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Augen halten; denn er bildet die nothwendige Voraussetzung einer richtigen Einsicht in die „Idee" des Gedichts. Dieser Inhalt der „Tragödie," wie sie die Welt von 1790 bis zum Erscheinen des „zweiten Theils" 1832 allein gekannt hat, ist, möglichst farblos und neutral gefasst, kein anderer als die Lebenskatastrophe eines hochbegabten Menschen, der, des rechten Wegs der Erleuchtung und Befriedigung fehlend, sich „der Magie ergibt,“ dem heraufbeschworenen Bösen sein für nichts geachtetes Jenseits" verschreibt und nach einem im Taumel der Sinnlichkeit durchrasten Diesseits" mit diesem Bösen verschwindet." Diesen der Faustsage im wesentlichen entsprechenden Inhalt finden wir nicht nur in dem „Fragment," soweit dieses eben die Handlung fördert, sondern auch dem neuen Programm des „Prologs" zum Trotz unläugbar noch

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in der, freilich mit fremdartigen Elementen durchsetzten „Tragödie." Daran kann kein Ausleger etwas ändern. Dieser Stoff bildet nun einmal das specielle Thema auch des Goethischen Faust, mag man seine. Bedeutung durchschauen oder darin nichts als wüsten Aberglauben" erblicken.

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Nun sehe man zu, was alles aus diesem Stoff unter den Händen unserer modernen Interpreten geworden ist, und man wird sich überzeugen, dass von einer „Idee," welche diesem Stoffe wie die Seele dem Leib entspräche, bei solcher Auslegung unmöglich die Rede mehr sein kann; ja dass es, falls sie im Recht wäre, das klügste sein müsste mit v. Löper ganz darauf zu verzichten die allgemeine Idee des Faust-Gedichts zu formuliren," indem dasselbe etwa „nur concret aus bestimmten nationalen und historischen Voraussetzungen zu erklären" wäre.

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Dieser ablehnenden Ansicht steht aber die unab

weisbare Forderung des Kunstwerks als solchen entgegen, welches, gerade deshalb weil es keine abstracte sondern concrete Natur hat, auch einen specifischen Geist oder Charakter haben muss, der in jenen „bestimmten nationalen und historischen Voraussetzungen“ keineswegs aufgeht, sondern vielmehr diese sich unterwirft und dienstbar macht, um sich selbst zur Darstellung zu bringen. Als blosse „Voraussetzungen" schon können sie das Werk an sich nicht besser „erklären" als z. B. jene Moleschott'sche „Summe" von Lebensbedingungen, aus welchen der moderne Materialismus unsere Persönlichkeit zusammenkleistert, den individuellen Menschen erklärt. Beide Male „fehlt leider nur das geistige Band."

Wenn also unser Dichter selbst bereits 1788 den Faden seiner Faustidee längst verloren hatte, ja, wenn er als Greis gelegentlich sogar äussern konnte, von einer solchen Idee überhaupt nichts zu wissen, so darf uns diess um so weniger irre machen, als wie gerade zur Erklärung der Thatsache, dass Goethe sein eigenes herrliches Meisterwerk missverstand," schon vor fünfzig Jahren J. J. Wagner in seiner geistvollen Dichterschule" bemerkt der echte Dichter zwar ein Seher ist, aber immer zugleich wie Homer ein Blinder." Das Forschen nach der Faustidee, sofern es nicht, wie z. B. noch bei dem würdigen Sengler, sich ins Blaue hinein verirrt, sondern auf dem Boden bleibt, auf dem das Gedicht gewachsen ist, bewegt deshalb die Geister noch immer mit Recht.

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Diess gibt auch Kuno Fischer insofern als er nicht etwa nur den im Prolog vom Dichter selbst angedeuteten Grundgedanken der „neuen Dichtung" schon im ersten Theile wirklich dargestellt

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sehen, sondern auch die Idee gefunden haben will, die dem Dichter in seiner ersten Faustdichtung vorschwebte." Man hat, sagt er, „den tiefsinnigen Charakter dieser Dichtung von jeher empfunden, und unter diesem überwiegenden Eindruck sich daran gewöhnt den Goethischen Faust wie ein schweres Problem, wie die grosse Sphinx unserer Litteratur zu betrachten. Was bedeutet das Gedicht? Was ist der Sinn oder die Idee des Ganzen? Wie erklären sich daraus die einzelnen Züge? Wie oft sind diese Fragen aufgeworfen und die Erklärungsversuche gemacht worden! Es müsse eine Wahrheit geben, zu der sich das Gedicht verhalte wie die Fabel zur Moral; im Besitze dieser Wahrheit könne man erst das Gedicht würdigen und seine geheimnissvollen Züge enträthseln." Fischer läugnet aber dessen ungeachtet, dass der Goethische Faust aus einer Grundidee heraus zu erklären" sei, und zwar aus objectivem und subjectivem Grunde, aus dem Stoff der Dichtung und aus ihrer Entstehungsweise, womit er freilich zugibt, dass die von ihm entwickelten zwei Grundgedanken der alten und der neuen Dichtung" als Hauptschlüssel in dem eben ausgesprochenen Sinne nicht zu gebrauchen sind. Seine Gründe wider die künstlerische Einheit des Gedichts treffen aber, wie ich zeigen werde, nur in Rücksicht auf dessen spätere Gestalt zu.

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Eben das Ungenügen der vermeintlichen Idee" oder „Tendenz" des Gedichts, welche der Exeget sich zurechtlegt so gut er vermag, verleitet ihn nur zu leicht, die Berechtigung zur Annahme einer solchen Idee überhaupt zu läugnen. So scheint es auch einem anderen modernen Faust-Ausleger ergangen zu sein, welcher eine solche Idee des Ganzen," wenn man einmal das Zeit- und Charakterbild in ein Tendenz

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Gedicht umsetzen und so seinen ethischen GedankenGehalt herausziehen wolle, in dem „Evangelium der Versöhnung des Subjects mit dem Leben," welches Faust predige, gefunden zu haben glaubt, und doch die Unstatthaftigkeit der Erklärung des Gedichts durch eine solche „allgemeine philosophische Idee" aus dessen specifischem individuellen Local- und Zeitcharakter folgern will, indem es das Individuum darstelle, in welchem das Streben nach echter und allseitiger menschlicher Befriedigung erwacht sei, in einer Epoche und einer Umgebung, die seinem Bestreben die Befriedigung versagen (Köstlin). Könnte diess von einer Dichtung, die alle möglichen Orte und Zeiten umfasst und, wie schon Vilmar bemerkt hat, ihrer ganzen Anlage nach über den Rahmen eines blossen Zeitbildes hinausragt, in Wahrheit gesagt werden, so könnte dieser Charakter der Dichtung immerhin nur gegen die Pseudo-Idee einer blossen. Abstraction, nicht aber gegen die Möglichkeit der Auffindung der wahren Faustidee beweisen, die ja eben, wie gezeigt, den specifischen Charakter des Gedichts im Einzelnen wie im Ganzen erklären soll und muss.

Man weiss nicht um was es sich beim Forschen nach Goethes Faustidee handelt, solange man einerseits nicht zu der Einsicht gelangt ist, dass diese Idee nicht ein beliebiger, dem Ganzen als bewusste Tendenz zu Grunde gelegter, „allgemeiner philosophischer Gedanke," sondern die demselben einwohnende Seele ist; und so lange man andrerseits das Vorurtheil hegt, diese Seele, wenn nur erst wirklich erkannt, lasse sich nicht aus ihrer anschaulichen Lebendigkeit auf einen einigermaassen präcisen begrifflichen Ausdruck bringen. So selten es bei grossen und tiefen

Conceptionen in völlig befriedigender Weise gelingen mag, diesen Ausdruck in einen Satz zu fassen, die Umschreibung der Idee eines Gedichts bleibt deshalb doch etwas von der Umschreibung des Gedichts Verschiedenes diese ist eine Aufgabe für Schüler, jene ein Meisterstück; denn sie wiederholt nicht den Inhalt des Gedichts, sondern deckt den innersten Grund seiner Entstehung in einem maassbestimmenden und zielsetzenden geistigen Urbild auf. Will man dasselbe als „Grundgedanken" bezeichnen, so ist nichts dagegen zu sagen, sofern er den Erfordernissen entspricht die wir daran knüpfen. Sollte aber kein einziger der bis jetzt aufgestellten „Grundgedanken" des Faust diess leisten, so hiesse es eben: hic Rhodus hic salta!

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