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Es zeigt sich Spenglers Unfähigkeit zu bauen weiterhin darin, daß sein Werk von Widersprüchen völlig durchsetzt ist. Und in diesen kommt zum Vorschein, daß das Grundprinzip, aus dem er die Kulturen ableiten möchte, nicht errungen worden ist, indem er etwa jahrelang mit den wirren Erscheinungen gekämpft, um ihnen das Geheimnis ihres Lebens abzutrotzen, sondern seine Formeln sind willkürlich, auf Grund miẞverstandener Lektüre auch, aufgerafft worden. So vergißt er sie immer wieder, und so ergeht er sich oft in Ausführungen, die seine Formeln förmlich verhöhnen.

Verächtlich spricht Spengler davon, daß Nietzsche, dem er übrigens unendlich viel zu verdanken, den Pöbel in den Gliedern habe. Wohlan, Nietzsche hat wenigstens mit den Problemen des Lebens gekämpft, bis er zerbrochen niedersank. Und wenn sein Werk mehr einem Wirbel von Gegensätzen gleicht als einem wohlgestalteten Bauwerk, es liegt immerhin die Weihe eines erhabenen Ringens über ihm. Aber auch Spenglers Werk zerfällt ähnlich wie das Nietzsches in tausend Stücke, nur empfangen wir nicht den Eindruck, daß hier ein hoher Geist sich vergebens abgemüht, um einem gewaltigen Problem den Schleier abzuziehen. Keine religiösen Schauer erfüllen mehr sein Werk, das doch vorgibt, zu den letzten Quellen des Daseins vordringen zu wollen; die furchtbare Tragik des menschlichen Lebens, die doch gerade bei einer solchen universalgeschichtlichen Wanderung sich auf Schritt und Tritt aufdrängen müßte, hallt kaum in einem ergreifenden Laut wieder; dabei drängt sich die Persönlichkeit Spenglers in zuweilen großsprecherischer Weise in den Vordergrund, während eine Geschichtsbetrachtung, die wirklich in die Tiefen des Lebens hineinführt, zur Demut stimmt. Aber Spengler weiß es anders. Er rückt sich selbst in die Nähe der Gewaltmenschen, für die er eine besondere Vorliebe bekundet, hofft, daß seine umwälzende Leistung sich würdig erweise den Hochtaten Ludendorffs, nach unserer Auffassung also eines der rohesten Gewaltmenschen aller Zeiten. Wohlan, wir schätzen Spenglers Leistung höher als die des deutschen Generals, aber wie deutlich kommt doch die Instinktverlassenheit des Historikers zum Vorschein, wenn er, der das Werk Goethes fortsetzen möchte, sich einem ausgeprägten Zivilisationsmenschen gleichstellt. In einem lichten Augenblick also ist es ihm selbst zum Bewußtsein gekommen, was wir zu erweisen suchten: nämlich, daß er in starker Weise den Einflüssen des Geistes der Zivilisation ausgesetzt ist.

Doch verdient sein Werk nicht die Ablehnung, die es von seiten der Fachgelehrten erfahren hat von den Literaten, die über Spengler herfallen, um ihr eigenes Licht leuchten zu lassen, sprechen wir lieber nicht: ein großes Problem hat er aufgegriffen, und als die Leistung eines Geistes, der über einen in die Weiten des Völkerlebens eindringenden Blick, zudem über einen außerordentlichen Verstand gebietet und guten Willens ist, die schreckliche „Empirie" unserer Zeit zu überwinden, wird es geschichtliche Bedeutung gewinnen.

ZWEI SYMBOLE

GOETHES FAUST

Chaos

'S wird vielleicht jenen Lesern, denen philosophische Betrachtungen

allgemeiner Art an erleuchtenden Beispielen zeigen, was wir mit unserer Methode zu leisten imstande sind. Es muß also gelingen, Kulturerscheinungen, mögen sie auch durch Jahrtausende oder gewaltige Räume getrennt sein, auf eine vom Urphänomen ausgehende Strahlenbahn zu rücken, so daß deutlich sichtbar wird, wie diese Urgewalt in ihnen sich entfaltet. Wir wählen Goethes Faust und die religiösen Offenbarungen des Jahrhunderte vor Christus lebenden Iraniers Zarathushtra, indem wir annehmen dürfen, hier Gebiete zu betreten, die dem Gebildeten mehr oder minder vertraut sind. Und es sei betont, daß wir uns zu dieser Wahl verstanden haben nicht deshalb, weil etwa die zu behandelnden Probleme unserer Methode besonders angemessen wären. Nein, die Probe würde auch gelingen, wenn wir einen beliebigen Zauberer der Urzeit und Michelangelo, die babylonische Architektur und Dante, einen römischen Kapitalisten und Novalis, Plotin und Napoleon zum Vorwurf ausersehen hätten, und wir hoffen, daß das vorliegende Werk, vor allem auch die bis zur Gegenwart führenden folgenden Bände nachweisen werden, wie das Urphänomen in allen Erscheinungen, die in den Kreis einer geschichtlichen Entwicklung einbezogen sind, lebt und webt.

Goethe hat sein erhabenstes Werk mit der Meisterschaft des großen Gestalters herausgehoben aus den Abgründen seiner unermeßlichen Seele: einer Seele, in der das Leben flutet mit all seinen unheimlichen Schauern und tiefen Beglückungen. Nie hätte er die furchtbaren Schrecknisse, die dem Dasein einverleibt sind, so ergreifend zu schildern vermocht, hätten sie nicht seine eigene Seele durchwühlt, oder hätte er nicht die Gabe

besessen, mit 'feinfühligem, allen Erscheinungen zugewandtem Geiste die Ängste und Nöte, die den Menschen peinigen, mitzuempfinden. Und Goethe ist nicht der Sohn des Glückes, als der er so oft gepriesen worden, nicht, meinen wir, der harmonieumflossene Göttersohn, der nur die Hand auszustrecken braucht, um mit leichtem Druck von paradiesischen Bäumen die Früchte zu brechen. Er hat, denkt man an sein langes Leben und die große Zahl seiner Werke, die er sich oft in schmerzensvollem Ringen abgetrotzt, eine Fülle von Leid getragen, und wenn sein Werk durchhallt ist auch von Lauten der Harmonie; wenn er, wie nur je ein großer Mensch, das Glück der Erlösung, des Friedens, der Wonne in Gott besungen hat in unvergleichlichen Melodien: er ist mit Blutstropfen besprengt der Kranz, der das Haupt des Beseligten schmückt. Und in keinem Werk hat er den unheimlichen Untergrund alles Erhabenen und Großen, das in unser fragwürdiges Leben hineinglänzt, so rückhaltlos aufgedeckt wie im Faust, diesem Werk, das die Schrecken der Hölle entkoppelt und in schmelzenden Lauten himmlische Weisen erklingen läßt.

Ist es richtig, wie man behauptet hat, daß Goethes Faust lediglich als eine Äußerung des abendländischen Geistes zu gelten hat, daß sich also in ihm ein Leben verdichtet, das strenge zu scheiden vom Rhythmus der anderen Kulturen? Es würde unserer geschichtsphilosophischen Grundauffassung widersprechen, wollten wir solcher Anschauung beipflichten. Gewiß, eine Fülle von Zügen ist in die Gestalt Faustens eingemeißelt, die seine Zugehörigkeit zur abendländischen Kultur erweisen: und wir geben zu, daß es einem Inder schwer fallen würde, das auf schwankendem Grunde sich abspielende verworrene Leben des Goetheschen Helden ohne weiteres als Widerhall eigener seelischer Erfahrungen zu empfinden. Aber trotz alledem: auch Faust bietet sich in dem Hin und Her seines Lebens, in seinem Ringen mit unheimlichen Mächten, seinem Aufstieg zu den Gipfeln erlösender Wonnen, seinem ewigen Drängen, seinem nie verstummenden Kampf mit der Unvernunft des Lebens, auf daß die Schlacken sich abscheiden und reinem Metall der Ton des Glückes entschwebe: auch Faust bietet sich dar als Verkörperung des Lebens, so wie wir es auffassen: ein großartiges Symbol ist er des Menschenwehs und Menschenglückes, wie es tausendfältig in allen Kulturen lebendig ist.

Goethe hat, schöpfend aus seiner reichen seelischen Erfahrung, in einer überwältigenden Weise in seinem Drama zur Anschauung ge

bracht, wie in der Form der Systole und Diastole das Leben sich entfaltet: als nie rastender Kampf zwischen Licht und Finsternis wird dieses begriffen, und wenn eben noch Faust im Lichtreich der Wonne steht, anbetend und preisend die gütige Macht, die mit zarter Hand sein fiebriges Herz besänftigt und mit Frieden erfüllt: es währt nicht lange, und unholde Geister zertrümmern die herrliche Welt, die er in seinem Busen aufgebaut hat, auf daß erneut dem Chaos der Sieg abgerungen werde. Das Leben der Natur bildet ein Abbild auch des Menschenlebens:

,,Und schnell und unbegreiflich schnelle
Dreht sich umher der Erde Pracht;

Es wechselt Paradieseshelle

Mit tiefer, schauervoller Nacht;

Es schäumt das Meer in breiten Flüssen

Am tiefen Grund der Felsen auf,

Und Fels und Meer wird fortgerissen

In ewig schnellem Sphärenlauf.

Und Stürme brausen um die Wette,

Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer

Und bilden wütend eine Kette

Der tiefsten Wirkung ringsumher.

Da flammt ein blitzendes Verheeren
Dem Pfade vor des Donnerschlags;
Doch deine Boten, Herr, verehren

Das sanfte Wandeln deines Tags."

Und in den Worten des Erdgeistes wird das Leben in all seiner furchtbaren Gegensätzlichkeit, in deren Strudel eben auch der Mensch einbezogen ist, herrlich geschildert:

,,In Lebensfluten, im Tatensturm

Wall' ich auf und ab,

Wehe hin und her!

Geburt und Grab,

Ein ewiges Meer,

Ein wechselnd Weben,

Ein glühend Leben,

So schaff' ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid."

So begreifen wir, daß Faust als der nach großen Taten lechzende Mensch, der Mut fühlt, sich in die Welt hineinzuwagen, nie auf die Dauer, mögen auch herrliche Triumphe seine Stirne umglänzen, einen unheimlichen Gefährten los wird: Mephistopheles. Und Goethe hat,

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