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Lehre,,babylonisch", weil sie uns in Babylon in verhältnismäßig ältester Zeit und am klarsten entwickelt vorliegt und weil die Astronomie, deren Heimat Babylonien ist, sich als Grundlage der Lehre darstellt. Diese Lehre fragt nach dem Urgrund der Dinge und umfaßt das Werden des Weltalls von den ersten Anfängen aus einem „,Chaos“ bis zur jetzigen Welt und deren Weiterentwickelung in künftigen Äonen bis zur Welterneuerung. Sie ist identisch mit Religion und zwar im Sinne eines latenten Monotheismus. Ihr. Charakteristikum ist die Erwartung eines von der Gottheit ausgehenden Erretters, der im Laufe der Äonen die finsteren Mächte überwindet. Es werden sich Anzeichen finden, die darauf hinweisen, daß die Wanderung der Lehre durch die ganze Welt im Stierzeitalter zu suchen ist, das mit der Zeit Sargons I. und Naramsins einsetzt 2.

Im folgenden versuchen wir, die altorientalische Lehre darzustellen und die einzelnen Punkte urkundlich zu belegen. Im weiteren Verlaufe des Buches wird dann vor allem das Verhältnis dieser Lehre zur israelitischen Religion zur Darstellung kommen. Bei dem Bestande der urkundlichen Zeugnisse wird die Lehre von Babylon, d. h. das auf Marduk als summus deus zugeschnittene System, stark hervortreten. wird auch nicht immer möglich sein, die ,,ursprüngliche" reine Astrallehre von der die Erscheinungen des Naturlebens hervorhebenden,,kanaanäischen“ Lehre zu scheiden 3.

und die Mythen der südamerikanischen Urvölker s. Register unter den Stichworten. Für Gedankenwanderung nach Europa s. Sofus Müller, Urgeschichte Europas 59. 186. S. Müller weist z. B. nach, daß die mythologische Gestalt des Donnergottes und das Symbol des Doppelbeils vom gräkomykenischen Kreta durch Europa bis Skandinavien gewandert ist. Nach unserer Auffassung handelt es sich auch hier um die zu allen Völkern gewanderte Lehre. Vgl. hierzu weiter unter Weltschöpfung und Sintflut, auch S. 79f.

1) Besser altorientalisch; das Kennwort „Panbabylonier“ akzeptierten wir, aber es ist dann babylonisch in Anführungsstrichen zu denken.

2) Es würde dann eine ähnliche Erscheinung zu konstatieren sein. wie wir sie an anderer Stelle (Monotheistische Strömungen 43 ff.) für das sechste vorchristliche Jahrhundert aufweisen konnten, also für den Beginn des Widderzeitalters. Beide Erscheinungen sind weltumfassende schattenhafte Vorläufer der universalistischen Religion des Christentums.

3) Winckler, F. III, 274: „Ich beanspruche eine Formel aufgestellt zu haben, welche jede Erscheinung der babylonischen Götterlehre erklärt. Eine Formel ist in der Mathematik der allgemeine Ausdruck für das gegenseitige Verhältnis von Einzeltatsachen, nachdem er einmal gefunden,

I. Die Weltentstehung.

Die altorientalische Lehre fragt zunächst nach dem Urgrund der sichtbaren Dinge. Die Menschen, die in den ältesten vorderasiatischen Urkunden zu uns reden, wissen, daß die sinnlich wahrnehmbare Welt von der Gottheit geschaffen wurde und von ihr gelenkt ist. Die vom Ozean und Lufthimmel umgebene Welt ist der Schauplatz der Menschen, die nach dem Bilde der Gottheit geschaffen wurden. Aber diese Erde ist nur ein mikrokosmisches Abbild einer himmlischen Welt, deren,,Erde" der vom Himmel und vom Himmelsozeane umwölbte Tierkreis ist. Aus dem Himmelsozeane ist diese Welt ebenso wie frühere Welten hervorgegangen. Die einander ablösenden Welten entstehen von unten nach oben aus der Urflut1. Auf der untergehenden Welt baut sich die neue auf.

Die leider fragmentarischen Anfangszeilen des babylonischen Epos Enuma eliš, die von der Neuschaffung der Welt durch Marduk reden, enthalten dunkle Angaben über den Weltäon, der unserer Welt vorangegangen ist. Die Darstellungsform der Lehre ist hier die mythologische, d. h. die episch die Begriffe in Göttergestalten personifizierende. Das Urwasser ist verkörpert durch

Apsû und Tiâmat

und deren Sohn Mummu

Damascius sagt, er halte Moymis (Mummu) für den voŋtós zóouos, das geistig vorzustellende Weltall. Damit beweist er glänzend, daß er die Lehre, die hinter der Mythologie sich verbirgt (s. Kap. III), verstand. Der Apsû, das Wasserreich, aus dem die Welt entsteht, bedeutet nach dem ist die betreffende Erscheinung erklärt, die Frage gelöst. Man kann die Richtigkeit der Formel durch zahllose Beispiele erproben, sie sich veranschaulichen und ihre Verwertbarkeit für praktische Fälle nachweisen — zu entdecken ist aber nichts mehr, wo das Gesetz gefunden ist.“ Ich erkenne die Berechtigung dieses Satzes an. Meine Ausführungen erstreben gewissermaßen eine Systematisierung des Systems und Registrierung von urkundlichen Nachweisen oder Bestätigungen aus der Mythologie; sodann weitere Anwendung der von Winckler entdeckten babylonischen Röntgenstrahlen auf Erklärung der biblischen Darstellungs- und Sprech

weise.

1),,Die Erde war tohu wabohu, und der Geist Gottes schwebte über Tehom" Mos 1, 2. In der altägyptischen Lehre von On-Heliopolis ,,die schon in den ältesten Zeiten großes Ansehen genoß“ (Steindorff) entsteht die Welt aus dem Urwasser Nun. Die babylonische Welt entsteht aus dem Apsû. In einer indischen Kosmogonie entsteht der Unsterblichkeitstrank durch Quirlen des Weltbergs im Weltmeer. Die Welt der nordischen Kosmogonie entsteht aus dem Urwasser usw.

Ideogramm Haus der Weisheit". Die babylonische Hochschule heißt nach V R 65, 33a bit mummu (vgl. auch IV R 23, Nr. 1, Rev. 25), das ist ein archaischer Ausdruck, der Nomenklatur der Urwelt entnommen. Mummu ist also die,,Weisheit" (Sophia, vgl. Spr 8), die im Ozean ihren Sitz hat und aus der Welten hervorgehen.

Aus der Vermischung von Mutter und Sohn entsteht die erste Welt1. Sie besteht aus zwei Regionen:

Laḥmu und Lahamu entsprechen der himmlischen Welt;
Anšar und Kišar der irdischen Welt.

Diese Urwelt ist der Schauplatz der Theogonie; es entsteht die
Trias Anu, Bel, Ea. Ea repräsentiert das Wasserreich. Aus

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Abb. 1: Himmel und Erde, durch die Luft (Gott Schu) getrennt. Ägyptisches Original im Museum zu Turin.

ihm geht Marduk hervor, durch den dann die jetzige Welt geschaffen wird. Also auch hier ist der Ozean der Urgrund aller Dinge:

1) Eine verwandte Vorstellung läßt die neue Welt aus dem Phallus der Gottheit entstehen. So ist in der Lehre von On der Erdgott Keb und die Himmelsgöttin Nut im Urwasser zur Zeugung verschlungen; der Luftgott Schu trennt sie voneinander, indem er die Himmelsgöttin am Leibe emporhebt, s. Abb. 1, und vgl. Steindorff im Jahrbuch des Freien deutschen Hochstifts zu Frankf. a. M. 1904 S. 141. - Eine dritte Vorstellung, die wiederum verwandt ist (Phallus am Tore der Unterwelt in verschiedenen Mythologien, beachte auch, daß dem Reiche Eas die Unterwelt entspricht, S. 14), läßt die Emanationen aus der Unterwelt emporsteigen. Hier liegt die Lösung für die Bedeutung des Mistkäfers (Skarabäus) in der ägyptischen Mythologie als Repräsentanten des neuen Lebens (Mist ist das Element der Unterwelt, s. Monoth. Strömungen S. 16, BNT 96).

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Damascius sagt,,,der Sohn von Aos (Ea) und Dauke (Damkina) sei Bel (Marduk) gewesen, den sie als den Weltenschöpfer ansehen.“

Als diese Urwelt durch die finstere Macht des Urchaos (Tiamat mit ihren Begleitern) bedroht ward, schafft Marduk aus dem zerstückten Chaosungeheuer die jetzige Welt2.

Wir wissen aus einem babylonischen Schöpfungsberichte 3, daß diese gegenwärtige Welt als ein himmlisches und irdisches All gedacht ist und daß jede von beiden in drei Regionen geteilt ist:

1. Das himmlische All:

Himmelsozean

himmlisches Erdreich (Tierkreis)

Nordhimmel

2. das irdische All*:

Ozean, auf den man stößt, wenn man in die Erde bohrt und der die Erde umgibt

Erde

Lufthimmel".

Die Unterwelt ist keine Weltabteilung im systematischen Weltbild der Babylonier, sondern ein „Ort"; Nergal, der Unterweltsgott, gehört auch deshalb nicht zu den großen Göttern, die die Weltteile repräsentieren. Aber das Volk kennt auch eine natürliche Teilung: Himmel, Erde, Unterwelt (ebenso das biblische Weltbild, s. Kap. IV).

Jedes der drei Reiche zeigt die ,,entsprechenden" (babylonisch ikbi, hellenistisch лagavatéhher) gleichen Erscheinungen.

1) Das weibliche Element tritt hier zurück. Man beachte aber, daß Damkina mit der Muttergöttin identisch ist, sofern diese (z. B. als Išḥara kakkab tâmti = Meeresstern) aus dem Ozean emporsteigt.

2) Das Nähere s. Kap. III, wo auch der mit dem babylonischen Texte völlig übereinstimmende Bericht des Damascius, de primis principiis, wiedergegeben ist. Vgl. zu den obigen Ausführungen Winckler F. III, S. 301 ff. Der mit Damascius zusammenstimmende Sinn (Mummu erzeugt mit Tiamat die neue Welt) war bereits ATAO 1, S. 52 auf Grund der Konjektur Stuckens angenommen worden.

3) KT2 93f. Analysiert Kap. III.

*) Vgl. 2 Mos 20, 4: „Im Himmel, auf Erden, im Wasser unter der Erde."

5) Dort strahlen die Meteore auf. Dort sind die,,Geister die in der Luft schweben“.

6) Vgl. Boll, Sphaera 75 ff. und dazu Winckler, OLZ 1904, 59 (= Krit. Schr. III, 96).

Im einzelnen sind die drei Reiche oben und unten die besondern Offenbarungsstätten von Ea, Bel, Anu bez. Anu, Bel, Ea1.

Bei der Aufzählung geht man nicht von unten nach oben, sondern nach der Kibla von oben nach unten (eliš und šapliš): Anu, Bel, Ea. Darum heißt es in der IV. Tafel des Epos Enuma eliš: „Anu, Bel und Ea ließ er ihre Wohnstätten einnehmen."

Die wichtigsten Teile sind die himmlische Erde als Offenbarungsstätte des göttlichen Willens und das irdische All als Stätte der Menschen. Die himmlische Erde (Tierkreis) hat deshalb wiederum gleich dem irdischen All drei Reiche: Anu, Bel, Ea.

Marduk, der als Sohn Eas nach Besiegung der alten Welt (die als finstre Macht, als Drache gedacht ist: Kingu und Tiâmat) die gegenwärtige Welt schuf, entspricht Mummu in der Vorwelt. Andrerseits entspricht Mummu auch Ea selbst. Der Sohn ist im neuen Äon gleichsam der neubelebte Vater.

Die Emanationen der Menschenwelt: Ea ilu amelu, der göttliche Mensch, Marduk = Adapa als zer amelûti,,,Same des Menschengeschlechts": Gottheit, Heros, Urmensch, künftiger Adam werden später besprochen werden.

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II. Der Tierkreis.

Für die Ausgestaltung der babylonischen Lehre ist der wichtigste Teil des Weltalls der Tierkreis 2, d. h. der ca. 20 Grad breite Streifen am Himmel, auf dem Sonne, Mond und dazu fünf dem bloßen Auge erkennbare Sterne ihre Bahn wandeln, während die übrigen Sterne an der sich drehenden Himmelskugel festzustehen scheinen. Die Wandelsterne gelten als Dolmetscher des göttlichen Willens. Der Fixsternhimmel verhält sich dazu wie ein an den Rand des Offenbarungsbuches geschriebener Kommentar 3.

1) Jede der drei großen Gottheits-Erscheinungen ist in sich vollkommen, also mannweiblich. In Kultus und Mythologie erscheinen sie nach der einen oder andern Seite oder zeigen als Ergänzung ein weibliches Prinzip: Anu und Antum, Bel und Beltu, Ea und Damkina. Das Wort hîrtu,,Gattin“ wird ideographisch nin-dingir-ra geschrieben, d. i. Belit-ilâni,,,Götterherrin“.

2) Der babylonische Ursprung des gesamten uns von dem klassischen Altertum vererbten Tierkreises ist von Thiele, Antike Himmelsbilder bestritten worden, nachdem er durch Epping (Astronomisches und Babylon), Jensen (Kosmologie) und Hommel festgestellt war. Vgl. dagegen jetzt Hommel, Aufsätze und Abhandlungen 236ff.; Boll, Sphaera, 181 ff.; vor allem Kugler, Die babylonische Mondrechnung, Freiburg 1900.

3) S. S. 45, Anm. 2.

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