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Genau genommen, ist Golo die Hauptperson des Stückes. Die Schilderung seiner aus stiller Schwärmerei emporwachsenden Leidenschaft, die sich endlich zu dämonischer Höhe und Wildheit steigert, ist wahrhaft bewunderungswürdig. Da er hört, daß Genoveva ihrem Gatten Siegfried in den Mohrenkrieg folgen will, da macht sich sein gepreßtes Gefühl zuerst Luft. „Ha, daß ihr's doch Siegfried gewährte! Ich glaube, mir wäre dann auf einmal wieder wohl, gesund und stark.... Dort könnt' ich mich zeigen! O Sonne! Was für ein Leben! Wenn Kampfrosse an Kampfrossen stöhnten im Getümmel der Schlacht, wie in Oceans Stürmen ich mich vor ihr verlöre, vor ihren Augen den Preis zu erlangen! Der Ruhm liegt zu ihren Füßen und sie schreitet stolz wie eine Göttin darüber hin... O ginge sie doch mit dahin! Ich flög' ihr bald nach wie ein Adler des Himmels, nach über Berg und Thal!" Doch Genoveva bleibt daheim, unter der Obhut Golos, in der himmlisch reinen Anmuth ihres Wesens eine wachsende Qual für sein pochendes Herz. Anfangs will er die Leidenschaft noch ehrlich niederkämpfen. „Fort ist nun Siegfried, jetzt bin ich allein hier in Pfälzel. Vermögen, Ehre, alles mir anvertraut, seinen Schat, sein Glück, seine Ruhe. Golo, die Hand auf's Herz: was willst Du ? Könntest Du je Dich vergehen?... Nein! Viel lieber alles dulden und leiden... Lieb' ich sie denn? Und wär's auch, rein! Kein and'rer Gedanke beflecke jemals meine Seele. Daß ich ihr wohl will von ganzem Herzen, daß mich so verlangt nach ihrer Gegenwart, daß ich Wehe trage, wenn ich mich von ihr entferne, daß ich mich erquicke an ihren Spuren: das sei es auch alles, reine Anbetung, wie die Liebe zum schönsten Gestirn, dem man für seine Schönheit dankt." Aber vergebens alle diese Vorsäge; so wie den Hirsch nach der Quelle, zieht

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es ihn fort und fort nach ihrem Anblick. Wo sie gewandelt und die füße Luft geathmet, da möchte er begraben sein; „mein Leib wird dann," so ruft er aus, „nicht in Staub zerfallen, alle meine erstorbenen Adern werden in ein neues Leben zurückdringen und wie Blumen durch die Erde zu dieser Luft emporschießen !"

Mathilde, das unheimliche Weib voll verbrecherischer Energie, tritt nun als aufstachelnder Dämon ihm zur Seite. Sie ist seine Mutter, ohne daß Golo es weiß; sie hegt Liebe für ihn, wie die Wölfin für ihr Junges, dem sie das Lamm zur Höhle hineinträgt, um jenes im Würgen zu üben. Scheint er ihr doch so, als wären manche Menschen von der Natur wirklich für die Zähne des anderen bestimmt. . . Und ihr armer Junge, der sich so ganz verzehrt, wie ein Baum versengt über der Flamme! Sie kann's nicht länger ansehen, sie muß Rath_schaffen. Unter Mathildens Einfluß sehen wir nun den Schwärmer zum Wütherich herauswachsen; aber der teuflische Plan, Genoveva seiner Lust zu überliefern, scheitert an der reinen, stillen Seelenhoheit seines Opfers. Golo knieet vor der Eingekerkerten, er beschwört sie: „beuge diesen Felsensinn, der uns beide zu Grunde richtet! Wenn das Tugend ist, Genoveva, so weine der Himmel, daß es Tugend gibt, die den Unglücklichen verstößt! In der leßten Stunde wirst Du ohne Trost bleiben, werden Golo's Leiden schwer vor Dir stehen!" In der weiteren Steigerung dieser Scene erlahmt allerdings die Kraft des Dichters, die für die höchste Anspannung der Leidenschaft nicht überall ausreicht. Von jenem Moment an, wo Golo in äußerster Wildheit das Kind vom Stroh in die Luft reißt und es gegen die Mauer zu schleudern droht, wird die Behandlung ganz opernhaft. Das plögliche Umspringen aus der kernigen Prosa in die duettartige Reimform ist ein seltsames Auskunftsmittel für die dramatische Unzulänglichkeit dieser Stelle.

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Die freche Schandthat Golo's ist zu weit gegangen, als daß sie nicht vollendet werden müßte. „Laß Schuld tragen,“ ruft er aus, „wer schuldig ist; ich war lange schon ein verstümmelt Werkzeug, zu richtigem Gebrauch verdorben. Begrabt sie doch tief! Fort mit ihr, fort! Verbrennt sie mit Feuer, ihre Augen, die mich irregeleitet. . ." In sehr bedeutender Weise ist der Seelenzustand Golo's geschildert, wie die Mörder ihm die falsche Nachricht von dem vollzogenen Blutbefehl bringen; es dünkt ihm, die Erde rege sich unter ihm und die Hölle lodere herauf. Seine starke Natur wehrt sich im wilden Kampfe gegen das ungeheure Schuldbewußtsein, das ihn belastet; endlich richtet er sich im leßten Augenblick mannhaft empor und stirbt statt des Schächertodes, der ihm bereitet werden sollte, den würdigen Tod eines Ritters. Waldhorntöne tragen die klagende, volkslied artige Weise herüber, die gleich einem Refrain durch das Stück zieht:

Mein Grab sei unter Weiden,

Am stillen dunklen Bach!

Es würde uns zu weit führen, die episodischen Gestalten alle zu beleuchten, die sich um diesen Kern der Handlung gruppiren. Die Abgeschmacktheit des gelehrten Baders Heinrich ist allerdings zu breit ausgemalt, beiläufig so, wie die Absurdität des schurkischen Pedanten Knellius im Faustfragment; aber welche kernhafte Biederkeit liegt in dem Charakter des Schloßhauptmannes Adolf, des Bruders der verbrecherischen Mathilde, - und was für einen Hintergrund romantischer Waldpoesie hat allein die Gestalt des Dragones, der am Vogelherde das Remedium gegen die Gebrechen der Welt findet, im Frühjahr seine gefiederten Gefangenen wieder freiläßt und ganz glücklich ist, wenn in der Wildniß von einer

Buche, herunter eine Amsel das Salve regina ihm zusingt, das er sie im leßten Winter gelehrt! Alles, was zur charakteristischen Farbe des Zeitalters gehört, finden wir hier beisammen: es bligen die Lanzen, es glänzen die Rüstungen, um Ritterburg und Feldlager schaart sich ein buntes, reichbewegtes Leben, und helle Waldhörner schmettern durch den hallenden, grünen Wald, der in seinem tiefsten Innern in schützender Höhle ein ungeahntes, heiliges Geheimniß birgt. Auch die geistigen Mächte, die das Mittelalter bewegten, scheinen sichtbarlich hereinzuwirken. Wenn Genoveva ihren Schmerzenreich in tiefer Waldeinsamkeit die Hände zu Dem erheben läßt, dem die Wälder lobsingen und vor Dem die Tannen auf den Felsen fich neigen, so ist es, als ob der Himmel selbst über der rührenden Gruppe sich öffnete, sowie aus den Flammen, in denen Wallrod sich über der Leiche Mathildens verbrennt, die Gluthen des Abgrundes mit emporzuzischen scheinen. Dennoch wirkt das Ganze trotz der legendarischen Grundlage und der gelegentlich sich äußernden christlichen Empfindungsweise durchaus rein-menschlich und ist fern von jedem Zusat des Mystischen und Wunderbaren.

Man merkt es der „Genoveva“ von Maler Müller doch sehr zu ihrem Vortheile an, daß diese dramatische Dichtung in der fräftigenden Nähe des „Göß von Berlichingen" entstanden ist. Bei aller Formlosigkeit und den Auswüchsen des Kraft- und Geniestyls, die da auch nicht fehlen, ist das Stück doch im innersten Kern gesund und die spätere „Genoveva“ von L. Tied verhält sich zu demselben wie eine Blume aus Wachs zu einer frischen Waldblüthe voll aromatischen Duftes. Ein Zug nachgekünftelter Mönchsphantasie geht in unerfreulicher Weise durch die Tiecksche Dichtung. An der Stelle der psychologischen Schilderung der Leidenschaften, die bei Müller

so wahr und ergreifend ist, begegnen wir hier einer Reihenfolge von traumhaft verklingenden lyrischen Stimmungen in zierlichen Octaven und anderen Reimmaßen, und der heilige Bonifacius, der als Prologus und Chorus durch das Stück hindurchschreitet und zuletzt ein von ihm verfaßtes Sonett mit den Schlußworten: Ora pro nobis sancta Genoveva! recitirt, sorgt für die nöthige erbauliche Stimmung. Tied hat mit dieser Dichtung seinem Freund Friedr. Schlegel eine ganz besondere Freude gemacht; bei ihm war allerdings jenes Katholisiren nur literarische Liebhaberei, während es bei Schlegel die ernste Consequenz der Rückkehr zur alleinseligmachenden Kirche hatte. Eines bleibt aber doch gewiß und das hätte Tieck und seine Freunde und Brüder in der Romantik beherzigen sollen, daß in der Poesie nichts bedenklicher sei, als die Trennung der Phantasiewelt von der unmittelbaren Empfindung: sie führt zum mindesten zur unbewußten Lüge, wenn nicht noch weiter. Kaum gibt es einen größeren Gegensat, als hier dieses Geschlecht von literarischen Kennern, das fast nur mit dem ästhetischen Feingefühl dichten, seine ausgebreitete Receptivität auch produktiv verwerthen wollte, und dort die Stürmer und Dränger der 70er Jahre, die in ungebärdiger Schaffenslust der Natur die Zügel schießen ließen, und wenigstens eines für sich hatten, die unumwundene Aufrichtigkeit dessen, was sie producirten. Maler Müller regt zunächst zu dieser Vergleichung an, da wir ihn wenn auch auf einem anders eingeschlagenen Wege, auf einem Punkte mit den Romantikern zusammentreffen sehen.

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