statt einmal Egmont mit Margaretha, oder diese mit Oranien zusammenzuführen, läßt der Dichter den Helden sowohl wie die Regentin nur in eine ruhige Discussion mit subordinirten Personen treten: jenen mit seinem Geheimschreiber, diese mit ihrem Staatssecretär. Das ist allerdings sehr bequem: dem Bediensteten gegenüber kann man sich ungehindert gehen lassen, er muß hören, darf nicht entschieden widersprechen, höchstens mit Bescheidenheit eine unmaßgebliche Meinung äußern. Freilich wird aus alle dem wieder nur ein Discurs, feine Scene.

Erst vom vierten Acte an, mit der sich vorbereitenden Katastrophe, wird das Stück so eigentlich dramatisch. Schon die Volksscene dieses Aufzugs ist als Situationsbild vortrefflich; die Bürger fühlen, wie

Vansen sagt, vor dem heraufziehenden Gewitter eine erbärmliche Mattigkeit in ihren Gliedern! dem Schneider Jetter ist es so zu Muthe, als hinge der Himmel so tief herunter, daß man sich bücken müsse, um nicht daran zu stoßen. Alba's finstere Erscheinung hat ihren Schatten durch mehrere Scenen vorausgeworfen, ehe sie wirklich vor uns tritt. Schon im dritten Act hat die Regentin ihn geschildert, „den hohläugigen Toledaner mit der ehernen Stirn und dem tiefen Feuerblick” — so treffend, als ob sie ihn mit dem ganzen Conseil des Königs auf der Tapete ihrer Wand gewirkt sähe; in dem steifen, schweigsam-düsteren Einzug seiner Soldaten, bei dem es die Bürger kalt überläuft, rückt uns sein Wesen näher, bis es sich in scharfen Umrissen in seiner nächsten Umgebung abzeichnet, die verschlossen, starr und einsylbig ist, wie er selbst. Nun tritt er persönlich heran und imponirt uns in eigenthümlicher Weise durch die finstere Consequenz seines Charakters, wie durch die Zweckmäßigkeit seiner Anordnungen, die freilich hart und feindselig sind, wie das Princip, das er vertritt. Das Staatsgespräch über die niederländischen Angelegenheiten, das Egmont in die Falle locken soll, ist an fich feineswegs dramatisch; es wird es nur mittelbar dadurch, weil wir von Wort zu Wort mit Spannung dem Ausgang entgegensehen, der daran sich knüpft. Der edle Sinn Egmont's erreicht, wie sein sorgloser Kurzblick, in dieser Scene den Höhepunkt; unsere Sympathie für seine Gesinnung erwärmt sich in demselben Maße, als unsere Achtung vor seinem Verstande sich mindert. Wer in solchem Fall einem Alba mit begeistertem Erguß

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