ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

hinter dem Schulgebäude herzog, an der Stelle des jetzigen Schlobachschen Besitzthums jenseits der Promenade. Als charakteristisch für die Lebensverhältnisse jener Zeit mag erwähnt werden, daß der Rath für diese Familienwohnung, welche Bach fast ein Jahr benutzte, eine Miethe von 60 Thalern zu zahlen hatte. Die CantorWohnung erlitt unterdessen einige Veränderungen: ein Zimmer im ersten Stock kam durch den Umbau in Wegfall, dafür erhielt Bach ein neues im dritten Stock. Es scheint, daß die Wohnung im allgemeinen geräumiger gemacht wurde 22). Sie wurde nun von Bach nicht wieder verlassen bis an seinen Tod, und hat auch nach ihm, wohl im wesentlichen unverändert, den Thomas-Cantoren zum Aufenthalte gedient bis auf Moritz Hauptmanns Zeit. Auch der Anblick des freien Platzes neben der Thomaskirche, welchem das Schulgebäude seine Frontseite zukehrt, und der zwei Seiten desselben umrahmenden Häuser dürfte ziemlich derselbe geblieben sein. Nur der große steinerne Brunnen, welcher damals die Mitte des Platzes zierte, ist verschwunden 23)

II.

Leipzig besaß in jener Zeit drei öffentliche Unterrichts-Anstalten: die Thomas-, Nikolai- und Waisenhausschule 1). Von ihnen war die erstgenannte bei weitem die älteste, sie reicht als Stiftsschule der regulirten Augustiner zu St. Thomae bis ins 13. Jahrhundert hinab 2). Städtisch wurde sie indessen erst vier Jahre nach Einführung der Reformation in Leipzig, indem im Jahre 1543 der Rath sie mit dem sogenannten Thomaskloster und den zugehörigen Klostergütern als Eigenthum erwarb. Das Kloster hatte ein Alumneum gehabt, in welchem zur Ausführung des liturgischen Gesanges und anderer Cultushandlungen eine Anzahl von Knaben unterhalten

22 Acten des Leipziger Raths >>Die Schule zu St. Thomae betr. Fasc. II. sign. VIII, B. 6.«

23, Eine Ansicht des Platzes in Kupferstich findet sich vor der 1723 gedruckten Schulordnung. Übrigens hat die Thomasschule seit dem Herbst 1877 jene alten erinnerungsreichen Räume mit einem vor der Stadt gelegenen neuen Gebäude vertauscht.

1 Das jetzt lebende und florirende Leipzig. 1723. S. 84 ff.

2 Gretschel, Kirchliche Zustände Leipzigs vor und während der Reformation. Leipzig, 1839. S. 128 ff.

wurde. Als protestantische Lehranstalt erfuhr die Schule bald bedeutende Erweiterungen. Zunächst hatte sie vier Classen und eben so viele Lehrer. Als die im Jahre 1511 gegründete Nikolaischule die lernbegierige Jugend nicht mehr fassen konnte, gestattete der Rath, zuerst bis auf weitere Verordnung, auch kleine Knaben in die Thomasschule aufzunehmen. Die Unterweisung mußte anfangs wiederum durch Schüler geschehen, sogenannte Locaten später traten an deren Stelle Collaboratoren. Die Schule umfaßte nun sieben Classen, von denen namentlich die drei niedrigsten eine Zeit lang sehr gefüllt waren. Das Alumnat war geblieben, die Zahl der Stellen wurde durch eine Reihe von Stiftungen allmählig bedeutend vergrößert. Eine Weile betrug sie 32, wuchs dann auf 54 und endlich durch die Stiftung eines Geheimraths Born auf 55 an. Der Hauptzweck, welchen man bei der Erhaltung und Vermehrung des Alumnats im Auge hatte. war die Pflege der Kirchenmusik. Schon den regulirten Augustiner-Chorherren war die Mehrzahl der Leipziger Kirchen, unter ihnen die Thomas- und Nikolai-Kirche, unterstellt gewesen. Die Reformation hielt an einer engen Verbindung von Kirche und Schule fest, und die Alumnen der Thomasschule waren demnach für eine musikalische Ausstattung des protestantischen Gottesdienstes die nächstgegebenen Organe. Mit wie großem Nachdrucke aber Luther die Übung der Musik empfahl, wie er grade von ihr sich große Erfolge für die Ausbreitung der neuen Lehre versprach, ist bekannt.

Der Cantor einer solchen Anstalt war also eine wichtige Persönlichkeit, doppelt wichtig, da er von jeher auch wissenschaftlichen Unterricht zu ertheilen gehabt hatte. Dies drückte sich auch in der Stellung aus, welche er im Lehrer-Collegium einnahm. Die Rangordnung wies ihm in demselben den dritten Platz an1), und während

(( -

3. Acten des Leipziger Raths »Die Schule zu St. Thomae betr. Fasc. I. sign. VIII, B. 5.« und »Fasc. II. sign. VIII, B. 6.« Stallbaum, Die Thomasschule zu Leipzig. Leipzig, 1839. Derselbe, Über den innern Zusammenhang musikalischer Bildung der Jugend mit dem Gesammtzwecke des Gymnasiums. Nebst biographischen Nachrichten über die Cantoren an der Thomasschule zu Leipzig. Leipzig, Fritzsche (1842.

4 Im Wahlprotokoll s. Anhang B, I, nennt einer der Rathsherren deu Cantor Collega quartus. Dies ist ein ungenauer Ausdruck und soll sich nur auf den wissenschaftlichen Unterricht beziehen, in welchem allerdings der Cantor

[ocr errors]

die übrigen Lehrer täglich je vier Stunden geben mußten, war er nebst dem Rector nur zu je dreien verpflichtet. In dieser geringeren Belastung, die sich mit der Zeit noch mehr verringerte, liegt auch wohl der Grund, weshalb man zu sieben Schulclassen schließlich acht Lehrer nöthig hatte. Die Unterrichtszeit war Morgens von 7-10 Uhr und Mittags von 12-3 Uhr. Vor Erlaß der Schulordnung vom Jahre 1634 hatte der Cantor täglich von 7-8 Uhr lateinische Grammatik nur am Sonnabend Luthers lateinischen Katechismus von 12-1 Uhr Musik, von 1-2 lateinische Syntax mit den Tertianern zu treiben. In Gemäßheit der erwähnten Schulordnung wurde die Zahl seiner Gesangstunden um etwas erhöht, diejenige der lateinischen Stunden bedeutend vermindert und von der üblichen Ertheilung von drei Lectionen täglich einfach abgesehen. Der Gesangunterricht fand jetzt am Montag, Dienstag und Mittwoch um 9. und 12 Uhr, am Freitage nur um 12 Uhr statt. Er erstreckte sich auf alle Classen zusammen, d. h. auf die vier obersten und ursprünglichen, denn die Alumnen gehörten nur diesen an. Am Donnerstag früh um 7 Uhr hatte der Cantor die Schüler zur Kirche zu führen, und war übrigens den ganzen Tag frei; am Sonnabend mußte er zu derselben Stunde den Tertianern und Quartanern den lateinischen Katechismus erklären; an den übrigen Tagen hatte er in Tertia je eine lateinische Stunde zu geben. Dieser Lectionsplan erhielt sich mit merkwürdiger Stetigkeit bis zu Bachs Eintritt und trat einstweilen auch für ihn unverändert in Kraft, nur mußte er am Freitag früh mit den Schülern die Kirche besuchen, und war dafür am Donnerstage vollständig frei 5). Gesangunterricht ertheilte der Cantor nur in den vier oberen Classen, seine wenigen wissenschaftlichen Lectionen fast nur in der dritten Classe, deren Hauptlehrer sonst der sogenannte Tertius war. Mit diesem, dem Rector und dem Conrector

thatsächlich dem Tertius nachstand. Ordnungsmäßig folgte er auf den Conrector, dieser auf den Rector; s. Ordnung der Schule zu S. Thomae. 1723. S. 10 ff. Wenn aber die Schulordnung angiebt, es habe vorher außer dem Rector noch acht Lehrer an der Anstalt gegeben, so gilt dieses mindestens nicht für Kuhnaus Zeit. Nach Ausweis der Acten von 1717 existirten damals außer dem Rector nur sieben Lehrer, grade so wie es auch zu Bachs Zeit war; einen Quartus über den beiden Baccalaureen gab es nicht.

51 Ordnung der Schule zu S. Thomae. 1723. S. 30.

bildete er den Kreis der vier oberen Lehrer (superiores), welche sich gegen die übrigen, den Baccalaureus funerum, Baccalaureus nosocomii, den ersten und zweiten Collaborator, oder, wie sie seit 1723 hießen, den Quartus, Quintus, Sextus und Septimus vornehm abschlossen. Den elementaren Gesangunterricht in den drei unteren Classen pflegte der zweite Collaborator zu ertheilen 6). Die vier oberen Lehrer, und also auch der Cantor, waren überdies noch zur Inspection der Alumnen verpflichtet, welche unter ihnen wochenweise wechselte. Sie wohnten dann zeitweilig ganz mit ihnen zusammen und mußten der herrschenden Hausordnung sich anbequemen, nach welcher Morgens um 5 Uhr (des Winters um 6 Uhr) aufgestanden, um 10 Uhr zu Mittag, um 5 Uhr Nachmittags zu Abend gegessen und um 8 Uhr schlafen gegangen wurde 7).

Dieses war es, was dem Cantor innerhalb der Schule oblag. Der Oeffentlichkeit gegenüber erwuchsen ihin weitere Verpflichtungen aus der Stellung, welche er als Director verschiedener durch die Alumnen gebildeter Kirchenchöre einnahm. Die beiden Hauptkirchen der Stadt waren die Thomas- und Nikolai-Kirche. Im Jahre 1699 war aber die reparirte Barfüßer-Kirche unter dem Namen »>Neue Kirche<< dem Gebrauche wieder übergeben und seit Telemanns Anstellung (1704 mit einer eignen Musik ausgestattet worden. Sodann hatte man 1711 den ganz eingegangenen Gottesdienst in der Peterskirche wieder hergestellt). Seit dieser Zeit hatten die Alumnen der Thomasschule sonntäglich in vier Kirchen die Musik zu besorgen, an den hohen Festtagen außerdem in der Kirche des Hospitals zu St. Johannis"). Sie theilten sich demgemäß in vier Chöre.

6. Acten des Leipziger Raths »Schuel zu S. Thomas. Tol: III. Stift. VIII. B. 2. Fol. 16 und 41a, vrgl. Fol. 63, 113 und 114. »Acta, Die Verhältnisse des Pfarrers der Nicolai-Kirche zu Leipzig zu dem Superintendenten daselbst betr.«<, auf dem Ephoral-Archiv zu Leipzig, einen Lectionsplan aus dem Jahre 1714 enthaltend.

7) Rathsacten »Die Schule zu St. Thomae betr. Fasc. II. VIII. B. 6.«, Notiz J. M. Gesners. S. außerdem Ordnung der Schule zu S. Thomae. 1723. S. 27 f. Unter Gesners Rectorat wurde die Hausordnung etwas verändert. S. Gesetze der Schule zu S. Thomae. 1733. S. 12 ff.

8 Rathsacten VII. B. 110. Fol. 77.

9 Sie erhielten hierfür ein besonderes Gratial, früher Speisen und Kuchen, später jährlich 13 Thlr. 3 gr. Rechnungen des Hospitals im Archiv der Stiftungsbuchhalterei auf dem Rathhause zu Leipzig.

Der Peterskirche, in welcher nur Choral-Musik zu singen war, wurden die Anfänger und Schwachen zugewiesen; vermuthlich bediente dieser Chor zugleich die Johanniskirche, deren Fest-Gottesdienst mit dem der Peterskirche nicht collidirte 10). Die übrigen Sänger wurden wohl ziemlich gleich vertheilt, doch war der Dienst in der Neuen Kirche ein verhältnißmäßig leichter, da hier die Schüler nur Motetten und Choräle unter Direction des Chorpräfecten zu singen hatten, an den Festtagen aber und während der Meßen mit anderen Kräften eine concertirende Kirchenmusik aufgeführt wurde 11). Dirigent der letzteren war seit Telemanns Zeit der jedesmalige Organist: die Functionen des Thomas-Cantors reichten hier nicht weiter, als daß er die Kirchenlieder und wahrscheinlich auch die Motetten zu bestimmen hatte, welche gesungen werden sollten 12). In der Petersund Johannis-Kirche war er gar nicht beschäftigt; mithin blieb ihm die Direction der Musik in der Thomas- und Nikolai-Kirche. An den gewöhnlichen Sonntagen wurden immer nur in einer der beiden Kirchen eine Cantate und Motetten aufgeführt und zwar in regelmäßiger Abwechslung; die Cantate sang der erste Chor unter Direction des Cantors. An den beiden ersten Tagen der drei hohen Feste aber, sowie am Neujahr-, Epiphanias-, Himmelfahrts- und TrinitatisTage, desgleichen am Tage Mariä Verkündigung wurde in beiden Kirchen gleichzeitig zweimal concertirende Musik gemacht, so nämlich, daß der erste Chor dieselbe Cantate, welche er Vormittags in der Nikolaikirche gesungen hatte, am Nachmittage in der Thomaskirche vortrug, an einem darauf folgenden zweiten Festtage aber des Vormittags in der Thomaskirche sang und seine Cantate des Nachmittags in der Nikolaikirche wiederholte, während der zweite Chor es umgekehrt machte. Letzterer sang unter Leitung seines Präfecten 13). Die Proben zu den sonntäglichen Kirchenmusiken fanden

10, Bach bemerkt in einer von ihm aufgestellten Tabelle der vier Chöre zu dem vierten : »Und dieses letztere Chor muß auch [NB] die Petri Kirche besorgen. Rathsacten »Schuel zu St. Thomas Vol: IV. Stift. VIII. B. 2.« Fol. 520.

11 S. Anhang B, IV, A.

Sicul, Neo-Annalium Lipsiensium Continuatio II. 2. Aufl. 1719. S. 568. — Außerdem die Actenstücke zum Streit zwischen Bach und Ernesti im sechsten Buche des vorliegenden Werkes.

12) S. Anhang B, IV, A.

13, Sicul, a. a. O. S. 568 f.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »