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offenbart den um ihn versammelten Gläubigen „die herrliche Spur des ewigen Lebens der tiefsten Natur“ - in Wollust und Habgier. In besonderer Audienz tritt noch die Niedertracht auf, und in „tieferer Region" der Blutdurst. Es sind nur abgerissene Fäden des Gesammtgewebes, sie gehören aber in dessen Mitte und entstammen der ursprünglichen hochgenialen Conception, da der Dichter seiner Faustidee noch vollkommen mächtig war; obschon sie nicht sowohl wegen der Anstössigkeiten als weil sie des. Abschlusses entbehren, ausgelassen wurden. Jedenfalls ist es eine völlig willkürliche Behauptung, der Dichter habe „wohl nie ernstlich daran gedacht, diese Scenen seiner Faustdichtung einzuverleiben.“ *)

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Mit diesen Scenen darf man es also nicht so leicht nehmen, noch weniger sie auf Rechnung eines blossen Stilwechsels setzen; obwohl angesichts des „Intermezzo," sowie einzelner Stellen der „Walpurgisnacht," endlich des ganzen zweiten Theils das strenge Urtheil Vischers nicht ohne Grund ist: „Die wachsende Einseitigkeit, womit Goethe sich in den classischen Idealstil einlebt, wirkt Jahrzehend um Jahrzehend als Ursache der Verschleppung des tiefsten aller seiner Werke, dringt, nachdem sie sich in natürlicher Consequenz zur Allegorien-Spinnerei ausgebildet hat, in den Faust selbst ein und zersprengt den ursprünglichen Charakter des Gedichts." Nur sollte dieses Urtheil den Schwerpunkt nicht auf die Form, sondern auf den Inhalt legen. Freilich hängen beide in Sachen der Poesie zusammen, und das Verdienst

* Fr. Strehlke, Paralipomena zu Goethes Faust. Stuttg. 1891 S. 35.

Vischers, die ganze Schwäche jener zuerst mit Entschiedenheit blossgelegt zu haben, will ich durchaus nicht schmälern. Was insbesondere den zweiten Theil betrifft, so spricht Vischer seine Verwunderung aus, in dem darüber entbrannten Streit in der Litteratur vereinzelt zu stehen, und tröstet sich mit der Ueberzeugung, dass die Mehrheit der Faustleser für ihn stimme, aber sich nicht die Mühe nehme, zu schreiben was sie über diesen zweiten Theil denke, weil sie meine: es verstehe sich zu sehr von selbst, als dass ein gesunder Kopf daran zweifeln könne, dass hier eine Welt von abstrusem Dunkel und Ungeschmack vorliege." In der That ein schlimmes Zeugniss gegen die schreibende Minderheit! Aber das Alleinstehen Vischers kann nur der modernen Faustlitteratur gegenüber behauptet werden: die älteren Litterarhistoriker und Kritiker von Bedeutung waren der Mehrheit nach in der Hauptsache ganz mit ihm einverstanden, wie denn Vilmar sein Urtheil geradezu in den Worten zusammenfasst: „Nach fünfzig Jahren wird dieser ganze zweite Theil fast ganz ohne Verständniss, mithin auch ohne Interesse sein, während der erste Theil als ein unvergleichliches Meisterwerk noch nach Jahrhunderten die Bewunderung der kommenden Geschlechter erregen wird." Heutzutag dagegen sind wir so weit in dem Verständnisse dieser Welt von abstrusem Dunkel und Ungeschmack " fortgeschritten, dass dieselbe nicht allein vor dem gebildeten Theater - Enthusiasten mit scheinbarem Erfolg aufgeführt wird, sondern auch in einer Universitätsvorlesung an der „Centralstelle deutscher Geistescultur" gesagt werden darf: „Ich zweifle nicht dass eine Zeit kommen wird, wo Aufführungen des zweiten Theils des Faust vereint mit dem ersten sich zu wirk

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lichen dramatischen Volksfesten gestalten könnten" (H. Grimm)!

Konrad Schwenck, in der Sache mit Vilmar einig gehend, fand „Gewandtheit, Kraft und Natürlichkeit der Sprache noch in reichem Maasse" an diesem zweiten Theil zu loben; während Vischer gerade „das Unnatürliche, Schnörkelhafte, Senile, ja Kindische des Versstils" hervorhebt. Es ist nicht meine Aufgabe unseren grossen Dichter gegen die burschikose Form dieses Urtheils zu verwahren. Leider darf man nicht die ganze Schuld auf das hohe Alter Goethes schieben; denn die Anfänge dieses Stils zeigen sich, wie Vischer mit Recht geltend macht, schon früher, z. B. in „Pandora."

Was alles aus dem zweiten Theil des Faust heraus- und in denselben hineininterpretirt worden. ist, mag als gelehrte Leistung nur in Deutschland möglich sein. Vischer hat deshalb nicht Unrecht wenn er sagt: die wahre Pietät erzeige dem Dichter einen Dienst, indem sie allen vor den Räthseln dieses Gedichts und noch mehr vor deren Auslegung Scheugewordenen zurufe: „Lasst's ruhig liegen, da findet ihr nicht den wahren Goethe!" Etwas aber spricht denn doch zur Entschuldigung dieser stets wiederholten Versuche, die Dunkelheiten des zweiten Theils aufzuhellen und dessen buntscheckige Aufzüge in Zusammenhang zu bringen: nämlich das noch immer unbefriedigte Bedürfniss eines einheitlichen Verständnisses des ersten Theils, dem man auf diesem Wege leichter beizukommen meint, weil man sich nicht. ausreden lässt, der zweite Theil müsse die richtige Fortsetzung des ersten sein. Und hier hat der Dichter selbst, nachdem die Commentatoren ihm erst auf die Untiefen des Fragments" aufmerksam gemacht, wie

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wir gesehen, das Seinige dazu beigetragen, dass man entweder die Aufgabe viel zu weit fasste oder, im vollendeten ersten Theile nicht minder als im „Fragment," nur kostbare, auf eine Schnur gereihte Perlen, nicht aber ein poetisches Kunstwerk zu sehen vermochte. So urtheilte, schon früher, Julian Schmidt: Alles Einzelne im Faust, wenn man ihn als Fragment betrachtet, ist bewunderungswürdig schön und im höchsten Sinne wahr; fassen wir ihn aber im Zusammenhang, so werden alle Verhältnisse und Perspectiven verwirrt, alle Empfindungen und Ereignisse treten in ein falsches Licht, und selbst unserem Gewissen wird auf die härteste Weise Gewalt angethan." Er bemerkt weiter: zur Zeit der Veröffentlichung des Gedichts in seiner fragmentarischen Gestalt (1790) habe man der Poesie noch nicht die Aufgabe gestellt gehabt reine Gedanken wie in einem dialektischen Process auf der Bühne zu entwickeln, und es sei niemand eingefallen den Faust als ein philosophisches Lehrgebäude zu betrachten, in welchem jede Scene mit höherer symbolischer Nothwendigkeit ihre Stelle fände. Man habe das Volksbuch im schönsten Sinne" genommen wie es war und dargeboten war, als „ein Fragment"; erst nach dem Versuche des Dichters diesen einen scheinbaren Abschluss zu geben (1808), „beginnen die Commentare die ihn selbst überzeugten: er habe ein Kunstwerk im höheren Stile geschaffen. Ja, er nahm es später sehr übel wenn man das Gedicht in der alten Weise loben wollte, wie wir aus Ludens Denkwürdigkeiten entnehmen."

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War so der Rahmen zuerst zu eng gezogen, so wurde er nun zu weit und immer weiter, bis man zuletzt ins Gränzenlose sich verlor und die historisch

ästhetische Erläuterung allein noch festen Boden unter den Füssen zu haben schien. Allein das Bedürfniss das Einzelne in seiner höheren Einheit zu begreifen, lässt sich nun einmal diesem „Faust“ gegenüber nicht zum Schweigen bringen, und hier ist bei Vischer rühmend hervorzuheben, dass er, obwohl auch seine Faustidee gar sehr ins Weite und Leere fällt, doch überzeugend jene von Düntzer, Köstlin u. A. vertretene Ansicht widerlegt, als dürfe man, weil es dem Dichter nur um ein concretes Lebensbild zu thun" gewesen sei, keine allgemeine oder symbolische Bedeutung darin suchen.

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Vischer bestimmt den Begriff des Symbolischen dem Allegorischen gegenüber, welches lediglich „unlebendiges Product der Phantasie im Dienste der Reflexion" sei, als ein Gebilde der Poesie, das durchaus anschaulich, concret, lebendig, stimmungsvoll sei, von dem aber Strahlen allgemeiner Bedeutung ausgehen, welchen wir ungesucht eine ganz besondere Intensität und Tragweite *) zuerkennen müssen, so dass das Verhältniss der Bedeutung zum Bilde das eines fühlbaren Plus ist, besonders wo das Bedeutungsvolle daraus erwächst, dass ein Gedanke durch ein das Naturgesetz irgendwie übersteigendes (transcendentes, mythisches) Bild versinnlicht wird." So ist Faust, obwohl ganz concretes Individuum, nach Vischer nicht sowohl typisch wie z. B. Valentin — das Musterbild eines derben frischen Landsknechts als vielmehr symbolisch, weil die Stärke und Tiefe seines unge

*) Dieser schon von Schopenhauer auf den Kanonirplatz verwiesene Gallicism (la portée) erfreut sich heutzutage ,,weitesttragender" ja „,weittragendster Bedeutung". So spricht C. A. H. Burkhardt in der Allg. Ztg. von der ganzen Tragweite Goethe'scher Muse".

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