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Leben erfuhr, spiegeln sich auch in seiner Dichtung ab; die Gestalten der Herzogin Louise, der Frau von Stein 2c. werfen in sie eben so ihre Reflere, wie früher die anmuthigen Naturkinder, die Gretchen, Annetten und Friederiken ihr den Athem und Puls ihrer Empfindung liehen. Nun ist die Frau die Richterin über Sitte und Sittlichkeit; es ist nicht mehr das hingebend liebevolle, sondern das vornehme und edle, seiner Würde sich bewußte Weib, das uns hier als Priesterin, als Fürstin, als hohe Dame entgegentritt.

„Erlaubt ist, was sich ziemt!" Dieser Wahlspruch der Prinzessin Leonore wird nun auch das Motto des Göthe'schen Kunstdrama's, während früher der Held, der Stürmer und Dränger der Meinung zu sein schien : „erlaubt sei, was gefällt!" Je mehr so aber die Form in Göthe's Dichtung das Uebergewicht erhält, desto entschiedener leidet darunter die Wärme und Fülle des Inhalts; die Würde wird zur ablehnenden Kälte, die Anmuth zur manierirten, förmlichen Geziertheit. Der reizvolle Naturalismus der früheren Göthe'schen Ausdrucksweise hat einer gemessenen Kunstsprache Plaz gemacht, die uns wohl in der „Iphigenia“ wie auf Tempelstufen über das Gemeine emporführt, im,,Tasso" noch durchaus einen warmen Hauch der Stimmung behält, aber in der „Eugenie“ sich schon völlig nach der „Hofcadenz" in ängstlicher Würde weiterbewegt. Sobald die Göthe'sche Dichtung den Gipfel der Salonund Hoffähigkeit erstiegen, ist sie zugleich um die legte Spur des dramatischen Lebens gekommen; die Ueberfeinheit der Bildung schlägt jede Leidenschaft nieder;

an die Stelle des Gefühls tritt die kühlere Beredsamsamkeit der Reflexion.

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Im Tasso steigert sich wohl noch das Gefühl sogar zu pathologischer Erhigung aber schon steht dem Helden die vornehme Ruhe eines Alphons, die höfische Verstandesfälte eines Antonio bestimmt und gemessen gegenüber, um sich auf das nachdrücklichste zur Geltung zu bringen.

Was den eigenthümlichen, in seiner Art unvergleichlichen Reiz dieses Werkes ausmacht das warme,

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weich in einander schmelzende Colorit, der Hauch und Duft des classischen Südens, die Glanzlichter der feinften Reflerion, die über den sanft gehobenen Wellen des Dialogs hinbligen: gerade diese Vorzüge können wir hier nicht besprechen. Unsere Aufgabe ist es, die großen Linien des dramatischen Umrisses zu verfolgen - und die vermissen wir an dieser gefeierten Dichtung mehr, als an irgend einer anderen Production Göthe's.

Man findet ziemlich allgemein den idealen Werth des Stückes darin, daß hier „das Schicksal eines Dichters unbeschadet der Localzüge und des Costümes als Schicksal des Dichters überhaupt gefaßt und dargestellt ist"; man vergißt es auch nicht, gleichzeitig hervorzuheben, wie Göthe im Tasso „sein weimar’sches Hofleben, seine Neigung zu Frau v. Stein, sein Verhältniß zu Karl August, die Stellung des Grafen Görz zu ihm als Aufzug des Bildes benugte, in das er Tasso's Schicksal am Hofe zu Ferrara als Einschlag

webte."*) Dagegen erlaube ich mir zu behaupten, daß eine einigermaßen gut erzählte Biografie des historischen Tasso einen weit bedeutenderen tragischen Eindruck mache, als dieses sonst so herrliche Schauspiel Göthe's trog seiner Gedankenfülle und seiner classischen Formvollendung. Gerade jene Verallgemeinerung des Dichterschicksals, mit den Beziehungen auf die unbedeutenden Weimarer Conflicte durchzogen, war eher dazu angethan, die ursprüngliche Kraft des Süjets abzusch w ächen, und aus dem Elemente der Handlung fast ganz in jenes der Reflerion hinüberzuziehen.

Was der Dichter von dem historischen Tasso für die zarten Aquarellfarben seiner Charakterzeichnung brauchen konnte, hat A. W. Schlegel in einer Recension dieses Stückes richtig hervorgehoben. Tasso zählt zu jenen Poetennaturen, für die ihr Talent zugleich verhängnißvoll wird, bei denen eben die Eigenheiten ihres Temperaments und ihrer Organisation, die ihr dichterisches Schaffen steigern, andererseits den Charakter entnerven und ihm Haltung und Schugwehr nach Außen benehmen. „Tasso's leicht aufflammender Enthusiasmus zeigte sich im Leben als höchst reizbare Empfindlichkeit; die stille keusche Würde seines Styls als schüchterne Bescheidenheit mit Künstlerstolz gemischt; der hohe Ernst in dem Ton seiner Gedichte als Hang zur Einsamkeit und Betrachtung. Dazu trat aber noch ein grillenhaftes, düsteres Mißtrauen gegen die Menschen, das ihn ewig

*) Gödecke, Grundriß der Geschichte der deutschen Dichtung. Seite 795.

quälte, und wie einen rastlesen Flüchtling durch das Leben_hinjagte.“ *) Diese Grundzüge hat Göthe be

nügt und auf das Subtilste durchgearbeitet. Aber eben durch diese Subtilität erhielt der Charakter eine wesentlich andere Färbung. Sein Tasso ist ebenso wenig ein Italiener, als Clavigo ein Spanier — Localfarbe und Costüm, Stimmung und Hintergrund gehören dem Süden an, aber die individuelle Empfindungsweise selbst ist eigentlich deutsch. Der Held ist gleich Werther ein durchaus innerlicher, stets auf sich bezogener Charafter; ein grübelnder Gefühlsmensch, nicht blos von der Leidenschaft, sondern auch von ihren Schattenbildern, die sich ohne Ende in seiner Betrachtung abspiegeln, gequält; mit einem Worte ein echter Typus der Sentimentalitätspoesie des 18. Jahrhunderts.

Daß ein Mensch dieser Art kein Compromiß mit den praktischen Anforderungen des Lebens zu schließen vermag, versteht sich von selbst. Wer sie ihm gegenüber mit Schärfe und Nachdruck vertritt, ist sein natürlicher Gegner; Verständigung mit dem erscheint ihm so, wie eine Zerstörung des eigenen Wesens. Die durchgeführte Gegenüberstellung von Antonio und Tasso ist ein psychologischer Meistergriff; jener der erprobte welt und geschäftskundige Staatsmann, der aber nebenbei auch den Dilettantenehrgeiz hat, als feiner und geschmackvoller Kenner zu glänzen, dieser der ganz in seine Phantasiewelt versenkte Dichter, der aber

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*) A. W. v. Schlegel's Werke (Leipzig 1846). 10. Band. S. 4 ff.

zugleich am Hofe eine Rolle spielen möchte, und wie ein Kind ob eines entzogenen Spielzeugs grollt, weil ihn sein Fürst nicht auch in Staatsgeschäften zu Rathe zieht. Es wäre nicht so schwer gewesen, diesen Gegensag auch dramatisch durchzuführen; da hätte aber der Dichter irgend einen bestimmten Vorfall von Belang erfinden müssen, der die Funken des Widerstreits aus diesen beiden Charakteren schlüge und sie zum offenen entscheidenden Kampfe gegeneinander aufriefe. Statt dessen zerzanken sich die Beiden ohne allen äußeren Anlaß; es ist kein Streit bestimmter Tendenzen, nur persönlicher Antipathien; die Gegensäge prallen nicht mit voller Kraft auf einander, sondern treffen sich nur wie mit feinen Nadelspigen, die die Haut empfindlich reizen, aber kein Blut aus den Adern hervorlocken, So bleibt das Stück lediglich auf psychologischem Boden und entfaltet sich zu keiner dramatischen Bewegung. Das gereizte Gegenübertreten der beiden Gegner, die vermittelnden Gesinnungen der Frauen, die später versöhnlichere Haltung Antonio's, die wachsende mißtrauische Stimmung und Gefühlsspannung Tasso's dies Alles entwickelt sich blos dialogisch, wird Stoff der wiederkehrenden Erörterung, nicht der fortschreitenden Action. Wie Werthers Leiden" ein Roman in Briefen, so ist „Tasso“ ein Roman in Dialogen und Monologen. Eigentliche Scenen von annähernd dramatischer Haltung finden wir daselbst nur zwei: jene, wo Tasso den Degen gegen Antonio zieht, und die andere, wo er der Prinzessin in die Arme fällt und sie an sein Herz drückt. Alle die andern sind bloße Gespräche, Bayer; Von Gottsched bis Schiller. II.

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