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lieben Kinder, soll der Mensch in einem jeglichen Werk das Ende ansehen, ehe er sich in ein Werk kehre, auswendig oder inwendig, ob er das möge vollbringen oder nicht. Alsbald sollte der Mensch die Innigkeit des Geistes in Gott werfen und kehren, damit er alle seine Werke in ihm und durch ihn vollbringe; aber es sind unter diesen etliche Menschen, die wollen alsbald hinweg laufen, und fangen viele neue Weisen an, nun dieß, nun das, in dieser Verwegenheit aber verdirbt mancher Mensch leiblich und geistlich, der auf sein eigenes Ge: mach und Vornehmen bauet, im Geist und in Natur, so daß oft da die Natur ist, wo man Gott zu suchen meint.

Der liebe Joseph, da er mit dem Kinde und mit dessen Mutter geflohen war, und ihm der Engel Gottes in dem Schlafe verkündet hatte, daß Herodes todt wäre, da hörte er sagen, daß Archelaus, sein Sohn, an seines Vaters Statt in dem Lande regierte, und fürchtete nun sehr, daß das Kindlein Jesus von diesem getödtet würde.

Nun, lieben Kinder, was sollen wir hierunter verstehen? Herodes,. der das Kind verjagte und es tödten wollte, das ist ohne Zweifel die Welt, die das Kind in dem Menschen tödtet, die man von Noth flie: hen muß und soll, wenn man anders das Kind lebendig behalten will. Run wisset, das Kind ist die Seele eines jeglichen Menschen, und da rum, so der Mensch auswendig die Welt geflohen hat, es sey in Klausen oder in Klöstern, so stehet dann Archelaus auf und herrschet in dem Menschen, das ist: die ganze Welt stehet dann in dir inwendig auf, die du vielleicht nimmer überwinden kannst, es sey denn, daß große Uebung und Fleiß und Ernst, und dazu göttliche Kraft dir zu Hülfe komme; denn ich sage dir, daß du viele starke grimmige Feinde hast, die allezeit wider dich sind und wider dich fechten.

Der erste Feind ist die Welt: die ficht dich an mit geistlicher Hoffart, daß du hiedurch willst gesehen seyn und in der Menschen Augen geachtet und dazu in ihrem Herzen erhöhet werden. Es will auch der Mensch der Welt wohlgefallen mit Kleidern, mit seinem Lebenswandel, mit hohen Worten, Gelaß [Benehmen], Weisheit, Freunden, Gewalt, Gut, Ehre, und diese Gefährden (Umstände] sind nichts anders, denn ein Panier des Teufels.

Der andere Feind ist sein eigenes Fleisch: das ficht den Menschen mit leiblicher und geistlicher Unkeuschheit an, mit Worten und mit Werken; und an allen diesen Sünden sind alle Menschen schuldig, die da ihrer Lüste in sinnlicher Lustlichkeit gebrauchen, in welcherley Weise das sey. Es nehme ein Mensch fleißig an sich selbst wahr, wo diese Gebrechen ihn am allermeisten anrühren, in allen seinen Sinnen und schämlichen [schändlichen] Dingen, womit der Mensch allezeit verunkeuschet [verunreinigt] wird. Wo irgend der Mensch mit den

Tauler's Predigten, L. Band.

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Creaturen in liebender Weise in seinem Grunde besessen ist, sie seyen weltlich oder geistlich), und dazu mit ganzem Willen Tag und Nacht dieß in seinem Herzen hat, dieß alles trägt [bringt] den Menschen in die Untugend der Sünde, die da heißt Unkeuschheit. In gleicher Weise aber, wie die auswendige Unkeuschheit die Reinigkeit des Leibes hinwegträgt [-nimmt], also trägt die inwendige Unkeuschheit die edle lautere Reinigkeit des Geistes hinweg; so viel aber der Geist edler, als das Fleisch ist, so viel ist auch diese Sünde schädlicher denn die andere.

Der dritte Feind ist Argherzigkeit. So nämlich der böse Geist mit bittern bösen Gedanken dich anficht, mit Argwohn, mlt Urtheil, mit Haß, mit Rächen, daß dann in dem Menschen [der Gedanke) aufstehet: das hat dir der Mensch gethan, und das hat er zu dir also gesprochen; willst du [aber] das nicht leiden, und du erzeigst ihm ein zorniges Antlig und schwere Gebärde, und schwere, harte, zornige Worte, die du deinem Nebenmenschen zusprichst, dadurch denn Unfriede und Mißhandlung und viele andere Untugenden kommen: Kinder, dieß alles ist ein Same und eine Einsprechung des Teufels, und ohne Zweifel sein Werk.

Darum wisse: willst du immer selig werden, so mußt du diesem allem entfliehen, und mußt dich gütlich und demüthig, williglich zu leiden geben, um Gottes willen, man thue dir Recht oder Unrecht. Hierin lasse dich Gott und die Wahrheit entschuldigen und lasse dich selbst unentschuldiget; so wird der Friede Gottes wahrlich inwendig und auswendig in dir geboren, in Leid und Liebe. Nimmst du dieß [aber] nicht mit Fleiß in dich und mit Ernst, so ist dieser Archelaus gegenwärtig, der dir dein Kind, die edlen Gnaden Gottes in der Seele, in der Wahrheit tödtet. Darum fragte dieser demüthige Joseph fleißig mit Ernst, ob niemand mehr wäre, der das Kind Jesum tödten wollte.

Doch, wenn auch diese zuvor genannten Untugenden alle in dem Menschen überwunden sind, so wisse fürwahr, daß dennoch tausend Stricke sind, die der Mensch durch und durch brechen muß und die da niemand erkennet, denn der Mensch allein, der wahrlich zu sich selbst und in sich gekehret ist. Denn Joseph bedeutet so viel als ein fleißiges Feststehen in einem göttlichen, seligen Leben und emsiges Zunehmen in dem Willen Gottes. Traun, Kinder, da wäre denn des Kindleins zu hüten und seiner Mutter mit ganzer Treue vor denen, die es tödten wollen.

Dieser Joseph ward von dem Engel Gottes gemahnet und wiederum geladen in das Land Israel. Israel ist so viel als ein Land der Beschauung. Nun wisset, Kinder, es verderben viele Menschen damit, daß sie aus diesen mannigfaltigen Stricken der Anfechtung außbrechen wollen, ehe die Barmherzigkeit Gottes sie durch seine Gnadeherauslässet, und ehe sie von dem Engel Gottes ausgeführt oder ge mahnet werden. Dadurch fallen sie in große, schwere Irrung, daß sie

sich selbst eher auslassen wollen, ehe sie Gott wahrlich auslässet, mit ihrer vernünftigen Behendigkeit nämlich und mit hohen Worten, die sie verstehen, und von hohen Dingen, und daß sie können die hohe Dreyfaltigkeit betrachten und von ihr reden. Welche große Irrung hievon gewachsen ist und gekommen, und noch alle Tage kommt, das ist ein Jammer über alle Dinge zu wissen. Denn diese Menschen wollen die Stricke des Verhängnisses Gottes und diese Finsterniß von Egypten, das so viel als eine Finsterniß bedeutet, nicht ausleiden. Dar um so wisset: in der Wahrheit, alle Creaturen, die Gott je schuf, mögen dich nicht aus diesem Gefängniß lassen, noch dir wahrlich dar: aus helfen, der ewige barmherzige Gott allein mag es thun, und niemand anders. Kehre es hin, wohin du wollest, so muß es doch also in der Wahrheit seyn und nicht anders, soll dir anders recht geschehen. Laufe, suche und jage die ganze Welt mit einander aus, so empfindest du diese Hülfe überall bey niemand, denn bloß allein bey Gott. Will unser Herr dazu ein Instrument haben, durch das er dasselbe wirket, es sey Engel oder Mensch, das mag er wohl thun, wenn er will; aber wisse, er muß es selbst thun und niemand anders [kann es thun). Darum suche es inwendig in dem Grunde, und lasse dein Aussuchen und Auslaufen seyn, und leide dich gütlich um Gottes willen, und bleibe da in Egyptenland in der Finsterniß, bis du wahrlich von dem Engel Gottes herausgeladen werdest.

Joseph ward gewarnet und gemahnet in dem Schlaf. Wer schläft, der sündiget nicht; also soll der andächtige Mensch in einem wahren ruhigen Schlafe seyn, außer allen Leiden und Anfechtungen, die auf ihn fallen mögen und fallen, und soll sich willig in einem gelassenen Leiden demüthig unter das Leid biegen, und dasselbe in einer entschlafenen Weise leiden, sich nicht daran kehren, und sich gütlich hierin lassen [gutwillig darein ergeben], und es fröhlich leiden um Gott. Gewiß nicht besser und fruchtbarer kannst du seiner ledig werden. Bleibe in diesem Schlafe der Geduld ohne Sünde, so wirst du wahr lich durch deine demüthige Unterthänigkeit hieraus geladen, wie dem heiligen Joseph geschah.

Nun wisset, jene Hüter [des Kindes] sollen die Prälaten der heiligen Kirche seyn, Pfaffen, Bischöfe, Aebte, Priore und geistliche Beichtiger; diese Prälaten alle sollen die Menschen regieren und nach dem Lobe Gottes richten und nach seinem liebsten Willen. Aber leider sind sie zuerst selbst blind, und also führt ein Blinder den andern, daß zu fürchten ist, daß sie beyde mit einander in den Grund ewiger Verdammniß fallen. Nun, Kinder, wir haben viele Oberherren; so habe ich einen Subprior, einen Prior, einen Provincial, Bischof und Pabst, die alle über mir sind. Und wollten sie alle übel mit mir, daß sie

alle an mir zu Wölfen würden und mich alle beißen wollten, doch soll ich mich in einer wahren Gelassenheit und Unterthänigkeit demüthig unter sie legen, und zwar ohne alles Murren und Widerreden. Ge schähe mir von ihnen wohl, das soll ich von Gott demüthig aufnehmen; geschähe mir aber von ihnen übel und ungleich, das soll ich gütlich und fröhlich um Gottes willen und um die oberste Liebe Gottes von ihnen leiden. Darum, wisset, liebe Kinder, fürchtete sich der heilige Joseph allezeit, bis ihm der Engel Gottes verkündigte, daß sie todt wären, die das edle Kind Jesum suchten zu tödten; darum fragte er mit ganzem Fleiß, wer in dem Lande regierte? Kinder, hier irren aber etliche Menschen, die zumal alle Furcht verlieren wollen; denn wisset, der Mensch sollte aus der Furcht nimmer kommen, dieweil er in dieser Zeit lebt. Denn es spricht der liebe heilige Prophet: Die heilige Furcht Gottes soll allezeit bis an das Ende der Welt bleiben. Wenn dir auch der Engel sagte und verkündigte, dennoch sollst du dich fürchten und sollst fleißig in dir selbst wahrnehmen, was in dir inwendig regiere, ob es Gott wahrlich sei, oder deine eigene Natur.

Darnach nahm der heilige Joseph das Kind Jesum, und seine ehrwürdige, demüthige Mutter. Unter dem Kinde Jesu verstehen wir einen lautern, reinen Menschen; also soll der Mensch ganz lauter und rein seyn und unvermakelt mit allen äußern Dingen. Er soll auch klein seyn in unterworfener, tiefer Demuth, unter Gott und um Gottes willen unter alle Creatur. Unter der edlen Mutter Christi aber ver: stehen wir wahre, lautere, göttliche Liebe. Göttliche Liebe ist nämlich eine Mutter der wahren lauteren Demuth und Verkleinerung des Menschen gegen sich selbst, mit einer Unterworfenheit unter den gött: lichen Willen in gelassener Lauterkeit. Kinder, in diesem Grad ist der Mensch noch jung, und soll noch nicht fröhlich ausfahren in das Land der Beschauungen. Er mag wohl seinen Ablaß darinnen holen, so er will, dann aber soll er zur Stunde wieder in Egyptenland fahren, bis er dazu ist kommen, daß er ein vollkommener Mann durch die Waffen unseres Herrn Jesu Christi geworden, der uns wahrlich durch alle Dinge in seinem heiligen, lautern, unschuldigen Leben den Weg der Vollkommenheit gelehret und geweiset hat. Darum, wenn wir auch das Wort Gottes nicht haben mögen, so finden wir doch in seinem reinen, lauteren Leben alle Dinge, deren wir nothdürftig (bedürftig sind zu dem ewigen Leben. Er kam gen Jerusalem, da er zwölf Jahre alt war, blieb aber dazumal nicht da, sondern er floh hinweg, denn er war da noch nicht vollkommen nach der Menschheit gewachsen; er floh hinweg, bis er ein vollkommener Mann geworden war, und nicht mehr zu wachsen hatte. Aber da er ein vollkommener Mann geworden war, kam er täglich gen Jerusalem und lehrte qei

Juden und sagte ihnen den Weg der Wahrheit und wanderte in dem Lande Galilea, in Capernaum und in der Stadt Nazareth und überall im Lande Juda als ein gewaltiger Herr, und that daselbst Wunder und Zeichen.

Kinder, also soll ein jeglicher andächtiger Mensch auch thun. Er soll sich nicht in das edle Land der Beschauung legen; er mag wohl eine Weile dahin gehen, aber er soll wieder fliehen, dieweil er nicht vollkommen gewachsen und noch jung und ungeübt und unvollkommen ist. Wenn aber nun der Mensch vollkommen geworden ist, und ein starker, vollkommener, männlicher Mensch wird, so soll er dann in das Land Juda kommen (denn Juda ist so viel als eine Erkennung Gottes) und gen Jerusalem, in den wahren Frieden; daselbst magst du dann fröhlich und mannigfaltig lehren und strafen und gewaltig fahren nach Galilea, das ist eine Ueberfahrt.

Kinder, hier ist nun der Mensch über alle Dinge gekommen und übergefahren, und dann kommt der Mensch in die Stadt Nazareth, in die lustige Blüthe der Freuden. Daraus entspringen die schönen, lustigen, wohl schmeckenden (wohlriechenden] Blumen des ewigen Lebens; da ist unaussprechlicher Friede und Freude, Wonne und Trost, und ein stilles Schweigen und Rasten allein in Gott, welchen Frieden, Freude und Trost allen bimmlischen und menschlichen Zungen unmöglich ist auszusprechen.

Kinder, in diesen lautern, wahren Grund Gottes kommen und versinken alle Menschen zu Grunde, die sich demüthiglich gelassen und gütlich alle Anfechtung des Leidens gelitten haben, auswendig und inwendig, durch den liebsten Willen Gottes, und sich dabey de müthiglich unter das Joch Gottes untergedrückt haben und unter alle Creaturen, bis sie der ewige gütige Gott durch seine Gnade selber ausgelediget und ausgeführet hat. Diese Menschen kommen dann durch dieß in den wahren, wesentlichen, lautern Frieden Gottes, und kommen in die liebliche, lustige Blüthe Gottes und haben dann oft einen lieblichen, lustigen, fröhlichen Augenblick und Gegenwurf [Gegenstand], dessen sie da ewiglich in Gott genießen sollen. Daß uns das allen widerfähre, das verleihe uns der minnigliche gütige Gott. Amen.

16. Die andere Predigt

lehret, wie man die geistliche Geburt suchen und finden muß in dem Licht der Gnaden, mit Untergang des natürlichen Lichts, durch Langbeitsamkeit [Geduld] der Begehrung; dieß ist der erste Theil. *) Matth. II. v. 2. Ubi est, qui natus est rex Judaeorum? Wo ist, der da geboren ist, ein König der Juden? Wir sind gekommen ibn anzubeten und zu ehren, mit Morrhen, mit Weihrauch und mit Gold.

Die Seele weiß wohl, daß Gott ist, schon vom natürlichen Lichte. Aber wer er sey, ist ihr zumal unbekannt und verborgen, und sie weiß

*) Serm. V. 1498. f. 13; 1508. f. 10; 1521. f. 9; 1523. f. 7; 1543. f. 38; 1565. f. 34; 1548. p. 4 .41; 1552. P. 97; 1621. p. 116; Arndt 19. Der zweite Theil folgt als Predigt 18.

P.

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