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Auch hier tritt allenthalben eine Aufrichtigkeit des Gefühls und der Ueberzeugung hervor, die seine Productionen, trog der schlimmsten ästhetischen Ausschreitungen, in ihrem innersten Wesen achtungswerth und liebenswürdig erscheinen läßt. So ruhig schlägt nicht sein Herz, daß er jener poetischen Toleranz fähig wäre, mit der Göthe die Sonne seiner Dichtung leuchten ließ über Gerechte und Ungerechte, parteilos aber auch gleichgiltig wie die Natur, ohne andere Absicht als die, das Leben als solches zu beleuchten und fern von Lob und Tadel in seiner innern Wesenheit erscheinen zu lassen. An ästhetischem Tact und Maß, an der Künstlertugend der Selbstbeschränkung, woran man den Meister erkennt, da fehlte es ihm unbedingt, ebenso im Leben an dem Sinn für die richtige Mitte und an jener besonnenen Selbstbeherrschung, deren Mangel uns leicht in der Gesellschaft unmöglich machen kann; aber von sittlicher Ueberzeugung und von Gewissen besaß er weit mehr, als man sonst, um als ein höchst anständiger Mann zu gelten, durchschnittlich benöthigt.

Wie Lenz sein schriftstellerisches Verhältniß zu Göthe ansah, auch darüber finden wir in „Dichtung und Wahrheit“ eine Andeutung, die freilich nur flüchtig ist. Kaum war Gög von Berlichingen erschienen, da habe Lenz einen weitläufigen Aufsag an Göthe gesendet, betitelt: Ueber unsere Ehe. Das Hauptabsehen dieser ausführlichen Schrift war - so theilt Göthe

weiter mit „mein Talent und das seinige neben einander zu stellen; bald schien er sich mir zu subordiniren, bald sich mir gleich zu segen; das Alles aber geschah mit so humoristischen und zierlichen Wendungen, daß ich die Ansicht, die er mir dadurch geben wollte, um so lieber aufnahm, als ich seine Gaben wirklich sehr hoch schäßte und immer nur darauf drang, daß er aus dem formlosen Schweifen sich zusammenziehen und die Bildungsgabe, die ihm angeboren war, mit kunstmäßiger Fassung benugen möchte." Mit dieser kurzen Mittheilung über den Inhalt jener Schrift müssen wir es uns genügen lassen; sie selbst ging verloren. Doch scheint sie so ziemlich durch die Skizze: Pandaemonium germanicum ersegt zu sein, wo Lenz, kühn genug und voll Selbstgefühl, sich neben Göthe stellt, wenigstens sein Streben dem des größeren Freundes als ebenbürtig erklärt. Die genannte Skizze soll eine Art_aristophanischer Satyre sein, ein literarischer Walburgisnachtstraum, wo freilich die Ideen nur gleich zerrissenen Nebelbildungen hin- und herschwanken, sich bilden und umbilden, aber durch die zerrinnende Unbestimmtheit des Ganzen doch einzelne treffende Züge hervorblicken lassen.

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Wir sind im Tempel des Ruhmes. Hagedorn segt sich an eine schwarze Tafel und malt einige Thiere hin. Lafontaine, hinter seinem Rücken, klatscht in die Hände, indem er ihm zusieht, und ruft: bon! bon! cela passe! Gellert unterdessen, drängt sich in einen Winkel, kniet nieder, weint bittere Thränen, fängt auf einmal an geistliche Lieder zu singen, dann verfällt er

in ein trübsinniges Schweigen, als ob er ein schweres Verbrechen auf dem Gewissen hätte. Gleim tritt herein mit Lorbeeren um das Haupt, in Waffen und Rüstung, ganz erhigt von den preußischen Kriegsliedern; im nächsten Moment entwaffnet er sich und spielt auf der Leier Anakreons. Auch Wieland stellt sich ein; er hält sich zunächst zu den Damen. „Womit kann ich aufwarten?" fragt er. „Sind Ihnen Sympathien gefällig oder Briefe der Verstorbenen an die Lebendigen oder ein Heldengedicht?" Endlich stürzt Göthe herein, mit einem mächtigen Knochen aus einem Hünengrabe in der Hand, die Kraft der Vorzeit dem entnervten Jahrhundert entgegenhaltend. Zornig entreißt er Wieland die Leier, und sagt: Ich will euch jezt spielen, obschon es ein verstimmtes Instrument ist. Alles weint; Wieland der eben erst ausgeschimpft wurde, ruft auf den Knien: das ist göttlich; eine Menge Damen drängen sich heran, und umarmen Göthe. Ein Pfarrer jedoch besteigt wüthend die Kanzel, und predigt, mit Händen und Füßen schlagend, gegen die „Leiden des jungen Werther." So gruppirt sich in der That, in einigen hingeworfenen Federzeichnungen, ein gutes Stück Literaturgeschichte vor unsern Blicken. Jegt sehen wir Göthe wieder allein, auf einem steilen unzugänglichen Berge, von dem Alle, die ihm nachstreben, wieder zurückrutschen; es ist die einsame Höhe der Originalität. Nur Lenz tritt hier dem Ueberraschten entgegen, und drückt ihn mit dem Ausruf: Bruder Göthe!" an sein Herz. Wo bist Du mir nachgekommen ?" fragt ihn dieser. „Ich weiß nicht," antwortet Lenz, wo du gegangen bist,

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aber ich hab' einen beschwerlichen Weg gemacht.",,Blei= ben wir zusammen!" ruft Göthe ihm zu. — Zulegt werden wir in die Zunft der Komödienschreiber versegt, wo der überall entlehnende, geistlose Eklektiker Weiße den Zunftmeister spielt. Er trägt einen französischen Gallarock, dazu eine kurze englische Perücke; jezt steift er sich zum tragischen Ton des englischen Theaters auf - Alles ruft: deutscher Shakespeare! nun trippelt er auf den Zehen und lispelt im Soubrettenton - und dem Kunstrichter Schmidt ist's wieder, als ob er in Paris wäre. Da kömmt Lessing, Klopstock und Herder; Weiße macht seine Kunststücke fort. Lessing fragt: „Soll das Nachahmung der Franzosen sein, oder der Griechen?“ „Beides“, sagt Weiße unter Bücklingen. Gebt doch auf die menschliche Gesellschaft Acht,,,er= widert Lessing unwillig, „mischt Euch unter sie, beob= achtet, was ihr schildern wollt, und dann erst lernt den Alten ihre Manier ab!" Er wirft,,Minna von Barnhelm" unter die Komödienschreiber aber das Gefrigel der Nachahmung geht da noch ärger an. Endlich ruft Herder Shakespeare's Geist; er erscheint, indeß Weiße zum Tempel hinausschleicht. Einige fallen auf ihr Angesicht, die Franzosen messen ihn mit verachtenden Blicken; die deutschen Jungen machen es ihnen nach. Der Schatten verschwindet. Lenz, der indeß den Franzosen Gesichter geschnitten, wird von Herder und bemerkt, und gesellt sich zu ihnen. Ihm ist es aufge= gangen, was das heutige Trauerspiel anstreben solle. ,,Geht in die Geschichte," sagt er, seht einen emporsteigenden Halbgott auf der Staffel seiner Größe gleiten,

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oder einen wohlthätigen Genius schimpflich sterben! Schildert Leiden, wie die der Götter, wenn eine höhere Macht ihnen entgegenwirkt; gebt ihnen alle tiefe, voraussehende, Raum und Zeit durchdringende Weisheit der Bibel, gebt ihnen alle Wirksamkeit, Feuer und Leidenschaften von Homer's Halbgöttern und mit Geist und Leib stehen eure Helden da. Möcht' ich die Zeit erleben!" Klopstock, Herder und Lessing rufen vereint: ,,Der brave Junge! leistet er nichts, so hat er doch groß geahnet.“ Und Göthe darauf spricht das entschlossene Wort: „Ich will es leisten!"

Lenz hat hier das Verhältniß zu seinem großen Rivalen selbst am besten bezeichnet: was er mit tiefem Drange geahnt, Göthe hat es mit schöpferischer Kraft geleistet! Der Stachel des Wollens, das sich nicht mit dem Können in's Gleichgewicht segen konnte, drückte sich freilich immer tiefer in seine Brust. Er wußte sehr wohl, daß seine eigenen dramatischen Gemälde ,,alle noch ohne Styl, sehr wild und nachlässig auf einander gekleckst seien, und bisher nur durch das Auge seiner Freunde gewonnen hätten;" er wußte es wohl, was ihm fehle, konnte sich aber dennoch nicht helfen, nicht aus der trüben Gährung des mächtig strebenden Gemüthes sich zur künstlerischen Ruhe aufarbeiten. Auf dem steilsten Wege hatte er sich zur Höhe der Originalität emporgerungen aber oben angelangt, ergriff ihn der Schwindel, während Göthe frei und ruhig um sich blickte.

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Wie bedeutend aber seine Ahnungen waren, wie er sie auch bestimmter zu formuliren, die Aufgabe des

Bayer: Von Gottsched bis Schiller. II.

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