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Leben als solches ist Gilgamesch verhaßt, sondern nur ein solches, in welches das Gift quälender Erscheinungen wie der leidbringende Tod eingemischt ist. Und nun können wir deutlich in die Tiefen der babylonischen Seele hineinblicken. Dieses Forschen, Drängen, dieses immer neue Aufquellen der Kräfte, dieses himmel- und weltenerstürmende Wagen füllt sie nicht allein aus: das Verlangen stellt sich ein nach einem Endgültigen, Letzten und Höchsten, in dessen Sphäre sich der Mensch als ein Vollendeter ergehen kann, und so wendet sich denn das Auge hin zu den himmlischen Gefilden, wo den Erlösten die Krone des ewigen Lebens schmückt. Aber dieses Jenseits nimmt sich anders aus als die Friedensstätte, der der Inder zustrebt. Hier ist die Sonne untergegangen, nichts erinnert mehr an die Welt der Erscheinungen mit ihren Farben und Klängen, ihrem Leid und ihren Kämpfen, während das Jenseits, wie es im Gilgameschepos auftaucht, als das Reich eines ewigen ,,Lebens" erscheint: als eine Stätte, wo die Seligen die Gemeinschaft mit jenen Göttern erlangen, die ihren Ruhm verkünden in gewaltigen erd- und himmelerfüllenden Machttaten.

Es ist eine immer wiederkehrende Behauptung, daß die Babylonier ein lebensfrohes Volk gewesen seien. Das waren sie gewiß in dem Sinne, daß hier nie wie in Indien die Sehnsucht wach wurde nach einem zeit- und raumfernen, in die Tiefen eines mystischen Erlebnisses eingesenkten Dasein; aber auch in Babylon greift das Verlangen nach Erlösung um sich: eine Sehnsucht, die hindrängt zu einem Leben, dem der Stachel des Leides entrissen, und das aufblüht unter dem segnenden Hauch der ewigen, allmächtigen, leidlosen Götter. Nicht allein das Gilgameschepos, auch andere Dokumente offenbaren Erschütterungen, die zeigen, daß das Leben, das so machtvoll anlockende, auch Grauen erweckt und den Drang entbindet, seinem Chaos zu entfliehen, auf daß der Mensch in göttlichen Gefilden sich im Glanze ewigen Friedens ergehen kann. Freilich handelt es sich hier um religiöse Bedürfnisse kleiner Kreise, die ihren Glauben als Mysterium hüteten. Das Volk als solches und gewiß auch die meisten der Gebildeten ließ wohl ein erdenfernes Jenseits gleichgültig; ihnen galt ein glückliches, langes Leben als der Güter höchstes: als schweres Verhängnis wurde der Tod empfunden. Man nimmt ihn zwar hin als ein Schicksal, dem nicht zu entrinnen ist, doch die Unterwelt, in welche die Verstorbenen eingehen, stellt man sich als einen grausigen Ort vor. Eine Wohnung der Finsternis ist sie, aus der es kein Entrinnen mehr gibt; von Erdstaub nähren sich

die Geister der Verstorbenen, gespenstisch leben sie dahin,,,bekleidet mit Flügeln und wie Fledermäuse und Eulen", und alle sind dort versammelt: die einst großmächtigen Könige, die Reinen und Propheten, die Lieblinge der Götter wie die Bösen.

Doch von diesem unheimlichen Reich der Schatten, auf das der lebensgierige Mensch, wenn ihn das Grauen vor dem Tode packt, erschauernd hinblickt, von diesem Reich hebt sich ein leidloses, doch mit irdischen Farben ausgeschmücktes Jenseits ab, dem wohl vor allem die seelisch feiner gearteten, schwer von der Last des Daseins gequälten Gebildeten zustrebten.

Schon in der Urzeit, und zwar in der Urzeit wohl fast aller Völker wird das alljährliche Sterben der Natur in Verbindung gebracht mit dem Schwinden der Kraft der Geister oder Götter, und der Frühling, den man jubelnd im Bilde der aufsteigenden Sonne begrüßt, wird betrachtet als Erwachen dieser Geister aus dem Schlafe ihrer Machtlosigkeit. Im Laufe der Entwicklung wird die Erscheinung der sterbenden und wiederauflebenden Natur in neuer, tiefsinniger Weise gedeutet. Im Schicksal göttlicher Helden offenbart sich der Gang des Naturgeschehens, in ihrem Untergang einmal, den man sich meistens vorstellt als Verbannung in die Unterwelt, wodurch die Quellen des Lebens versiegen. Aber der Held ringt sich, schwere Kämpfe bestehend und tiefes Leid erduldend, aus dem Reich der Finsternis wieder los, sieggekrönt hinaufsteigend ins lichte Reich der Sonne: unter seinen segnenden Händen grünt und blüht es wieder, daß die Menschen jubelnd sich des Lebens erfreuen können.

In großartiger Weise wird nun dieser von tiefen religiösen Erlebnissen eingegebene Mythus in Babylon ausgebaut, und unter dem Eindruck namentlich auch sozialer Erschütterungen wird nicht allein der Jenseitsglaube in Beziehung gebracht zu dem glorreichen Aufstieg einzelner Götter aus der Nacht der Unterwelt: es werden auch soziale Ideale gewonnen, die hineinweisen in ein Reich der Harmonie, das auf den Grundsäulen göttlichen Segens ruht.

Wir haben schon angedeutet, daß die babylonische Spekulation mit gewaltigen Weltenjahren rechnet, welche die Weltenuhr anzeigt. Astronomische Beobachtungen, dann die die immer wiederkehrende Erscheinung der sterbenden und erwachenden Natur geben nun die Lehre ein, daß sich die Weltentwicklung in der Form eines Kreislaufes vollzieht: Fluch- und Segenszeiten lösen sich beständig ab: auf Zeiten

eines reinigenden Weltbrandes oder einer Sintflut folgt ein Weltenfrühling, wo die von verderbenden Gewalten aufgestörten Kräfte des Kosmos sich wieder harmonisch verbinden. Auf diese Weise gelingt es dem babylonischen Denken, das Ungeheure des zeitlichen Ablaufs der Welt zu gliedern: ein zwar noch roher, aber zu gewaltigen Gemälden des kosmischen Geschehens führender geschichtlicher Geist regt sich.

In dieser Lehre von dem nie zur Ruhe kommenden Kreislauf spiegelt sich die Weltentwicklung gemäß den Bedürfnissen der babylonischen Seele ab. Wie in ihr, der ringenden und kämpfenden, weltzerstörende und welterobernde Kräfte lebendig sind, so nimmt sich auch die Welt als Wirkungsstätte eines vernichtenden und bauenden Geistes aus, eines fast dionysisch zu nennenden Geistes, der aus der Überfülle seiner Kräfte heraus immer wieder das, was seiner formenden Hand als ein Vollkommenes entsprungen, zertrümmert, um ewig sich dem Trieb des Zerstörens und Bildens hinzugeben. So gibt es keinen Abschluß der Entwicklung.

So sehr nun diese Lehre auch den Philosophen in eine erhabene Stimmung zu setzen vermag, indem sich vor seinen Augen das chaotische Weltgetriebe entschleiert: auf den auf den von den Nöten des Lebens gepeinigten Menschen muß sie niederdrückend wirken. Als ein Nichts erscheint er in dem nie rastenden Gewoge der Kräfte, das der Philosoph enthüllt, während er sich im Leben zu behaupten sucht, und da das Leben in der Tat alles andere ist als eine Stätte der Lustbarkeit; da auch in Babylon eine kulturelle Auflösung um sich griff und schwere soziale Mißstände sich einstellten, und da nicht allein der starke Einzelne, sondern auch weite Kreise des Volkes, die von den Grundherren gedrückten Bauern namentlich, in einen Wirbel gerieten: so strebte man hin zu Stätten des Friedens und der Harmonie.

In doppelter Weise suchte man sich aus den Banden des Kreislaufes zu befreien: einmal, indem man sich dem Glauben an die Auferstehung hingab, dann, indem man sich an den glühenden Farben eines goldenen Zeitalters erquickte, das sich herausringen sollte aus dem Abgrund der verderbten Gegenwart.

Das Gilgameschepos läßt insofern deutlich erkennen, daß es einer Zeit sozialer Erschütterungen entstammt, wo die Erlösungssehnsucht die Menschen überkommt, als es die Idee des Weltgerichtes enthält, das Verderben bedeutet für die im Morast der Sünden steckenden

Menschen. Und da in diesem Epos das Streben nach Erlösung von den Ketten des Todes mit leiddurchzitterten Farben hingezeichnet ist, so ist erwiesen, daß der Jenseitsglaube in den Kreisen wenigstens der vom Vorgang der ,,Individualisierung" erfaßten Aristokratie um sich gegriffen hat. Jene Götter aber, in deren Schicksal auch das Schicksal der sterbenden und wiederauflebenden Natur sich verkörpert, gelten nun als Totenerwecker. Marduk, Istar, Tamusz sind solche befreiende Mächte, die den Menschen aus der Knechtschaft des Todes herausziehen, doch läßt es sich nicht ausmachen, welche Bedeutung ihrem Kult zukam. Aber wenn auch das fromme Gemüt, vielleicht selbst unter mystischen Schauern, sich versenkte in die Herrlichkeit eines ewigen, von aller Pein befreiten Lebens: von einem Abscheu vor der Welt im indischen Sinn, der zur Weltflucht oder Askese führte, ist nichts zu spüren. Werden doch gerade jene Götter, die den Menschen Unsterblichkeit gewähren, auch als Schutzherren des Feldes und des Hauses, überhaupt der sozialen Ordnung verehrt!

Mithin drängt auch die willensgewaltig aufrauschende babylonische Seele, um von dem Peinigenden des Gefühls der Unrast und der Unfertigkeit loszukommen, hin zu einem Abschluß, und nicht allein ein himnlisches, freilich von irdischem Glanz erfülltes Jenseits leuchtet so vor dem nach Erlösung verlangenden Menschen auf: auch auf das bürgerlich Dasein fällt das Licht einer verklärenden Hoffnung: der Hoffnung, daß ein Reich der Harmonie, des Glückes von den starken, wunder tätigen Händen eines Heilandes aufgebaut werde. Mag nach der Anschauung der Philosophen das Weltgeschehen in einem ins Unend liche hineinweisenden Kreislauf sich vollziehen: das Auge des Menschen, der nach Erlösung von der Not des Lebens lechzt, heftet sich auf die nächste Zukunft, die er mit glaubender, hoffender Seele sich ausmalt als eine Ordnung des Friedens.

Solche Glückserwartung, die das Traumbild einer vollkommenen Zeit eingibt, läßt vermuten, daß in Babylon schwere soziale Mißstände die Sehnsucht weckten, einmal unter einem gütigen, gerechten Regiment des Daseins froh zu werden. Namentlich in den Kreisen bedrückter Bauern wird der Geist der Unzufriedenheit sich geregt und Bilder sozialen Friedens erweckt haben. Sicher sind Propheten erstanden, die Trost spendeten den Mühseligen und Beladenen und vor ihnen. aufstrahlen ließen das beglückende Licht einer besseren Welt.

Eine Fluchzeit ist herangekommen, diese der Weltzeitalter-Lehre nachgebildete Auffassung verbreitete sich in Babylon, als mit der Auflösung des einst festen feudalen Gefüges die Willkür der Herrschenden die Bauern zu Boden trat: aber so furchtbar auch die Leiden sind, die die Menschen bedrücken: die Zeit des Segens steht bevor. Man sucht sich in dem Wirrwarr des Weltgeschehens zurecht zu finden, indem man annimmt, daß einst in einer fernen Urzeit paradiesische Eintracht und Wonne herrschte, daß dann die Unschuld verloren ging, die Willkür und Sünde um sich fraß, die Zeiten immer schlimmer wurden, und daß nun, wenn das Elend und die Ungerechtigkeit ihre höchste Höhe erreicht, aus dem Wirbel des Chaos heraus ein Frühling aufquellen und die Menschen mit seinen Gaben beglücken werde.

Die erhaltenen Beschreibungen der Fluchzeit lassen deutlich erkennen, daß soziale Mißstände bestimmend waren für die Ausmalung der Schreckenszeit. Von der Herrschaft der Sünde ist die Rede, von einem Überwuchern der Selbstsucht, so daß einer dem andern nachstellt und alle sozialen Bande aufgelöst sind; von Königen, die tyrannisch die Menschen quälen, von Kriegsnot und dem Zorn der Götter, die ihr Ohr den Gebeten verschließen. Und in diese grausige Not ist eingemischt der Aufruhr der Natur, indem Seuchen mit giftigem Hauch die Menschen niederstrecken, Glutwinde die Felder ausdörren, Überschwemmungen zerstören, was fleißige Hände geschaffen, Sonne und Mond sich verfinstern, so daß ein schreckliches, in Finsternis gehülltes Chaos wütet.

Von diesem Wirrsal hebt sich die Segenszeit ab wie ein goldener Morgen von einer schaurigen Sturmnacht. Die Zeit der Tränen und des Jammers ist vorbei, und nun öffnen sich namentlich den Armen und Unterdrückten die Tore, hinter denen das Glück aus gesegneten Gefilden aufquillt. Der Geist der Gerechtigkeit, der den Schwachen schützt, waltet im Lande, Freude vergoldet nun das Dasein, denn auch die Natur spendet wieder ihre Gaben, indem die Götter den Menschen wohlgesinnt sich zuneigen. Harmonie wölbt sich über die Völker, so daß sie sich auf Erden ergehen können als Erlöste und Befreite. Es eröffnet mithin dieses Ideal eine Zeit der sozialen Eintracht. Der Gedanke einer Lebensgemeinschaft taucht auf, in der Brudergefühle herrschen, also keine unterdrückende Klasse mehr das Volk in die Not stößt. Wer aber wird dieses herrliche Reich schaffen? Bauen es die

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