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Tiefen der Dinge dringen möchte, beunruhigte ihn nicht minder, als jener sinnlich warme Lebensdrang, der das Dasein in der Breite ganz und voll zu besigen strebt. Es trieb ihn ebenso hinein nach dem Centrum, wie hinaus nach dem Umkreis der Existenz; er wollte die Fülle des Menschlichen in jedem Sinne in seinem Busen versammeln. Dieses nie zu sättigende Doppelstreben geht durch sein ganzes Leben hindurch, und nur die Entsagung oder die Selbstbeschränkung, die er sich freiwillig auferlegt, dieses höchste Wort der Göthe'schen Lebensphilosophie drängt jene Faust'sche Sehnsucht wieder in ein ruhigeres Maß zurück.

Auf welchen Wegen suchte Göthe zur Erkenntniß vorzudringen? Beiläufig auf denselben wie sein Held. Vor ihm führten die Wagner's das große Wort, jene trockenen Schleicher, die ewig nur Famuli des Geistes bleiben, immer zusammentragen, nachschlagen, compiliren, Material herbeischleppen, geistlose Gelehrsamkeit aufhäufen. Hat sich nicht auch Lessing durch diesen Schutt hindurcharbeiten müssen, bis er einen massenhaften Bücherberg ersteigend, von da aus nur durch seinen Falkenblick eine weite, herrliche Aussicht gewann? Göthe wußte mit den Detailstudien, wie sie damals betrieben wurden, nichts anzufangen; auf diesem Wege waren keine Durchblicke zu finden; ein Buch verstellte dem andern die Aussicht, und ihn drängte es nach Anschauungen, die auf weite Strecken hin bligartig Alles erhellen. Die herkömmliche Art, das Wissen nach Facultäten zu isoliren, war ihm sehr fatal. Die Philosophie wollte ihn keineswegs aufklären. In

der Logik kam es ihm wunderlich vor, daß er diejenigen Geistesoperationen, die er von Jugend auf mit der größten Bequemlichkeit verrichtet, so aus einander zerren, vereinzelen und gleichsam zerstören sollte, um den rechten Gebrauch derselben einzusehen. Von den Dingen, von der Welt, von Gott glaubte er ungefähr so viel zu wissen, als der Lehrer selbst, wenn dieser leere Allgemeinheiten mit selbstgefälligem Dünkel vortrug. In den juristischen Studien wußte er durch die frühern Anregungen seines Vaters schon so viel, als der Professor seinen Schülern mitzutheilen für gut fand. In der Theologie, so weit er nebenbei in sie einen Blick warf, war ihm der Wortglaube und die überall schnell fertige Aufklärerei gleich antipathisch. Es galt, mit Umgehung dieser unfruchtbaren wissenschaftlichen Tradition sich einen eigenen Weg zu bahnen.

Dieser Weg führte freilich zum Theil auf wunderliche Nebenpfade. Bezeichnend genug für Göthe's Neigung zum Verborgenen, Versteckten und Mysteriösen sind die seltsamen Beschäftigungen, in die er von Leipzig nach Frankfurt zurückgekehrt, im Verkehr mit einer stillen, frommen Grüblerin, dem Fräulein von Klettenberg und einem hektischen Chirurgen hineingerieth, der Universalmedicinen nach alten chemisch alchy mistischen Büchern bereitete. Da umgab sich Göthe wirklich für einige Zeit mit dem Dunft der Magie. Alte Charteken, in denen die geheimen Lehren der Alchymie in abstruser Weise entwickelt waren, wurden da vorge= nommen, Wellings Opus mago - cabalisticum wurde angeschafft; auch die Werke des Theophrastus Para

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celsus und Bafilius Valentinus eifrig durchsucht. Göthe fing an, in seinem alten Giebelzimmer nach den geheimnißvollen Andeutungen jener Werke zu operiren, bereitete den Kieselsaft und träumte von der jungfräulichen Erde. Bald stieg ihm auch über dem Nebeldunst dieser wunderlichen Beschäftigungen ein mystisch-kabalistisches System von Gott, von Luzifer und den bewegenden Potenzen der Welt auf ein trübes phantastisches Dunstgebilde, das freilich bald unter dem Einflusse lichterer, klarerer Eindrücke zerstob. Eins ge= wann aber Göthe doch bei diesen Erperimenten und Träumereien seine Phantasie bekam die nöthigen Anhaltspunkte, um sich das mysteriöse Treiben Faust's sinn, lich anschaulich zu machen: die barbarisch fremde Redeweise, der ganze Apparat der geheimen Wissenschaft des 16. Jahrhundertes ließ so recht das Colorit und das Costum in seinem Geist lebendig werden, das zur Schilderung Faust's in seinem Laboratorium gehörte.

Wenn auch Göthe ferner nicht auf so trüben Wegen sich erging, so vermied er denn doch mit genialer Unruhe den gewöhnlichen Pfad des Lernens und Forschens. Was ihm das dürftige Licht einer sterilen Gelehrsamfeit nicht aufzuklären vermochte, das sollte ihm der wunderbare Schein der Phantasie erhellen. Sowie im Leuchten des Meeres ein elektrischer Glanz mit einem Male die dunkeln Gründe der Gewässer transparent macht, so sollte auch jenes höhere Licht ihm die Tiefen der Dinge wie durch ein Wunder aufschließen. Göthe vermied ebensowohl die Schärfe der Abstraction, wie das detaillirte Eingehen der Empirie: er hielt sich

immer in der unbestimmten Mitte zwischen beiden und suchte so ahnend das Wesen der Erscheinungen zu erfaffen. So glaubte er in reinen Zügen die wirkende Natur vor seiner Seele liegen zu sehen; jezt dachte er die Wahrheit des Wortes zu erkennen:

Die Geisterwelt ist nicht verschlossen
Dein Sinn ist zu, dein Herz ist todt;
Auf, bade Schüler, unverdroffen

Die ird'sche Bruft im Morgenroth!

Wenn Fauft sich der Magie ergab, daß ihm ,,durch Geisteskraft und Mund, so manch' Geheimniß würde fund," so suchte Göthe durch Intuition, durch ahnendes Schauen den Mysterien der Natur beizukommen. Auf diesem Wege dachte er das Wesen selbst, und nicht bloß abgezogene Begriffe zu erfassen; so hoffte er das, was die Welt im Jnnersten zusammenhält, und alle Wirkungskraft der Dinge zu erkennen, daß er nicht mehr, den andern gleich, in bloßen Worten frame. Ins besondere verfuhr er so auf dem Boden der Naturwissenschaften. Dafür nur ein Beispiel. In jener Zeit, wo sich sein Verhältniß zu Schiller erst anzuknüpfen begann, trug er ihm einmal die Metamorphose der Pflanzen in lebhaftem Gespräche vor, und ließ mit manchen charakteristischen Federstrichen eine symbolische Pflanze vor Schiller entstehen. Schiller vernahm das Alles mit großer Theilnahme, aber als Göthe geendet, schüttelte er den Kopf und sagte: das ist keine Erfah rung, das ist eine Idee. Göthe, einigermaßen verstimmt erwiderte: es könne ihm sehr lieb sein, daß er Ideen habe, ohne es zu wissen, und sie sogar mit Augen

se he. Dieses intuitive Erfassen der Dinge, das bei Göthe noch sehr sinnvoll bleibt, und von einem meist sicheren Instinct geleitet ist - diese Gedankenmagie, wenn wir so sagen dürfen, ist dann in der Schellingschen Naturphilosophie zu einem eigenen speculativen System entwickelt worden, aus dessen pythischer Höhle man gar viele und seltsame Orakel vernommen hat. Daher kam es auch, daß Schelling auf den Faust als auf eine göttliche Offenbarung hinwies, an der das Denken zu zehren habe und die es nimmer würde er schöpfen können. Dies ist aber eben nicht die Sache des Philosophen: die Eingebungen überlasse er dem Dichter, er selbst erhebe sich in die Sphäre der reinen. Gedanken.

Auch in dem Verhältniß zum positiven Glauben hat Göthe viel mit Faust gemein, wie er ihn einmal mit der Bibelübersegung beschäftigt vorführt. Er kann es nicht gelten lassen, daß das Wort,,im Anfange" war, das bloße schattenhafte Wort, an welchem demnach auch nur die Wortgläubigen hangen. Er kann es so hoch unmöglich schäzen; er muß es anders übersegen, wenn er sich vom Geiste recht erleuchtet fühlt. Forschend und prüfend, wie Faust, nahm auch Göthe das ehrwürdige Buch der Bibel zur Hand; das Innere, das Eigenthümliche eines solchen wunderbaren Buches zu erforschen, das, meint er, sei zunächst eines Jeden Sache; man solle vor Allem erwägen, wie sich der Inhalt der Schrift zu unserem eigenen Innern verhalte, und in wiefern durch die in ihr wohnende Lebenskraft die unserige erregt und befruchtet werde. Dieses ist

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