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Dingen, sich hiemit zu bessern, und den Räthen des Evangeliums zu folgen, also, daß da, wo die Sinnlichkeit vorhin viele Lust empfangen hat und der Begierlichkeit nachgehängt, es nun gepeinigt und gedrängt werde. Hiemit lernt sich das Gewissen reinigen von den Begierlichkeiten, wie es zuvor sich befleißiget, vor großen Sünden sich zu hüten.

Nach diesem fällt nun auf den auswendigen Menschen viel Ungemach, was der Leib nur gar übel ertragen kann, und wenn es dazu gekommen ist mit der Hulfe Gottes, daß die schweren Sünden ab sind, und der Geist anfängt Meisterschaft zu pflegen, in solchem Abbruch gewohnter Lust, das ist dem thierischen Leibe ungewohnt, und er fängt an hierob zu murren, und dann kann der Mensch so gar nicht schlicht und einfältig seyn und geduldig; er findet sich unfriedlich und voll Gebrechen, und sieht, daß sein verkehrtes Gemüth sich nicht will weisen lassen. Er kann kein Maaß auswendig halten in Sinnlichkeit, er kann nicht wohl schweigen, er muß Geschwätz haben, entweder seine Noth zu klagen oder sich seiner guten Werke zu rühmen. Was er nicht lieb hat, das lästert er; dem er gram ist, das verwirft er; wovon er Schaden hat, das beklagt er; wovon er Vortheil hat, das gefällt ihm; was ihm süß ist, das ist ihm auch angenehm; was ihm sauer und schwer ist, da kommt er nicht gerne an; was er lobt, das muß gelobet seyn; was er schilt, das darf Niemand vor ihm loben. Sehet, lieben Kinder, also fängt sich der Mensch an selbst zu ergründen, und lernet in sich selbst gehen, zu erkennen, wer er sey, oder was er aus sich selbst vermöge. Er wollte gerne dieß und dergleichen aus seinem Gewissen treiben und reinigen, aber es wird ihm sauer und schwer; denn Leiden und Verdruß, Verdrückung und Schande mag seine Natur noch kaum ertragen. Gleichwohl hat er von diesem und der: gleichen großes Gewissen und Reue, und bekennt vor Gott und den Leuten, daß er Unrecht daran thut, wie er es vollbringet. Er weiß aber noch nicht, was das ist, der Begierlichkeit abzusterben, und darum kann er gar leicht darein fallen, sobald er Ursache [Anlaß dazu] hat; denn in dem Grunde liegen noch die bösen Begierlichkeiten verborgen, zu denen er auswendig noch so sehr geneigt ist, und es ist ihm große Roth, sich zu üben nach den leiblichen Tugenden unsers Herrn Jesu Christi, nach seinem auswendigen Menschen, und zu scheuen die Ursache, zu der er [noch immer] geneigt ist.

Nach solchem fängt der Mensch an, etwas geistlich zu werden in einem wirkenden Leben der Tugend; das muß er aber mit einem brünstigen Gebet anheben, das entspringen soll aus dem Streite der Sünden, wie hievor gesagt ist. Aus solchem Gebete entspringet weiter rechte Reue und Leid über alle Missethat, darnach Verschmähen seiner selbst und seines sündigen Lebens, und fängt der Mensch nun an, sich

mit gutem Willen zu ergeben, zu leiden alle Pein, Verdruß, Ver: drückung, Widerwärtigkeit und Schande und allerhand Betrübniß, darin er ist oder kommen soll, und gibt und opfert sich Gott hierinnen. Aus Liebe fängt er an zu lernen rechte Gelassenheit und Geduld, im Glauben und in der Hoffnung auf Christum. Er will nicht mehr Eigenes haben, damit die Reinigkeit seines Gewissens keineswegs befleckt werde. Dann kommt ihm Haß seiner selbst und eine demüthige Verachtung, woraus weiter entspringt, daß er sein Herz behütet vor allem Urtheilen [Richten]. Auch verschließt er alle Sinne, sobald er der Anfechtung gewahr wird, das ist, er hütet sich vor allen Ursachen mit ganzem Fleiß, daß er dem Feinde keine Stätte gebe. Er hängt mit ganzem Herzen an Gott, und an nichts anderem. Er leidet auch alles, was ihm zu leiden kommt, mit Geduld, so lange, bis ihn Gott erlöset. Er will sich nicht selbst [vom Kreuz] erlösen mit keinerley Trost, leiblich und geistlich. Hieraus entspringet weiter, daß er sich gerne weisen lässet und thut nach dem Rath seiner Obern, und kann Gott unterthänig seyn. Er merket erst List jezt erst aufmerksam auf das], was ihm gegenwärtig ist, und übet sich darin; ist es gut, so ist er dankbar, sind es Anfechtungen, so sezt er sich dagegen. Darnach lernet er, Niemand seine Noth zu klagen, denn Gott, den er bittet um Beständigkeit, und er erhebet sich nimmer um kein Ding auf Erden, und hat kein Gefallen an sich selbst, sondern Gott gefällt ihm in allen und über alle Dinge. Er ist dankbar und gutwillig, es gehe ihm wohl oder übel, mit [in Be zug auf sich selbst und mit allen Dingen. Er hat lieb seinen Nebenmenschen in Mitleiden seiner Schwäche. Er scheuet alle unleidlichen Inicht zu duldenden] äußerlichen Dinge, und auch allen Auskehr des Herzens, besonders in Fröhlichkeit. Er scheuet Lauigkeit der Uebung, und Ueberfluß an Lust inwendig zu haben; denn nur das, was Gott zugehöret, ist gut. Darum muß er bleiben auf seiner Angst und Hut, und [kann er] nicht hoch, sondern nur klein von sich selbst halten. Alles, was er einem Andern rathet, zu scheuen, das scheuet er selbst, besonders die Eigenwilligkeit, der er zumal ganz ausgehet, und be fleißet sich, auf seine Unvollkommenheit und Kleinheit zu bauen und sich in allem Leiden Gott zu opfern, und das Leben und Leiden Christi in seinem Herzen stetig zu tragen, und an keiner Creatur, sondern nur an Gott zu hangen, auf daß Gott allein seine Liebe sey und sein Liebhaber, der sein Herz reinige, daß er ihn hier also in der Wahrheit möchte lernen sehen, damit er ihn auch lauterlicher und klarer sehen möchte in ewiger Seligkeit. Daß uns dieß geschehe, das gönne uns Gott. Amen.

136. Auf den Tag der heiligen Jungfrau Catharina. Vom großen Nußen und von den Früchten, so der Mensch erlanget durch fleißige Betrachtnug und Uebung des Leidens Christi, das einer kostbaren Perle billig verglichen wird, welche die andächtigen Jungfrauen mit Fleiß allewege suchen, kaufen und besiben sollen. Inventa una pretiosa margarita, abiit et vendidit universa, quae habuit, et emit eam. Matth. XIII. v. 46. *)

Eine köstliche Perle hat sie gefunden, und dafür verlassen und ge

geben all ihr Gut, und sie gekauft. Das ist in einem Wege also zu verstehen: die Jungfrau Gottes hat um ihre Reinigkeit, die wie ein köstlicher Stein gehalten ist, alle Dinge verlassen, und sie allein be wahret. Zum andern: die Jungfrau Christi hat gefunden das Leiden Christi, und dem ist sie nachgefolget, und hat aller weltlichen Lust sich verziehen, ihm für sein Leiden zu danken.

Der kürzeste Weg, Gott zu dienen, bestehet in zwey Dingen. Zuerst in gemeiner Uebung der heiligen Kirche und in Unterthänigkeit zu leben, in Armuth, in Keuschheit und in andern guten Gewohnheiten, die die heiligen Väter angenommen haben, was ein sicheres, gutes Ding ist, um den auswendigen Menschen zu bezwingen und zu den Tugenden zu kehren.

Der andere Punkt besteht darin, daß man sich in dem Leiden unsers Herrn übe und ihm nachfolge, alle Tage es einmal gänzlich be: trachte und in allen Punkten sein Leben ihm gleich mache, so viel als möglich, und besonders, daß man ein Aufmerken habe auf die Ursache [Gelegenheit), die einem Gott zusendet, da man sich aufgeben soll und Gott nachfolgen. Wer ein fleißiges Aufmerken hat, der wird finden, daß Gott aus großer Barmherzigkeit ihm allezeit ohne Unterlaß geben wird solche Ursache, wodurch er höher kommen kann und Gott [Christo] gleich werden, im Leiden und Wirken. Dann soll er ansehen init seinem Herzen alle seine Werke, und seine Werke alle thun Gott zu Ehren, und soll seine Sinne also bezwingen, daß in kurzer Zeit die Liebe der Welt in ihm gar erlöschen werde. Darum mag das Leiden Christi wohl heißen ein köstlicher Stein oder eine Perle, die eine Jungfrau Christi bewahren soll, und sich damit zieren, daß fie alle Tage einmal all sein Leiden betrachte, von dem Abendmahl an bis zu der Auferstehung, und ihn [diesen Stein] kaufe mit allem, was sie hat, und was sie aufbringen kann, mit all ihren Werken, mit ihrer Dank barkeit und Begierlichkeit. Hiemit könnte man leichtlich überwinden alle böse Zuneigung der Natur und böse Phantasie; hiemit könnte man bald zu herzlichem Erkennen seiner eigenen Schwäche und Gebrechlichkeit und zu gründlicher Demuth kommen. So kommt man

* 1521. f. 233; 1523; f. 202; 1543. f. 259; 1565. f. 203; 1548. p. 417; 1552, p. 529; 1621. II. 193; Arndt p. 534.

Tauler's Predigten, III. Band.

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fortan zu gründlichem Mitleiden mit unserm Herrn und mit allen Menschen in wahrer Liebe. Wer sich aber hiezu nicht kehret, der kann sich nicht wohl inwendig erkennen lernen, sondern er bleibt gemeiniglich außen in auswendigen Uebungen. So er auch in auswendigen Dingen und in Arbeit sehr durchgetrieben worden, das macht ihn nicht inwendig süß, es sey denn, daß er sich auch hierzu kehre mit Ernst.

Aus diesem guten Perlein des Leidens Christi kommen gute Früchte, wie daß man Gnade erlangt, sich Gott zu opfern in allem Leiden, und Gott vertraue in Einfalt, ohne Arglist. Gott regiert solche Mens schen und trägt die Sorge auf sich, und also lernen sie rechte Gelassenheit, und hiermit wird Gott mächtig [wird es ihm möglich], ihnen zu helfen in ihren Gebrechen. Darnach beginnet Gott auch, mit dieser Liebe die Menschen zu ziehen von der Liebe der Creatur, und hiernach beginnen sie, Unterscheid zu lernen [klar zu erkennen], was man zu thun und was man zu lassen hat; sie vertrauen Gott, indem sie verstehen, auf sich selbst nichts zu halten noch zu trauen noch in etwas zu stehen, als allein in Gottes Gnade. Darum glauben sie kühn, daß sie nicht werden betrogen werden; wer dagegen auf sich selbst stehet, der wird betrogen werden. Es kommt aber daraus noch bessere Gnade, daß diese Menschen beginnen Unterscheid zu verstehen, was göttliche Gnade sey oder sinnliche Bewegung. Wisset, daß gar mancher Mensch wandelt in einem gut scheinenden Leben und ist auswendig demüthig und einfach, läßt sich aber doch inwärts etwas dünken.

Die guten Jungfrauen halten die gemeinen, guten, ordentlichen Satzungen der heiligen Kirche und Schrift, inwendig und auswendig, nach aller ihrer Macht. Ihr Gemüth gehet allezeit einwärts, Gott anzuhangen, dem sie am besten klagen können ihre Noth und nicht den Menschen. Wenn sie sich also von den Menschen kehren, so müssen sie von ihnen viel Druck leiden und Scham haben; dennoch schweigen sie in aller Beschwerniß, und klagen es Gott und keinem Menschen, und üben sich stets in dem Leben und Leiden Christi, das zu betrachten, und Gott verleihet ihnen durch das Leiden Christi Stärke, daß sie bey sich selbst bleiben können, wiewohl es ihnen auch verachtet wird, daß sie ihre eigene Andacht hierin halten. Doch thun sie das mit der Furcht Gottes und mit Scham vor Gott, weil es vor den Leuten für falsch gerechnet ist und für eine Tollheit. Sie haben aber Gott zu einem Zeugen in ihrem Gewissen, und es macht ihnen große Dankbarkeit, daß sie aus Liebe zu Gott fröhlich werden.

Der Feind kann diese Leute nicht wohl fangen mit Betrübniß, weil sie eine stete Einkehr haben, und nichts von natürlichem Licht oder menschlichen Reden und gut scheinenden Dingen hoffen, und nicht sizen Lihre Hoffnung nicht sehen] auf süßer Einkehr und Innigkeit, recht,

als ob es wohl mit ihnen stehe und sie mit Gott vereiniget seyen, so es ihnen wohl zu Handen gehet (denn die also meinen, die betrügt der Feind am allermeisten), sondern sie setzen es auf Gott und auf Uebung, und sich von innen und außen wahrzunehmen, und nach allem Vermögen zu Gott zu laufen, ohne einigen Aufenthalt. Wenn auch der Leib bisweilen ruhet von guter auswendiger Uebung, so läßt das Herz doch nicht ab, Gott zu danken und ihn zu ehren, und allem Ungleichen [aller Verkehrtheit], was gegen seine Liebe ist, zu widerstehen. Diese Leute bitten, daß ihnen Gott ihre Sünden vergeben wolle, weil sie ihm mißfallen, und nicht um zu entgehen der Pein der Hölle oder um das ewige Leben zu erlangen. Sie bitten, daß Gott mit ihnen thun wolle, was er wolle, bis sie zum Ende kommen, damit Gottes Ehre hier und hernachmals in ihnen geschehen möge. Sie bitten nicht, daß die Sünde Gott nicht mißfalle, sondern daß er sie vergeben wolle, damit sie nicht gehindert seyen, Gnade zu em: pfangen, durch die sie lernen möchten, in Tugenden fortzugehen. Sie bitten um Vergebung der Sünde, nicht um Vergebung der Pein; das befehlen sie Gott. Sehet, hierzu kommt man, so man das Leiden Christi übet zu solchem Ende [in diesem Sinn], wenn man anders ausharrend dabey bleibt.

Ach, wie wenige geistliche Menschen kommen hierzu, das kommt aber alles von ihrem auswendigen Wirken, und daß sie sich nicht in wendig lauterlich kehren zu Gott. Also ist der eine Mensch dem andern sehr ungleich in dem Leben, das kommt aber alles aus dem Grunde, daß der eine nicht zufrieden seyn kann, ohne auswendige Arbeit mit der inwendigen Uebung,*) und der andere wohl zufrieden ist mit dem auswendigen Dienste. Darum wird ihnen diese Perle ungleich gegeben, und also kommt es, daß sie sich unter einander nicht verstehen, und legen zu Zeiten einander Leiden an. Wenn man aber verstehet, daß sie das aus Unwissenheit thun, so soll man das geduldig an ihnen leiden, und ihre Blindheit geduldig tragen. Gott will durch solche gutherzige Menschen noch viele andere Leute lehren und rufen zu dem rechten Wege, wenn sie selbst genug inwendig gewußt [erfahren] haben.

Wer nicht von sich selbst wohl ausgehet, ehe er eingegangen ist, oder wer auch nicht wohl eingegangen ist, der fällt selbst in manche Irrung, che er es weiß; denn die finden leichtlich, was ihrer Natur vergnüglich ist und ihren Sinnen gefällt, und bleiben allzumal ohne

*) Wer weder in auswendiger Arbeit" noch auch in inwendiger Uebung" steht, dem wird von dem „Perlein" gar nichts zu Theil, in Wahrheit könnten solche Leute auch nicht ..gutherzige Menschen" genannt werden, durch die Gott viele andere Leute lehren und rufen will zu dem rechten Wege." Darum sind wir hier von dem Texte der Ausgaben 1521 und 1543 abgewichen, der ta lautet: „Unnd dez kompt alles auß einem solchen Grundt, daz eyner. kan nit zu friden seyn, on außwendig arbeit, und ohn inwendige übung."

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