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Beide Sätze sind aber, wie kaum der Ausführung bedarf, von vollendeter ethischer Indifferenz oder Zweideutigkeit. Sie rechtfertigen Alles und Nichts. Diess musste bei der Fortsetzung des Gedichts, im zweiten Theile der Tragödie, zu Tag treten, wo wir Zweck und Ziele des strebenden Faust zum Höchsten verwirrt und die Welt zur abenteuerlichsten Phantasmagorie, in der sich schliesslich noch der christliche Himmel öffnet, verkehrt sehen. Für den ersten Theil aber hatte sich jener dem älteren Goethe so sympathische Gedanke als Ausweg aus dem Dilemma Fausts zwischen der Nichtbethätigung seines Willens und dem gänzlichen Verderb seines Willens nahegelegt: der Charakter des Helden blieb dabei scheinbar gewahrt und die gescheute Consequenz seines Thuns scheinbar vermieden. Hierin aber lag ja ein grosser Irrthum; denn die Bethätigung im Schlechten kann weder eine mannhafte noch eine menschheitsbestimmungsgemässe sein. Im Gegentheil sehen wir ja wie Faust durch diese Bethätigung nicht nur Verderben stiftet, sondern sich selbst auch verdirbt und dem Bösen anheimfällt. Dem Charakter des Helden war es angemessen, sich in dieser Richtung selbst zu belügen, und insofern konnte jener Gedanke nicht nur von ihm ausgesprochen, sondern auch für die Entwicklung der Handlung von Bedeutung werden; der Dichter selbst aber musste darüber stehen, wenn er den Faden dieser Handlung nicht verwirren und zuletzt, wie mit dem zweiten Theile geschehen, gänzlich abschneiden wollte.

Moralisch indifferent ist der Lebensdrang Fausts aber schon seiner Entstehung und ursprünglichen Richtung nach, ganz abgesehen von den verderblichen Folgen, keineswegs; denn er hat sich eben

der Magie ergeben" und kann diese nicht mehr von seinem Pfad entfernen" d. h. die einmal durch Imagination entzündete Begierde kann sich nur mit dem Missbrauche des zwischen seinen beiden Polen, Erkenntniss und That, kreisenden Lebens erfüllen : der vom Wissensdrang geheilte" Faust verfällt mit seinem Thatendrange nur in weit schlimmere Erkrankung. Das hat nun der Dichter, wie sehr er auch die moralische Würde seines Helden zu wahren bemüht war, in unserer Scene unumgänglicher Weise zum Ausdruck und zur Anschauung gebracht. Da ihn aber eben dieses Bemühen mit der Handlung der Tragödie in Widerspruch setzte, so sehen wir ihn hier, zum Zwecke der ethischen Motivirung dieser Handlung, dem Thatendrange Fausts eine der ursprünglichen Conception fremde Folie unterlegen, indem er den Helden sich mit Worten vermessen lässt, das Wohl und Weh der ganzen Menschheit auf seinen Busen zu häufen", als könne eine solche Häufung der Tendenz seines Thatendranges etwas zusetzen, was ihr sittlichen Werth gäbe, während doch schon das vorausgeschaute Ziel: mit der Menschheit selbst zu zerscheitern" nur die Verzweiflung an dieser Bethätigung seiner rastlosen Begierde bestätigt. Diese vermeintliche Vertiefung und Vergeistigung der Handlung löst sich also in nichts auf, und es bleibt nur die dieser Handlung eigenst zugehörige Desperation Fausts an seiner wahren Lebensaufgabe übrig.

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Der Dichter hat, vergessend dass jener Gedanke in Fausts Munde nur eine unwahre Beschönigung seiner Rastlosigkeit sein kann, diesen Gedanken festgehalten und weitergesponnen. Er hat sich der Täuschung hingegeben, als bedürfe es, um seinen „Faust“

über die Fratzen" der Faustsage hinauszuheben, nur eines weiteren oder höheren Spielraums für den Helden, ohne zu bedenken, dass nicht der Spielraum sondern der Spieler und dessen concrete Willensrichtung das ethisch und poetisch Bedeutsame ist, und dass es nicht sowohl darauf ankam, diesen Faust „in höhere Regionen, in würdigere Verhältnisse emporzuführen“, als vielmehr, wenn er denn einmal „gerettet" werden sollte, die Verwandlung im Innern des Helden zur Anschauung zu bringen. Aus diesem Grundirrthum ist dann die langwierige zerfahrene und unfruchtbare Beschäftigung mit einem zweiten Theile der Tragödie erwachsen, wogegen dasselbe Motiv des „strebenden" Menschen in der Handlung des ersten Theiles glücklicherweise nicht nur keinen Raum gewonnen hat, sondern von ihr geradezu ausgeschlossen ist; denn von einer Bethätigung im Sinne jenes Motivs ist in diesem ersten Theil nichts zu verspüren, wohl aber von einer Bethätigung im Sinne der ursprünglichen, dem Faustthema noch nicht entfremdeten Conception.

4.

Die Verjüngung.

Weil jeder physische Lebensgenuss ein gewisses Maas leiblicher Gesundheit und Spannkraft voraussetzt, insbesondere sein Brennpunkt, die sinnliche Liebe, ein in der Blüthe stehendes Leben zur Bedingung hat, so bedarf unser Held, um sein neues Lebensprogramm durchführen zu können, der physischen Verjüngung. Denn er steht ja bereits in vorgerücktem Mannesalter, so dass ihm „dreissig Jahre vom Leibe geschafft" werden müssen, „den Cursum durchschmarutzen“ zu können. So bildet den nächsten Fortschritt der Haupthandlung diese durch Zauberkräfte bewirkte Verjüngung Fausts und die ihr gewidmete Scene, deren äussere Ausstattung der Phantasie eines Breughel und Tenier entlehnt ist, ein nothwendiges Glied dieser Handlung. Diess passt aber nun wieder nicht in den Kram der modernen Auslegung, deshalb sehen wir auch hier wieder das, was in unserer Scene nur nebensächlich ist zur Hauptsache und was Hauptsache ist zur Nebensache gemacht. Hierzu muss selbst der zufällige Umstand dienen, dass die Ausführung der Scene erst 1788 und zwar im Garten Borghese zu Rom

erfolgte. Nur das originelle Komische" der Darstellung, nicht deren tragische Bedeutung wird ins Auge gefasst; diese wird geradezu wegdisputirt. Während Weisse*) in unglaublicher Begriffsverwirrung nachzuweisen sucht, „der besondere Sinn der Hexenscene" konne nur durch die Zusammenstellung dieser Scene mit der unmittelbar vorhergehenden „Auerbachs Keller" klar werden, versichert uns Düntzer, zwischen beiden Scenen müsse eine längere Zwischenzeit angenommen werden, in welcher Faust sich ganz unbehaglich und unglücklich gefühlt und keine Befriedigung in den ihm von Mephistopheles gebotenen Genüssen gefunden" habe: „die ganze Scene in der Hexenküche soll zur Darstellung bringen, wie Mephistopheles den Faust in bestialische Sinnlichkeit zu versenken sucht, was symbolisch durch den Hexentrank dargestellt wird, der die gemeine sinnliche Kraft in ihm aufregen soll. Um die gemeine Sinnlichkeit in ihrer jedes höheren Sinnes entbehrenden Bestialität zu zeigen, schildert Goethe die tolle Sinnlosigkeit der Hexenwirthschaft mit den lebendigsten Farben, wobei er zugleich Gelegenheit erhält, des ganzen albernen Hexenglaubens mit demselben Humor zu spotten, womit wir ihn früher die Vorstellung des Volksteufels vernichten sahen." Nicht ganz so ,,sinnlos" denn was ist sinnloser als „durch alberne Sinnlosigkeit die bestialische Sinnlichkeit aufregen“ zu wollen? - hatte bereits Weisse die scheinbar auf der Hand liegende Entdeckung gemacht, die Goethische Hexenküche werde uns „sogleich von vorn herein als eine Werkstätte des Unsinns, der Albernheit viel

*) Kritik und Erläuterung des Goethe'schen Faust. Lpzg. 1837 S. 129.

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