ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

treffen, sondern in Ausführung göttlicher Thaten, Werke und Anstalten zum Heil der ganzen Welt“, oder, wie er anderswo einmal sagt: „in der Anthropomorphose und Apotheose, Verklärung der Menschheit in die Gottheit und der Gottheit in die Menschheit durch die Vaterschaft und die Sohnschaft". Unleugbar hat Hamann hierin tiefer als die Meisten seiner Zeitgenossen das christliche Prinzip der versöhnenden Liebe Gottes und des kindschaftlichen Vertrauens der Menschen erkannt. Aber wenn er dann dieses Prinzip ohne Weiteres identificirt mit dem Drama gottmenschlicher Wunderthaten und Erscheinungen, in welchem die biblisch-kirchliche Lehrform es vorstellig machte, und wenn er demgemäß den Unglauben an diese geschichtlich bedingte Form als die einzige Sünde gegen den Geist aller Religion bezeichnet, so hat er vergessen, was er selbst vorher treffend über die „mythische und poetische Ader jeder Religion" gesagt hatte. Während er mit einer Hand den Glauben losmachte von den konventionellen Formen der Sapung, um ihn als unmittelbares Gefühl zu besißen, bindet er ihn mit der andern nur um so fester wieder an seine alten Fesseln.

Dieselbe Zweiseitigkeit spricht sich auch in seinen Aeußerungen über Kirche und Schule im Verhältniß zum Staat aus. Das einemal fann er sich nicht wegwerfend genug ausdrücken über diese öffentlichen gemeinen Anstalten, die der obrigkeitlichen Willkür unterworfen, irdisch, menschlich und unter Umständen teuflisch“ seien, die sich „eben so oft als Kreaturen und Mißgeburten des Staates und der Vernunft beiden niederträchtig verkauft, als selbige verrathen haben". Gleichwohl ist er dann wieder nicht wenig erbost über Mendelssohns Behauptung, daß der Staat als Rechtsanstalt, die es nur mit Handlungen zu thun habe, sich nicht in die religiösen Gesinnungen und Lehrmeinungen seiner Bürger einmischen dürfe. Bei solcher Scheidung, entgegnet darauf Hamann, zwischen Lehrmeinung und Gesinnung und Handlung, zwischen Staat und Kirche werde der Staat ein Körper ohne Geist und Leben, ein Aas für Adler, und die Kirche ein Gespenst ohne Fleisch und Bein, ein Popanz für Sperlinge.

Auch hierin verräth sich nun wieder der durchgängige Grundzug des Hamann'schen Denkens: seine Antipathie gegen das abstrakte Trennen dessen, was in der Wirklichkeit des Lebens eins sei. Aber über dem berechtigten Protest gegen abstrakte Trennung verfällt er regelmäßig in den entgegengesetzten Fehler der ebenso abstrakten

Vereinerleiung, übersieht also über dem unmittelbaren Einssein in der konkreten Wirklichkeit die wesentliche Unterschiedenheit der Momente an sich und nach logischer Betrachtungsweise, wie sie eben für das wissenschaftliche Erkennen sowohl wie für das praktische Behandeln der Dinge unentbehrlich ist. Liegt auch in seinem Protestiren gegen die trennende Reflexion, in seiner Vorliebe für das „principium coincidentiae oppositorum“, das er aus Jordano Bruno entnahm, eine unverkennbare Verwandtschaft mit der spekulativen Philosophie, wie dies auch Hegel ausdrücklich anerkannt hat, so hat doch Hamann das Wahre dieses Prinzips (von dem er selbst gestand, daß er es nicht verstehe) so karikirt, daß ihm dabei alle logische Klarheit und Bestimmtheit, Ordnung und Entfaltung der Gedanken in ein wüstes Chaos verfloß. Diese innere Unbestimmtheit und Haltlosigkeit, die Folge seiner logischen Zuchtlosigkeit, bedurfte nun aber auf religiösem Gebiet doch wieder irgend eines festen Haltes, welchen am bequemsten die traditionellen Glaubensformen der Kirche darboten. Daher jenes eigenthümliche Schwanken zwischen stolzer Selbstgewißheit des genialen Subjekts und hülfsbedürftiger Anlehnung an die objektive Autorität, zwischen übermüthigem Sichemancipiren von jeder äußern Form und wieder kleinmüthigem Sichbeugen unter die nächstbeste, kritiklos angenommene traditionelle Form.

Sind diese Züge nun auch in dieser starken Ausprägung bei Hamann individuell, so find sie zugleich doch auch an ihm prototypisch für die ganze Richtung. Es liegt ja auch in der Natur der Sache selbst begründet, daß die abstrakte Unmittelbarkeit des mystischen Glaubensstandpunkts sich in ihrer Ausschließlichkeit gar nicht behaupten kann, daß sie, schon um sich darzustellen und andern Standpunkten gegenüber geltend zu machen, überhaupt um für's konkrete Leben etwas zu bedeuten, auch in bestimmte Formen eingehen muß. Daher wird man hier immer wieder bei prinzipieller Verwerfung und Geringschätzung aller äußern Formen in der Praxis um so prinzip und kritiklofer jede zufällig überkommene Form sich aneignen und den ganzen Gehalt des überschwänglichen Gefühlslebens in sie hineinlegen, ja mit ihr identificiren, so daß dann am Ende die hohe Intuition in sehr ordinären Buchstabendienst ausläuft.

2. Herder.")

Herder war zwar Freund Hamann's und hat von diesem manche Anregung, manche fruchtbare Jdec empfangen; aber gänzlich verkehrt wäre es, Herder's hellen und großdenkenden Geist, in dem sich Philosophie und Geschichte so innig durchdrangen, auf gleiche Linie zu stellen mit jenem dunklen Mystiker und Haffer der Vernunft und Philosophie. Auch unter die „Glaubensphilosophen“ ist Herder nur in sehr bedingter Weise zu rechnen; was er mit ihnen gemein hat, beschränkt sich auf jene allgemeine Opposition der genialen Richtung gegen die Aufklärung und auf die Betonung der unmittelbaren Erfahrung, als leßter Quelle aller Wahrheitserkenntniß, aber auch wirklicher Erkenntniß der Wahrheit, der Realität selbst. Aber während diese Richtung bei ihren bisherigen Vertretern, den Mystikern sowohl als den Sturm- und Drang-Geistern, nur einer trüben Flamme glich, die mehr Qualm als Licht verbreitete, so war es eben Herder's epochemachendes Verdienst, diese Richtung mit einer ungemein vielseitigen geschichtlichen und philosophischen Bildung zu verknüpfen und dadurch erst sie für die deutsche Culturentwicklung zu einem brauchbaren und wirksamen Faktor zu machen. Die Bibel und Plato, Bako, Hume und Shaftesbury, Spinoza, Leibniz, Montesquieu und Rousseau sie alle haben zu dem Schaße der univerfalen Bildung Herder's so viel beigetragen, daß es schwer fällt, zu sagen, welcher Seite das Uebergewicht zufiel.

Den entscheidenden Einfluß auf die Geistesrichtung Herder's hat indeß ohne Zweifel Rousseau geübt. Noch als Student in Königsberg durch Kant auf Rousseau hingewiesen, hat er lange Jahre sich unausgesetzt mit ihm beschäftigt, mit ihm und für ihn geschwärmt, unter seiner Führung sich selbst, seinen Genius, gefunden. Indeß war sein Verhältniß zu Rousseau feineswegs das einer unselbstständigen Abhängigkeit. Rousseau's Aufruf, zur Natur, zu den

*) Zu vergl.: Hettner, Deutsche Literatur im 18. Jahrh. III. 1. Zeller, Gesch. d. d. Phil. S. 350 ff. Harms, Phil. seit Kant, S. 79 ff. Charles Joret, Herder et la renaissance litéraire en Allemagne (Paris 1875). Mein Aufsatz über Herder und Kant in Jahrb. f. prot. Theol. 1875, IV. A. Werner, Herder als Theolog.

Ursprüngen der Menschheit zurückzukehren, der bei jenem wesentlich sociale und politische Tendenz hatte, verwandelte sich für Herder in die wissenschaftliche Frage nach den Ursprüngen und der Entwicklung der menschlichen Gesittung, Sprache, Poesie und Religion. So wurde er der Begründer der neuen Sprach-, Religions- und Geschichtswissenschaft, die sich von der abstrakt_ratio= nalistischen Betrachtungsweise des 18. Jahrhunderts durch den realistischen Sinn für das Eigenthümliche jeder Zeit und Denkart unterscheidet und an die Stelle der blos negirenden Kritik das positive genetische Begreifen seßt. Wie weit ihm dies Begreifen im Einzelnen gelungen sei, ist eine Frage für sich, die auf jedem einzelnen der von ihm bearbeiteten Felder besonders zu untersuchen wäre; und es ist ja zum voraus zu erwarten, daß ein erster derartiger Versuch noch gar manche Mängel enthalten mußte. Allein davon ist die epochemachende Bedeutung des Prinzips an sich, das Herder in die Wissenschaft der Geschichte einführte, völlig unabhängig; und es ist mir außer Zweifel, daß diese epochemachende Bedeutung Herder's bisher unter uns Deutschen entschieden unterschäßt wurde, weil wir in unserer Schulpedanterie nur eben das zu schäßen pflegen, was formulirt und systematisirt ist, und das war Herder's Denken allerdings nicht. Es wird an der Zeit sein, daß wir hierin uns nicht länger sogar von Franzosen beschämen lassen,*) sondern cinzusehen anfangen, daß die specifischen Vorzüge der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts vor der des 18. sich niemals aus Kant's skeptischem inhaltsleerem Idealismus allein ergeben hätten, sondern daß dazu ganz ebensoviel jener geschichtliche Realismus und philosophische Monismus mitgewirkt hat, wie ihn Herder zwar nicht allein, aber

*) Foret macht in der Vorrede zu seiner geistvollen Monographie über Herder darauf aufmerksam, daß dieser „berühmte Denker“ unter allen großen Schriftstellern jenseits des Rheins noch allein keinen Biographen gefunden habe, und ist der Meinung, daß derselbe von seinen Landsleuten zu gering geachtet werde (trop dédaigné, p. XI). Uebrigens scheint sich hierin, wie auch Joret bemerkt, neuestens allerdings ein Umschlag zu Gunsten einer besseren Würdigung Herder's anzubahnen. Ganz besonders ist ein solcher in Harms' „Philosophie seit Kant“ bemerkenswerth, der mit vollem Recht in Lessing und Herder das realistische Complement zu dem skeptischen Idealismus“ Kant's sieht. Ich selbst hatte denselben Gedanken schon in meinem Auffah über „Herder und Kant" (f. oben) durchzuführen gesucht, der mehrfach, wenn auch nur in privaten Aeußerungen, lebhafte Zustimmung gejunden hat.

vorzüglich vertrat und zur Geltung in der Wissenschaft brachte. Seine Auffassung der Natur als einer Geschichte der Erde, als eines Entwicklungsprozesses, in welchem immer mannigfaltigeres und höher organisirtes individuelles Leben sich bildet: sie ist die Vorläuferin nicht blos der Schelling'schen und Oken'schen Naturphilosophie, sondern auch aller der Descendenz- und Entwicklungstheorieen, um welche die heutige Naturwissenschaft sich dreht. Und seine Auffassung der Geschichte als einer fortgesetten Naturgeschichte des Erdenlebens, als eines Entwicklungsprozesses, in welchem das höchste Naturprodukt, der Mensch, nun seinerseits wieder zum Schöpfer wird einer neuen höheren Natur, der Welt der Freiheit, Gesittung, Bildung, kurz: der Humanität: sie ist die Vorläuferin der Hegel'schen Geschichtsphilosophie, die nicht blos für die Geschichtsbetrachtung als solche, sondern mehr noch für die Würdigung aller der großen geschichtlichen Mächte der Menschheit den Blick neu geöffnet hat. Vergleicht man nur beispielsweise die Hegel'sche Religionsphilosophie und ihre schöne, geistvolle Charakterisirung der geschichtlichen Religionen mit der Kant'schen, welche sämmtliche Religionen nach dem einen Leisten der moralischen Vernunftreligion bemißt und darnach dann alle andern außer der - selbst auch verstümmelten christlichen als eitel Aberglauben verurtheilt: so ist diese Distanz so ganz ungeheuer groß, daß sich nothwendig jedem nicht ganz von der Schulschablone Befangenen die Frage aufdrängen muß, ob dieser Fortschritt über Kant hinaus nicht doch noch einen wesentlichen andern Faktor neben der Kant'schen Philosophie als Erklärungsgrund fordere? Wir finden diesen eben in dem universellen Realismus und speciell in der Ge= schichtsphilosophie Herder's, die ihrerseits allerdings auch wieder positiv zusammenhängt mit Lessing und Leibniz, und negativ veranlaßt ist durch das kulturfeindliche Naturevangelium Rousseau's, wie durch den skeptischen Naturalismus Hume's.

[ocr errors]

Diese mehrfache Abhängigkeit verkümmert die hohe, epochemachende Bedeutung Herder's durchaus nicht. Seine Bedeutung liegt vielmehr eben darin, daß er alle die verschiedenartigen Elemente und Ansätze zu einer positiven neuen Weltanschauung, wie sie von Spinoza und Leibniz, von Rousseau und Lessing gegeben waren, nicht blos äußerlich gesammelt, sondern auch wirklich innerlich in sich verarbeitet und so zu einheitlichen Momenten einer neuen Geistesrichtung verknüpft

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »