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»Obig benandter Wünzer hat eine etwas schwache Stimme und noch wenige profectus, dörffte aber wohl (so ein privat exercitium fleißig getrieben würde) mit der Zeit zu gebrauchen seyn.

Leipzig. d. 3 Jun: 1729.

Joh: Sebast: Bach.

Cantor.<

Ein anderes Mal schreibt er:

»Vorzeiger dieses Erdmann Gottwald Pezold von Auerbach, aetatis 14. Jahr, hat eine feine Stimme und ziemliche Profectus. So hiermit eigenhändig attestiret wird

von

Joh: Seb: Bach.«

Ferner:

»Vorzeiger Dieses Johann Christoph Schmied von Bendeleben aus Thüringen aetatis 19 Jahr, hat eine feine Tenor Stimme und singt vom Blat fertig.

Joh: Seb: Bach

Director Musices.<

Oder:

>> Carolus Henrich Scharff, aetatis 14 Jahr, hat eine ziemliche Alt Stimme, und mittelmäßige Profectus in Musicis.

JS Bach.

Cantor.<
.«34)

.

Eine Reihe anderer derartiger Zeugnisse wird weiter unten in einem andern Zusammenhange mitgetheilt werden, da sie neue Seiten der Beurtheilung nicht hervortreten lassen. Hier sei noch ein Zeugniß aus späterer Zeit beigefügt, in dem es sich freilich nicht um einen angehenden Thomasschüler handelt. Im Jahre 1740 sollte eine Collaboratorstelle an der Thomasschule neu besetzt werden. Da mit derselben die Verpflichtung verbunden war, den Knaben die Anfangsgründe der Musik beizubringen, so wurden die Bewerber zu Bach geschickt, um sich prüfen zu lassen. Er berichtete über den Ausfall der Prüfung mit diesen Worten:

»Auf Ihro Excellence des Herrn Vice-Cancellarii hohe Ordre sind die drey competenten bey mir gewesen, und habe Sie folgender maßen befunden:

34) Rathsacten » Schuel zu St. Thomas Vol: IV. Stift. VIII. B. 2«. Fol. 460, 498, 508, 515.

(1) Der Herr M. Röder hat die probe depreciret, weiln er seine resolution geändert und eine Hoffmeister Stelle bey einer Adelichen Familie in Merseburg angetreten.

(2) Der Herr M. Irmler hat eine gar feine Singart; nur fehlet es ihm in etwas am judicio aurium.

(3) Der Herr Wildenhayn spielet etwas auf dem Clavier, aber zum Singen ist er eigenem Geständniß nach, nicht geschickt.

Leipzig. d. 18. Januar. 1740.

Joh: Seb: Bach.«35)

So kurz und allgemein gehalten diese Censuren sind, man ersieht aus ihnen doch, auf welche Seiten der Gesangskunst Bach hauptsächlich sein Augenmerk richtete. Das Wort profectus, welches man in der Bedeutung von »>Leistungen« damals viel gebrauchte, kann allerdings alles einschließen, was von einem Sänger zu verlangen ist. Es erhält aber hier einen umgränzteren Sinn, wenn man erwägt, daß es sich zunächst um brauchbare Chorsänger handelt, und dann hinzu zieht, was über diesen und jenen Examinanden etwa eingehenderes gesagt wird. Danach forderte Bach von seinen Sängern vorzugsweise Treff- und Taktsicherheit, reine Intonation, Ausgiebigkeit und gern auch eine wohlthuende Klangfarbe des Stimmmaterials (»hat eine feine Stimme). Aus jenen Zeugnissen spricht der Musiker, nicht der Gesanglehrer. Von Tonbildung, Aussprache, Registerverbindung und andern speciell gesangstechnischen Dingen ist nicht die Rede. Es wäre lächerlich, nur zu denken, daß Bach mit dergleichen Fragen nicht genügend vertraut gewesen wäre ; zum Ueberfluß sei daran erinnert, daß er in seiner zweiten Gattin eine geschulte, tüchtige Sängerin besaß. Aus seinem Schweigen darüber folgt auch nicht, daß er sie beim Gesangunterricht ganz außer Acht gelassen habe. Aber wohl wird man behaupten dürfen, daß er es nicht als seine Aufgabe ansah, aus den stimmbegabten Thomanern in derselben Weise Gesangskünstler zu bilden, wie er Krebs, Ernst Bach, seine eignen Söhne u. a. zu bedeutenden Spielern und Componisten erzog. In den sieben wöchentlichen Gesangstunden, ar denen, wenn die verschiedenen Chöre ausreichend besetzt waren, gegen 40 Schüler theilzunehmen hatten, war dazu keine Zeit. Er

35) Rathsacten VII, B. 117. Fol. 409. Irmler erhielt die Stelle.

hätte den Begabtesten unter ihnen private Unterweisung zukommen lassen müssen. Um dieses zu thun hätte er wiederum zu der Gesangskunst, von der wir nicht wissen, daß er sie seit seiner Kindheit noch praktisch betrieben, in einem innerlich näheren Verhältniß stehen müssen, als es der Fall war. Bach war, wie seine ganze Entwicklung lehrt, zunächst und vor allem Orgelcomponist. Allen seinen übrigen Instrumental compositionen haftet etwas orgelartiges an, und seine Vocalwerke können als die letzte und höchste Verlebendigung des Bachschen Orgelstiles bezeichnet werden. Das Bestehen eines solchen Verhältnisses braucht nicht nothwendigerweise einen Vorwurf einzuschließen, selbst dann nicht, wenn man rein künstlerische Gesichtspunkte ausschließlich geltend machen wollte. Solange es eine selbständige Instrumentalmusik giebt, hat sie mit der Vocalmusik in Wechselwirkung gestanden, haben Übertragungen herüber und hinüber stattgefunden. Bei Bach wohnt aber, wie wir früher gesehen haben, der Orgel noch ein besonderer, idealer Sinn inne, der demjenigen, was in seiner Vocalmusik stilwidrig erscheinen kann, eine höhere Berechtigung giebt. Jedenfalls verlangte er für sich und nach den von ihm gehegten Ansichten über Kirchenmusik etwas anderes von den Sängern, als es seine musikalische Mitwelt that. Er verlangte weniger, indem alles das, was den Menschengesang als solchen charakterisirt, und was in voller Klarheit überall da hervortreten muß, wo er im Tonstück der herrschende Factor ist, weniger durchgreifende Bedeutung für ihn besaß. Mehr verlangte er, indem er in seinen Compositionen den Sängern oftmals musikalisch-technische Aufgaben stellte, auf die eine aus der Idee der Singstimme heraus producirende Phantasie nicht geführt hätte. Es leuchtet ein, daß in einer solchen Musik auch der Unterschied zwischen den Anforderungen an einen Chorsänger und einen Solisten ein geringerer sein mußte, als z. B. in einem Händelschen Oratorium. Ein im Bachschen Chorgesang recht tüchtiger Alumne konnte bald auch für den Vortrag einer Arie brauchbar werden, da ja die Wirkung derselben viel weniger von ihm allein abhing, als dies bei dem Sänger einer Opern- oder Oratoriums-Arie der Fall war. Den Empfindungsgehalt der Bachschen Arien werden freilich die Knaben und Jünglinge nicht mit jener Fülle der Leidenschaft zum Ausdruck gebracht haben, welche diese Musikstücke anzuregen im Stande

sind, so daß in deren Vortrage die bedeutendsten Sänger eine ihrer größten Aufgaben zu erblicken pflegen. Daß aber auch Bach ein mechanisches Heruntersingen derselben nicht geduldet haben wird, davon darf man überzeugt sein. Johann Friedrich Agricola, Bachs Schüler während der Jahre 1738-1741 36), sagt, es sei höchstnöthig, daß ein Sänger aus der Redekunst, oder durch mündliche Anweisung guter Redner, wenn er sie haben könne, oder doch durch genaue Beachtung ihres Vortrages lerne, was für eine Art des Lautes der Stimme zur Ausdrückung jedes Affects oder jeder Figur der Rede nöthig sei, daß er ferner sich nach diesen Regeln fleißig im Lesen oder Declamiren affectreicher Stellen aus guten Rednern und Dichtern übe 37). Und wir wissen, daß Bach selbst es liebte, die Redekunst als Beispiel zur Verdeutlichung des richtigen musikalischen Vortrages herbeizuziehen. . » Die Theile und Vortheile, welche die Ausarbeitung eines musikalischen Stücks mit der Rednerkunst gemein hat, kennet er so vollkommen, daß man ihn nicht nur mit einem ersättigenden Vergnügen höret, wenn er seine gründlichen Unterredungen auf die Ähnlichkeit und Übereinstimmung beyder lenket; sondern man bewundert auch die geschickte Anwendung derselben in seinen Arbeiten « sagt sein Freund, der Magister Birnbaum 38).

Wenn dieses die Grundsätze waren, welche Bach für seinen Gesangunterricht maßgebend erachtete, so folgt daraus freilich noch nicht, daß er auch deren praktische Durchführung erfolgreich betrieben habe. Hierzu gehörten noch zwei Dinge: pädagogisches Talent auf seiner und musikalisches auf der Schüler Seite. Mit dem, was bei einer andern Gelegenheit über seine große Lehrbefähigung gesagt worden ist 39), scheint es im Widerspruche zu stehen, daß der jüngere Ernesti (seit 1734 Rector der Thomasschule) behauptete, er könne unter dem Schülerchore keine Disciplin halten, und daß nach

36) Gerber, L. I, Sp. 17. — Burney, Tagebuch III, S. 58 ff. Wahrnehmungen u. s. w. Berlin, 1784. S. 93.

Rolle, Neue

37) Tosi, Anleitung zur Singkunst. Mit Erläuterungen und Zusätzen von Johann Friedrich Agricola. Berlin, 1757. S. 139.

38) Bei Scheibe, Critischer Musikus. Leipzig, 1745. S. 997 (Birnbaums Äußerung stammt aus dem Jahre 1739). Vrgl. außerdem Band I, S. 666 f.

39) S. Band I, S. 658 ff.

Bachs Tode im Leipziger Rathe das Wort gesprochen werden konnte, »Herr Bach wäre zwar wohl ein großer Musicus, aber kein Schulmann gewesen<« 40). Aber es ist ein anderes, einen einzelnen lernbegierigen; ehrfurchterfüllten Schüler leiten, als eine unverständige, verwilderte Masse bändigen. Zu ersterem befähigte Bach seine geniale, anregende, echt humane und gewissenhafte Natur; in letzterem behinderte ihn seine Künstler-Reizbarkeit, die Knaben gegenüber hervortrat, welche von seiner Größe keine Vorstellung hatten. Es ging in dieser Beziehung dem reifen Manne in Leipzig nicht anders, als dem Jünglinge in Arnstadt. Daß es mit der musikalischen Begabung unter den Alumnen oft recht dürftig aussah, werden wir gleich des weiteren erfahren. Bach ging von Leipzig aus häufig nach Dresden, hörte dort die ausgezeichneten Leistungen der italiänischen Sänger, das vortreffliche Spiel der königlichen Instrumentalcapelle und war in den Künstlerkreisen sowohl als bei Hofe selbst eine bewunderte Persönlichkeit. Es ist menschlich, daß er unter diesen Umständen die eigne Arbeit mit seinen Thomanern und Stadtmusikanten oft nur mißmuthig verrichtete, und der unlustig gethanen Arbeit pflegt es bekanntlich am Erfolge zu fehlen.

Der hiermit angedeutete Zustand wird übrigens erst nach Verlauf einiger Jahre deutlich offenbar. Anfänglich mag der Reiz der Neuheit, der natürliche Wunsch, die an seine Person geknüpften Erwartungen zu rechtfertigen und vor allem die Freude, endlich einmal wieder nach Herzenslust Kirchenmusik machen zu können, Bach über viele Widerwärtigkeiten leichter hinweggehoben haben. Es liegt wenigstens keine Nachricht vor, welche dieser Annahme im Wege stände. Die ersten Spuren eines Mißverhältnisses werden im Jahre 1729 sichtbar. Zu Ostern dieses Jahres hatten neun Alumnen die Thomasschule absolvirt und verlassen. Es waren brauchbare Musiker gewesen, sogar ein großes Talent befand sich darunter, Wilhelm Friedemann, Bachs ältester Sohn. Bei dieser Gelegenheit kommt zu Tage, daß der Rath, in Sachen des Thomanerchores noch ebenso indolent, wie zu Kuhnaus Zeiten, bei Besetzung der Alumnenstellen schon länger nicht mehr die gebührende Rücksicht darauf genommen hatte, ob die Aspiranten auch musikalisch waren. Der

40 Rathsacten » Protocoll zum Drey Räthen vom 18. August: 1704 bis 1. Septembr: 1753. sign. VIII, 53. Fol. 374b. (8. August 1750.)

SPITTA, J. S. Bach. II.

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