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das innerste Herz eröffnet, mag davon die Folgen tragen.

Wir sind dem Helden bereits auf seinem legten Gange gefolgt, und können nun von dieser Tragödie scheiden, deren eigenthümlichen Werth wir nicht in ihrem historisch-dramatischen Gehalt, wohl aber in dem poetischen Adel des Hauptcharakters, wie in dem Zauber und der Innigkeit ihrer Liebespoesie gefunden haben. Es mag sein, daß die stückweise vorrückende Production dem organischen Eindruck des Ganzen geschadet hat; entworfen wurde Egmont zu der Zeit, als an Göthe's Herz noch die hohen Wellen Shakespeare'scher Dichtung schlugen. Beendigt und durchgefeilt ward er damals, als bereits die Griechen von seiner Seele Besig ge= nommen hatten, die Iphigenia in der zweiten Gestalt fertig vor ihm lag. So fällt das Stück zwischen die naturalistische Manier und den classischen Kunststyl des Dichters mitten hinein; es hat zu viel von der neuen Bildungsform des Dichters angezogen, um noch das frisch bewegte Leben des „Gög“ zu haben, steht aber doch zu sehr unter den Bedingungen des Stoffes, als daß es sich den idealen Maßen der classischen Dichtung hätte fügen können. Erst Schiller'n war es vorbehal ten, den der Geschichte entnommenen Stoff so durchzuläutern und umzugießen, daß er sich in jene edleren Formen schmiegte; was Göthe mit dem niederländischen Sujet nicht gehen wollte, die Verschmelzung des charakteristischen mit dem idealen Styl -- gelang ihm in überraschender Weise bei den weit derberen Gestalten des dreißigjährigen Krieges im Wallenstein," die

sich. der classischen Stylisirung wo möglich noch zäher widersegten.

Ich habe die Besprechung des „Egmont“ voran. gestellt, weil wir in ihm noch den Jugendgeist des Dichters nachwirken sahen; in der „Iphigenie auf Tauris," zu der wir uns jegt hinwenden, finden wir den classischen Kunststyl Göthe's in seiner reinen Vollendung.*) Still und majestätisch, wie das ruhige Licht Dianens, ging diese Dichtung über den zerrissenen Wolkenbildungen auf, mit welchen die Sturm- und Drangperiode noch fürzlich über den Horizont hinjagte; wie die Heldin einst mit priesterlich reinen Händen das Atreïdenhaus seiner alten Greuel entsühnte, so war dieses Werk selbst auch die ästhetische Sühne und Reinigung für so manche Ausschreitungen der Leidenschaft und des Ungestüms, wie sie in der legten Epoche der

*) Die 3phigenie in Prosa ward, wie bereits erwähnt, schon 1779 (14. Febr. bis Ende März) gedichtet, und kurz darauf (6. April) vor der Herzogin Amalie gespielt. Die Bearbeitung der Iphigenie in Versen begleitet den Dichter als Hauptarbeit auf der italienischen Reise; Torbole am Gardasee, Verona, Vicenza, Padua, Venedig werden uns als die Orte bezeichnet, an welchen den Dichter dieses Werk (September und October 1786) beschäftigte, bis es in Rom ernstlicher aufgenommen und am 6. Jänner 1787 beendigt wurde. Die Profa-Geftalt der Iphigenie in Tauris" veröffentlichte zuerft Dr. Adolf Stahr nach einer in Oldenburg befindlichen Abschrift (1839), nachdem schon Fr. Jacobs (in seinen verm. Schriften) auf eine Gotha'sche Abschrift derselben aufmerksam gemacht hatte.

Literatur vorgekommen. Auch für den eigenen Entwicklungsgang Göthe's wurde, wie Gervinus fein bemerkt, Die Iphigenia ein bedeutsames Symbol. „Der zur Ruhe und Klarheit gekommene Dichter, der seine_titanische Zeit und Dual eben abgelegt hatte, dessen dichterischer Eifer sich sonst um den gefolterten Prometheus drängte, der selbst seinen Freunden Prometheus hieß, und sich selber das Loss des Tantalos bisher zuge schrieben besang jezt seine eigene Versöhnung in der des alten Heroenhauses, welchem gleich jener himmelstürmenden Jugend statt des Rathes, der Mägigung und der Weisheit nur die ungestüme Begierde eigen gewesen."

Auch wir tragen unseren Zoll der Bewunderung an dieser geweihten Stätte ab, ohne gerade so lange, als es sonst Brauch ist, an ihr zu verweilen. Es sind vornehmlich die Schulmänner und die Philologen, die zu dem Altare von Lauris wall. fahrten; sie haben in Abhandlungen, Vorträgen, Schulprogrammen zahllose Weihgeschenke am Fuße desselben niedergelegt, und die Schönheiten dieses Werkes bis auf die legte Nuance ausgedeutet und durchgesprochen. Ich will mich gerade hier nur auf die nöthigsten Bemerkungen beschränken. Das Vollendete ist auch einfach und bedarf nicht vieler Erklärung; da genügt es, wie bei der Betrachtung einer schönen Bildsäule, nur für den richtigen Standpunkt und gutes Licht zu sorgen das Uebrige thut dann das Werk für sich selbst.

Die Sage von der greuelvollen Vergangenheit des Atreïdenhauses, von der Unglückskette wilder

leidenschaftlicher Ausbrüche und Verbrechen und dann dem neuen, hellen Tage des Friedens, der nach der Entsühnung des Orest und der Rückkehr Iphigeniens wieder in das alte Fürstenhaus einzog, gewann in Göthe's Auffassung ein eigenthümlich neues, menschlich hohes Interesse. Die Wiederherstellung des sittlichen Gleichgewichtes nach verhängnißvoller, schwerer Zer= rüttung, die wiedergefundene Harmonie der Seele nach langem Streite feindlicher Kräfte dies war ja ein Hauptthema Göthe'scher Poesie, die überall, wie wir wissen, von der Bewegung zur Ruhe, vom Kampfe zum Frieden, von der Leidenschaft zu innerer Beruhigung und Klarheit emporstrebte. Hier fand Göthe für jenes Thema den passenden mythischen Anhalt — aber er verarbeitete ihn ganz frei für seine subjectiven Abfichten, verfuhr mit der antiken Sage auch hier nicht anders, als er mit dem deutschen Chronifstoff im „Gög,“ dem alten Volksbuch im „Faust," ja mit der Geschichte selbst in „Egmont" zu Werke ging; aus all' diesen Hüllen, so verschieden sie waren, glänzte immer wieder der eine Kern seiner eigensten Individualität leuchtend hervor.

Es führt daher auf eine falsche Fährte, wenn man mit Schlegel die „Iphigenia“ ein „Echo griechischen Gesanges" nennt, oder mit Otto Jahn*) in dem Maß, der Ruhe und Klarheit ihrer sittlichen Motive, ihrer Composition und Sprache die Verwandtschaft

*) Ueber Göthe's „Iphigenia in Tauris.“ Ein Vortrag von Otto Jahn. Greifswald 1843. (S. 37).

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dieser Dichtung mit den größten Meisterwerken der antiken Tragödie erblickt. Gerade diese Art von Ruhe, wie wir fie in der „Iphigenia" finden, ist ungriechisch — liegt zum mindesten nicht im Wesen der alten Tragödie. Lewes*) hat diesen Punct mit treffendem Scharfsinn beleuchtet. Ruhe in der Tragödie - so sagt der englische Biograph unseres Dichters das wäre ja wie Friedensstille in dem furchtbaren Anschwellen vulkanischer Leidenschaften! Die ruhige Einfachheit der Darstellung habe bei den Griechen nur auf der äußeren scenischen Nothwendigkeit beruht aber wir nennen einen Vulkan doch nicht kalt, weil auf seinem Gipfel Schnee liegt. Auf hohem Kothurn auftretend, durch eine klangverstärkende Maske sprechend, konnten die Darsteller der griechischen Bühne nicht eigentlich spielen, nur recitiren, vermochten nicht den Wechsel der Leidenschaften auszudrücken und so sei der Dichter von vornan gezwungen gewesen, die Leidenschaft nur in großen, festen Massen zur Darstellung zu bringen. Daher die langsame Bewegung, der gemessene Gang des griechischen Drama's. Die Gegenstände aber, welche die griechischen Tragiker zu ihren Stücken gewählt, seien fast ohne Ausnahme solche gewesen, bei denen die tiefsten und dunkelsten Leidenschaften wirken; diese wallen in steter Strömung, und erst mit dem Schlusse des Stückes ende auch der Wechsel von Schrecken und Mitleid. Wie anders nun bei Göthe! Jene Ruhe, die durch äußere Umstände

*) A. a. D. II. Band. S. 10 ff.

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