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der glänzende Beweis, daß der Dichter über die Mysterien des Menschendaseins nicht blos in abstracter Weise nachgedacht, sondern sie auch im Innersten erlebt habe, daß ihm die allgemeinen Probleme der Menschheit gleichsam zu individuellen Problemen geworden feien.

Die Sage selbst hatte jene Deutungsfähigkeit, gleichsam jene Elasticität, daß der Dichter das Allgemeinste, wie das Persönlichste in sie hineinlegen, in die Gedankengährung des 16. Jahrhunderts, die sie in einem grotesken Bilde abspiegelt, zugleich die Sturmund Drangwogen seiner Zeit hineinfluthen laffen konnte. Wenden wir zunächst diesem Rohstoffe der Dichtung unsere Aufmerksamkeit zu.

Unheimlich und seltsam rauscht die Fauftsage in ihrer ursprünglichen Gestalt daher, wie ein wilder, phantastischer Traum. Wer kennt nicht jene in toller Haft sich jagenden Traumgebilde, die uns beängstigen und bedrängen, wenn wir nach durchwachter Nacht, das Gehirn von Arbeit überhigt, am frühen Morgen in einen müden Halbschlaf sinken? Ein solcher Traum war der von den Abenteuern des Faust. Er wurde gleichsam im Morgengrauen der neuen Zeit geträumt, während man aber noch die Nachwirkung der Nachtwachen bei der Büchergelehrsamkeit des Mittelalters verspürte!

zu jener Zeit, wo man an den Mysterien des Geistes und der Natur gar bedenklich rührte, da gab

der Teufel mehr als in einem anderen Zeitalter der Welt zu schaffen. Ehe das „nordische Phantom" durch das Licht der Aufklärung verjagt wurde, ängstigte es noch einmal recht gründlich die Welt. Der Theologe wie der Magier wurden durch den Teufel beunruhigt und bedrängt: -wenn er den Dr. Fauft holte, mußte fich Dr. Luther seiner wenigstens erwehren. Mehr als zu einer anderen Zeit wüthete damals der entsegliche Wahn der Herenverfolgung durch alle Länder. Der ,,Malleus maleficarum" stellte für sie ein scheußliches Inquisitionsverfahren fest; gleich geschäftig schleppten Protestanten wie Katholiken das Holz der Scheiter= haufen zur Vertilgung der Heren herbei. Wie ein fürchterlicher Fieberfrost schüttelte noch zum legten Male der Geist des Mittelalters die aufgehende neuere Zeit.

Es dauerte ziemlich lange, ehe die häßliche, wilde Nachtseite des christlich germanischen Wesens geklärt und überwunden wurde. Weil sich das Christenthum abwehrend gegen die Beziehungen des Menschen zur Natur, gegen das sinnliche Element des Lebens überhaupt verhält, so artete dieses in den verzerrtesten Cynismus, in den Wahnsinn des Teufelscults, in die geträumten Orgien der Herensabbathe aus. Die vergeistigte Naturreligion des Alterthums hatte die Sinnlichkeit, die sie in ihrem Kreis eingeschlossen hielt, durch das Maß der Schönheit veredelt; nun irrte sie, geächtet wie sie war, in's Häßliche ab, weil sie der Geist nicht anerkannte. Die Satyren des antiken Bacchanals verzerrten sich zu grinsenden Dämonen,

die tanzenden Mänaden verwandelten sich in Heren mit struppigem Haar. Den Teufelsbuhlschaften der Heren traten die Teufelsbündnisse der Zauberer zur Seite -die Macht über die verborgenen Naturgewalten mußte durch einen Pact mit dem Satan erkauft werden, der um den Preis der ewigen Seligkeit die Erfüllung jedes verwegenen Wunsches auf Erden versprach. Jede Vertiefung in die Geheimnisse der Natur, der fühne Versuch, ihre noch unbekannten Kräfte zu erforschen und sich dienstbar zu machen, war des ,,crimen magiae" verdächtig. Zuweilen mochten aber auch gewinnsüchtige Charlatane den Aberglauben des Volkes nügen und ausbeuten, indem sie durch den Ruf der Geisterbannerei, in den sie sich zu sehen wußten, ihren wahren oder angeblichen Kenntnissen mehr Nachdruck und Wirkung zu verleihen dachten. Als ein solcher Charlatan erscheint auch der wirkliche, der historische Faust, so weit sich die vereinzelten Spuren seiner Existenz nachweisen lassen. Er zieht nach gleichzeitigen Zeugnissen als ein fahrender Wunderdoctor umber, und berühmt sich selbft allenthalben seiner Kunst, „nicht nur in der Arzenei, sondern auch in der Chiromantie, Nigromantie, Physiognomie, den Visiones in Krystallen" u. dgl. m., schreibt sich einen philosophus philosophorum aber fast überall folgt ihm, nachdem sich der magische Dunst des ersten Eindruckes verzogen, der Leumund eines Betrügers auf den Fersen nach. So schildern ihn Zeitgenossen, die ihn gekannt haben. Immerhin muß aber der Eindruck, den er auf die Massen des Volkes gemacht, ein tiefwurzelnder gewesen

sein, da Alles, was sich von Zaubermärchen in jener Zeit zusammenhäufte, auf seinen Namen übertragen wurde. Bald stand die Gestalt Faust's, durch die anwachsende Sage erhöht, als Repräsentant aller Magie, als der eigentliche Held der Zauberei in der Phantasie des Volkes fest, und mit grausendem Behagen lauschte es noch lange der Kunde von seinen Abenteuern und seiner Höllenfahrt.

Aber die Historie von Dr. Faust ist noch mehr, als eine bloße Schwarzkünstlersage. Wenn wir von dem Nebenwerk der Zauberstücke und Teufeleien absehen, dann repräsentirt sie gleichsam die dä monische Seite des Reformationszeitalters, jenes Suchen nach dem geheimen Zauberwort, durch das sich die Mysterien des Daseins enthüllen, die Tiefen der Natur der Erkenntniß sowohl wie dem Genusse mit einem Male erschließen sollten. Allenthalben regte sich damals jener kühne, protestirende Geist, der Geist des dreisten Widerspruchs und der verwegenen Forderung, der den Pferch des bisherigen Scheinwissens niederriß, der die in Worten kramende Büchergelehrtheit verwarf, um zu den Quellen der Erkenntniß durch eigene Erleuchtung herabzusteigen, um in den breiten Strom der Erfahrung, des Lebens sich muthig zu werfen! Es war eine Zeit des ungeduldigen, unftäten Spürens und Forschens auf allen Gebieten. Was suchte man da nicht Alles! Den Stein der Weisen, die quinta essentia, den spiritus vitae, endlich, was mehr galt als all dieser mystische Kram die obersten Principien des Denfens und Seins. Die fremdartigsten Elemente gährten in

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der geistigen Bewegung jener Zeit seltsam gemischt durcheinander, wie in einem Zauberkessel; es dauerte lange, bis sich der Gischt beruhigte und ausschäumte, bis die aufgeregte Phantasie in den aufsteigenden Dünsten nicht mehr Höllenbreughel'sche Spufgestalten und Teufelsfragen sah.

In der Faustsage ist nun dieses Stadium firirt

es ist der Schrecken vor dem verwegenen, neuen Geiste der Forschung und des unbefriedigten Lebensdranges, der sich in derbnaiver Form in ihr ausspricht. Jener Dr. Faustus des Volksbuches, den man wegen seines unsinnigen und hoffärtigen Geistes den Speculirer nannte, der sich von der Theologie der Magie zuwandte, in vermessenem Sinne sich Adlerflügel nahm, alle Gründe von Himmel und Erde erforschen wollte, und um das Wesen der Elemente zu ergründen und des Himmels Lauf, Bewegung und Zierde kennen zu lernen, sich mit Leib und Seele dem Teufel übergab: was ist er wohl Anderes, als ein Repräsentant des neuen, aus den kirchlichen Fesseln sich befreienden Forscherdrangs, vor dem der Aberglaube entsegt sich bekreuzte und in dem er nur ein teuflisches Beginnen wahrzunehmen glaubte? Ja, wenn es später heißt, Faust sei in alle dem, was die Naturerscheinungen und die ganze Sternfunde betraf, von seinem Geiste Mephostophilis sehr wohl unterrichtet worden, wie denn Alles, was er geschrieben, unter den Mathematicis das Lob davon getragen," so wäre man fast versucht, in dem Volksbuche ein frommes Pamphlet gegen die aufstrebenden Naturwissenschaften zu erblicken, die damals

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