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diesem Werke können wir so recht die Jahresringe am Baum der Göthe'schen Poesie zählen. Schlanken. Stammes strebt er im Anfange der Fauftdichtung empor; bald rauscht geheimnißvoll unter düster umwölftem Himmel der Sturm durch sein Laub, bald wiegt sich sein Haupt grün-golden in der heiteren, sonnigen Bläue. Endlich steht er nach langen, späten Jahren da, ein knorriger Stamm, ehrwürdig und ernst, ein Wahrzeichen der deutschen Literatur, weithin gesehen und schweigend angestaunt, gleich einer jener uralten, heiligen Eichen im Hain von Dodona, durch deren flüstern= des Laub Orakelstimmen zogen. Commentatoren, meist aus Wagner's, des Famulus, Schule haben ihre Namen zahlreich in die Rinde des greisen Baumes geschnitten — das dichte Geftrüpp einer ganzen Faustliteratur ist ringsherum parasitisch aufgeschossen

aber bis zu den Zweigen und Aesten des Baumes reichen die emporstrebenden Ranken nicht hinauf, und fort und fort flüstert es in den Blättern von ungelöften, unlösbaren Räthseln.

Im ersten Theil hat Göthe die Summe seiner erften, an Erlebnissen, Gefühlen und Erfahrungen so reichen Lebenshälfte gezogen; Eindrücke drängten sich da den Eindrücken nach; von Straßburg bis Weimar von der Friederike von Sesenheim bis zur Frau von Stein von Herder und Merck bis zu dem Verkehr mit Schiller welche Fälle von Anregungen! Damals wurde noch die Liebe nimmer alt, und auch der Dichter nimmer kalt! Damals war er noch im Stande, seine Ideen im Bilde lebendiger Gestalten und Situationen

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zu schauen! Mit Schillers Tode löschte das langgenährte Jugendfeuer auf dem Herde der Göthe’schen Dichtung aus. Mit dem Epilog zu Schillers Glocke, der zur Gedächtnißfeier des verewigten Freundes ge= dichtet wurde, klangen auch die volleren, ergreifenderen Töne der Poesie Göthe's aus es wurde stiller um ihn und einsamer. Immer mehr senkt sich jezt seine Einbildungskraft in das Schattenreich der Allegorie hinab, so in der Pandora, in Epimenides Erwachen 2c.; sie verliert den Charakter freier und freudiger Mitthei= lung. Er sieht sich die Welt scharf und sicher von seiner einsamen Warte an, aber er hält sich sie fern. Seine Bildung wird immer subtiler, aber im gleichen Maße ablehnend. Er kann mit feinem Menschen mehr verfehren, der ihm ganz gewachsen wäre; der tüchtige, aber keineswegs geniale Zelter kann doch nicht als Ersagmann Schillers gelten, und was sich sonst um ihn bewegt, sind passive Bewunderer, ehrerbietig lauschende Ohren. Die lebendige Anregung, der Stachel des Wetteifers fehlt ihm durchaus. Unter solchen Umständen muß die Gestaltungskraft endlich erlahmen. Es konnte nicht anders kommen, daß die zweite Lebenssumme, die Göthe in den zweiten Theil seines Faust zog, bei aller Mannigfaltigkeit des hereingezogenen Stoffes doch ungleich dürftiger ausfiel.

Faust war eigentlich bestimmt, ein Fragment zu bleiben. Der Held, wie er an Göthe in den 70ger Jahren des vorigen Jahrhunderts herantrat, war der Repräsentant der titanischen Regungen, mit denen sich die Sturm- und Dranggenossen trugen, er war der

Held der Genieperiode und das hochgespannten Individualismus, der die vorherrschende Richtung jener Zeit ausmachte. An des Jahrhunderts ernstem Ende jedoch, da trat das Fauftproblem hinter die großen Fragen des Staates, der Freiheit, der Gesellschaft zurück - da war es eigentlich Zeit, mit der Faustdichtung zu schließen. Jegt, wo selbst die Wirklichkeit zur Dichtung wurde, wo man den Kampf gewaltiger Naturen um ein bedeutend Ziel vor Augen sah, wo um der Menschheit große Gegenstände, um Herrschaft und um Freiheit ward gerungen" jegt wurde das Ti, tanenthum Faust's, des Helden der Göthe'schen Jugend, fast ein Anachronismus. Die Fortsegung der Tragödie mußte im Ganzen mißlingen, so Hochbedeutendes sie auch im Einzelnen bot denn sie sprach nicht mehr den Inhalt der Zeit aus. Schon darum gebrach es dem zweiten Theil an innerer Lebenskraft, auch abge=. sehen davon, daß der Quell der Poesie bei dem alternden Dichter immer spärlicher floß. Die Spuren des Alters sind auch allen Figuren aufgeprägt: Faust selbst wird berechneter und fälter, Mephistopheles' Ironie ist ermattet; Wagner, der nun den Menschenstoff in seinen Retorten chemisch präparirt, ist nicht mehr der behäbige Pedant aux dem ersten Theil, er ist eine satyrische Charge geworden, über deren Bedeutung man nicht flar wird. Ist die wissenschaftliche Menschenfabrikation Wagners eine Parodie auf jene Versuche, das Geheimniß des organischen Lebens durch chemische Analysen zu erforschen? Wer mag es wissen! Deutlicher ist dies, daß in der Arroganz des als Baccalaureus

Bayer: Von Gottsched bis Schiller. II.

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zurückkehrenden Schülers der subjective Idealismus der Fichte'schen Philosophie parodirt ist. Aber wir müssen

es wohl sagen es freut uns im zweiten Theil nicht das Wiedersehen derjenigen Gestalten, die uns im ersten so vertraut geworden - wenn wir ihnen jegt näher in's Gesicht sehen, so sind es Masken, leblose Schatten. Je weniger Lebenskraft in den Hauptfiguren selbst liegt, desto reger und geschäftiger huscht und schwirrt das Schattenvolk symbolischer Personificationen umher, denen der Dichter hier den breitesten Raum gegönnt bat. Ein reiches Gedankenleben birgt sich hinter diesen Symbolen, aber es ist das Gedankenleben eines hohen, vereinjamten Geistes, der sich in sich selbst zurückzieht, und nur in geheimnißvollen Andeutungen einen Einblick in die Werkstätte seines Geistes gewährt. Nicht mehr formt der Dichter, wie sein Prometheus in dem schönen Gedicht, Menschen nach seinem Bilde, ein Geschlecht lebensvoller Gestalten, am Schlage seines Herzens beseelt - nur Schemen beschwört er herauf, obgleich er mit feierlichen Vorbereitungen in den tiefsten, allertiefften Grund, „zu den Müttern" hinabsteigt. Was in seiner Jugend in ihm lebte, das steigt jegt nur noch wie ein Phantom vor ihm empor- und wie die Gewande der Helena, in Wolfen aufgelöst, den Faust umgeben, nachdem ihr Körperliches verschwunden: so ist hier auch das Lebendig-Körperliche der Göthe'schen Poesie dahin, nur ihr Kleid und ihr Schleier ist geblieben, um aber noch immer seinen Geist wie auf Wolken emporzuheben.

Maler Müller.

Ein Nachtrag zur Charakteristik der Periode der
Driginalgenie's.

Neben Lenz und Klinger nimmt Maler Müller die hervorragendste Stelle unter den Sturm- und Dranggenossen ein. Seine Schriften wurden 1811 in einer verspäteten, und noch obendrein lückenhaften Sammlung von L. Tieck herausgegeben, ohne daß ihn aber diese Publication der Verschollenheit hätte entreißen können; neuerdings sind jene Dichtungen, die für sein Wesen und seine Entwickelung die bezeichnendsten sind, durch die zweckmäßige Auswahl H. Hettner's in der Brockhaus'schen „Bibliothek der deutschen Nationalliteratur" dem Publicum wieder zugänglicher gemacht.

Friedrich Müller wurde 1750 zu Kreuznach als Kind armer Eltern geboren. Ueber seine Jugend und erste Entwicklung fehlen uns die Nachrichten. Um 1770 kam er nach Manheim, wo er im Verkehr mit Dalberg, Gemmingen und dem Buchhändler Schwan in denselben Kreis anregender Elemente trat, die später auch erweckend und fördernd auf Schiller wirken sollten. Hier begann sich Müller als Poet zu fühlen und zu regen; die Zeit seines Manheimer Aufenthaltes (1770-78) war die eigentlich literarisch fruchtbare seines Lebens. Da ent

Bayer: Von Gottsched bis Schiller. II.

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