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5.

Die Liebestragödie.

Die Liebestragödie hat der modernen Kritik — soweit diese nicht geradezu in den Tag hinein schwatzt und die Handlung in ihr Gegentheil, in das Ideal der Liebe" verkehrt grosse Verlegenheit bereitet, so dass z. B. Karl Köstlin auf den Einfall kommen konnte, sie als „Episode" ja als idyllische Episode" aufzufassen. Er mochte sich als ehrlicher Schwabe sagen: zu der Streberidee, zur Entfaltung des „ganzen Menschen" passt denn doch diese mit Teufelskünsten ins Werk gesetzte Verführung eines unschuldigen Kindes herzlich schlecht. In solcher Verlegenheit gerieth er auf den Ausweg, den Kern der Tragödie als ein blosses Zwischenspiel und, was erstaunlicher ist, als ein Idyll zu betrachten!

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Nicht besser steht die Sache bei O. F. Gruppe, dessen Faustkritik sich übrigens durch Unbefangenheit hoch über die meisten modernen Commentare erhebt. Er lässt die Tragödie Margarethe" und die ༡, Tragödie Faust" ganz auseinanderfallen. Jene ist ihm „der Gipfelpunkt von Goethes Leistungen" und herrlich zu Ende geführt"; dagegen erklärt er sich ausser Stande der letztgenannten den gleichen Rang

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einzuräumen, „weder vom philosophischen noch vom poetischen Standpunkte." Denn es habe „nicht gelingen wollen, hier Tiefe geschweige denn, was in Kunst und Wissenschaft für das Höchste gilt, klare Tiefe zu entdecken." Goethe sei bei seiner späteren Arbeit (wozu Gruppe merkwürdigerweise auch die Gretchenscenen rechnet) von seinen alten Intentionen" abgekommen und nachher gleichwohl „so viel als irgend noch möglich war" zu diesen Intentionen „zurückgekehrt. So sei die Walpurgisnacht, „von der die Paralipomena offenbar Stellen der Grundlage haben" entstanden. Vortrefflich! aber die alten Intentionen", worin bestanden sie? Auf der einen Seite wird uns das Element des Hexenzaubers" als dazu gehörig bezeichnet, auf der anderen Seite heisst es: Faust sei „durchaus als ein titanischer Charakter, der über das Menschliche hinauswill", gefasst gewesen. Aber er sei weder als Titan, im Conflikt mit der Gottheit, noch als Mensch, im Verhältniss zum Teufel, durchgeführt, namentlich sei er als Mensch „viel zu sehr Ausnahme, um Vertreter der Gattung und hier Träger einer tiefer gehenden Symbolik zu sein." Also der contradictorische Gegensatz von Vischers, Köstlins u. A. ganzem, ächt menschlichem Menschen“! Es bleibe diesem Faust zuletzt nur die allgemeine Unersättlichkeit", und diese sei ganz verschieden von irgend einer besonderen Ueberhebung; sie sei etwas so Abnormes, so unverkennbar Verkehrtes, ja, wie das Stück selbst entgegenbringe, so nahe an Tollheit gränzend, dass man nicht verstehe wie damit ein tieferer philosophischer Gehalt zu verbinden war.“*)

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*) Und doch nagen die modernen Commentatoren noch immer an diesem Knochen, wie z. B. Vischer, wenn er auseinandersetzt, Faust fehle eigentlich nur im Nichtmaashalten.

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Die Thätigkeit des Dichters an der Faustfabel im Ganzen betrachtend, resumirt er: es lasse sich „schwer verkennen, dass sie von ihren Anfängen bis zu ihrem späten Abschluss in beständiger Fluctuation gewesen sei, dass der Dichter, diessmal weit entfernt, einem sicher festgestellten Plan zu folgen, vielmehr sich vielfach von äusseren Einflüssen und zwar von sehr verschiedenartigen habe bestimmen lassen." Danach wären jene „alten Intentionen" überhaupt nichts werth gewesen. Gleichwohl wirft Gruppe die Frage auf: wodurch ist Goethe davon abgekommen? und will dafür die Einführung und das Ueberwachsen der Liebestragödie" verantwortlich machen. Ja er behauptet: diese Scenen können nicht aus dem ältesten Manuscript sein, wenigstens nicht in der Gestalt wie sie vorliegen, aus dem einfachen Grunde, weil sich hier die höchste Meisterschaft zeigt, wie sie Goethe nicht in den siebziger, sondern erst in den achtziger Jahren besitzt: wir sind hier in jedem Wort auf der höchsten Höhe seiner Künstlerschaft und es hängt Alles auf das Trefflichste zusammen, von der Hexenküche ab, die jünger ist. Die Ausdehnung dieser Partie nun, so herrlich sie an sich ist, machte aus dem Gedichte eine Tragödie ganz anderer Art, warf das ursprüngliche Gedicht aus der Bahn, wurde, wie mir scheinen will, eben das Hinderniss des Abschlusses und nöthigte zu dem kühnen Entschluss

Zur Entschuldigung freilich muss ihnen des altgewordenen Dichters eigene Interpretation in jener Ankündigung" des ,,Zwischenspiels Helena" (in Kunst und Alterthum, vergl. S. 168 oben) gereichen, wonach es zwar nicht das Nicht-genughaben-können, sondern das Nicht-befriedigt- werden-können wäre, das Faust charakterisirt; aber in Ermanglung jedes Maasstabes der Werthschätzung dieses ,,in den allgemeinen Erdenschranken sich ungeduldig und unbehaglich Fühlens" fällt beides zusammen.

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das Vorhandene als Fragment zu geben." Gruppe meint damit das "Fragment" von 1790. Jener „einfache Grund", dem er übrigens selbst die Spitze abbricht durch die Einschränkung wenigstens nicht in der Gestalt wie sie vorliegen", ist inzwischen schon durch die Auffindung der Göchhausen'schen Abschrift des alten Faustmanuscripts widerlegt; denn mit Recht bemerkt Erich Schmidt, dass zu dem „Urfaust" d. h. zu den bereits in Frankfurt entstandenen Theilen der Dichtung, in den Jahren 1776 bis 1786 nachweisbar nichts Erhebliches hinzugedichtet worden ist. Um so stärker erscheint die Zumuthung, gerade die Gretchenscenen, die die Tragödie Faust" überwachsen haben sollen, als ein „fremdartiges Element“ anzusehen.

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Bei völlig einander entgegengesetzten Ansichten über diese Tragödie wird also gleicher Weise die Einfügung unseres Liebeshandels in das Faustthema als willkürlich und für dieses gleichgiltig betrachtet! Nur dass Gruppe unbefangen genug ist, die schweren Folgen dieser vermeintlichen Indifferenz der Haupthandlung nicht zu verkennen, während die Anderen. die „Einheit“ der Dichtung trotz alledem naiver Weise festhalten wollen.

Allerdings könnte man, sogar von meinem Standpunkte aus, bei der Unterscheidung der mit der Grundidee des Dramas in direktem Zusammenhange stehenden Scenen von denjenigen, die nur mittelbar mit ihr in Verbindung stehen, dazu versucht sein, die ganze Liebestragödie in die letztgenannten einzureihen. Allein das hiesse dem Werke des Dichters, wie es nun einmal vorliegt, Gewalt anthun, indem man sich verleiten liesse, über dem unendlichen Reize der Melodieen das „Leitmotiv" zu überhören, das, im

Einklange mit der von mir beleuchteten Grundidee der Dichtung, die ganze Conception beherrscht. Dass das Leitmotiv der Liebestragödie nicht die Streberidee sein könne, sollte auch ihrem verfahrensten Vertreter einleuchten. Man setze doch vor diesen Liebeshandel, der mit der Aufforderung beginnt „Hör', du musst mir die Dirne schaffen" und mit Wahnsinn und Grauen endigt, das Motto:

Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
Ist sich des rechten Weges wohl bewusst

um die ganze Absurdität dieser Auslegung in nuce zu fassen! Hat nicht der Held dieser Liebestragödie Gott nur verworren" gedient? wird er nicht. zweiten Theile „gerettet"?!

im

Auch Weisse, der noch in seiner bereits mehrfach erwähnten letzten Abhandlung daran festhält, dass für den ganzen Liebeshandel die Sage durchaus kein Motiv geboten“ habe und dass gleichwohl kein Zweifel darüber sein könne, dass diese Liebesscenen zu der Conception der Goethischen Faustdichtung wesentlich und ursprünglich gehören und ihr nicht etwa später von aussen einverleibt sind“, ja der gerade hierin einen neuen Beweis erblicken will dass Goethes Dichtung sich von vorneherein von der Sage emancipirt" gehabt und ihr nicht einmal das Motiv der Liebestragödie entnommen habe auch Weisse hat zur Beleuchtung jener Conception nichts weiter beizubringen als die Versicherung, dass diese Liebesgeschichte eine der reizendsten und zugleich der sittlich ergreifendsten sei, die aus dem Schöpfergeiste unseres Dichters entsprungen" und dass sie nothwendig sei, um Fausts Wesen, sein eigentliches Selbst zur dichterischen Offenbarung zu bringen." Dieses eigentliche Selbst aber läuft auch bei Weisse wieder

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