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Cantor zu werden« wollte dem stolzen, berühmten Manne nicht in den Sinn. Selbst nachdem er die Hand schon nach der Erbschaft Kuhnaus ausgestreckt hatte, war er noch ein Vierteljahr lang unschlüssig, ob er nicht besser thäte, sie wieder zurückzuziehen. Aber Personen, von denen er sich Raths erholte, redeten so eifrig zu, daß er endlich den entscheidenden Schritt that. Anfang Februar des Jahres 1723 begab er sich nach Leipzig, und führte am 7., dem Sonntage Estomihi, als sein Probestück die Cantate »Jesus nahm zu sich die Zwölfe<< auf). Seine Ernennung erfolgte nicht sofort; noch war man mit Graupner in Unterhandlung, welcher drei Wochen zuvor seine Probe abgelegt hatte, außer ihm waren auch noch Kauffmann und Schott als Mitbewerber vorhanden. Nachdem aber Graupner zurückgetreten war, bedurfte es keines langen Bedenkens, um aus den drei übrigen Concurrenten den würdigsten heraus zu finden. Bach hatte mit Kuhnau verkehrt, er kannte Leipzig und Leipzig kannte ihn. War er doch schon 1717 zur Abnahme der großen Pauliner Orgel dorthin berufen gewesen. Der Rath wußte, daß er eine bedeutende Kraft an ihm gewann. Man sagte sich, er sei ein ausgezeichneter Clavierspieler, ein Mann, um deswillen man Telemann vergessen könne, der Graupner ebenbürtig sei, und der die nöthige Berühmtheit besäße, um auch die Studenten zur Theilnahme an seinen Musikaufführungen heranzulocken, was bei der damaligen Lage der Dinge besonders wünschenswerth war. Überdies schien Bach den Pflichten eines Thomascantors in ihrem ganzen Umfange genügen zu wollen und hierdurch vor sämmtlichen Bewerbern sich auszuzeichnen. Er erklärte sich bereit auch den wissenschaftlichen Unterricht zu übernehmen. Derselbe bestand aus wöchentlich fünf lateinischen Stunden in Tertia und Quarta; in diesen wurden schriftliche Arbeiten gemacht, Grammatik getrieben, die Colloquia Corderii und der lateinische Katechismus Luthers erklärt. Anfäng

7 Laut einer Notiz auf einem zwar nicht autographen, aber von Bach durchgesehenen und ergänzten Manuscript dieser Cantate, welches sich auf der königl. Bibliothek zu Berlin befindet. Übrigens s. Bd. I, S. 764 f.

8) Maturini Corderii Colloquia scholastica, pietati, literarum doctrinis, decoro puerili, omni muneri, ac sermoni praecipue scholastico, utiliter concinnata. 3, Aufl. Leipzig, 1595.

9) Acten des Leipziger Raths »Schuel zu S. Thomas. Vol: III. Stift. VIII. B. 2. Fol. 41a, 63, und 30S.

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lich scheint Bach das Ansinnen, zugleich Lehrer der lateinischen Sprache zu werden, abgewiesen zu haben 10), oder man hatte dies bei der Weigerung aller übrigen Bewerber auch von ihm vorausgesetzt. Als sich jedoch die Rathsherren am 22. April zur entscheidendén Berathung versammelten, war der Bürgermeister Lange zu der Mittheilung im Stande, Bach habe sich ausdrücklich sowohl officiell als auch im Privatgespräch verpflichtet, den lateinischen Unterricht zu ertheilen. Es konnte ihm nicht unbekannt geblieben sein, daß schon Telemann die Dispensation von dieser Verpflichtung in Aussicht gestellt worden war. Sicherlich wäre ihm sofort dieselbe Erleichterung zugestanden, ja die Rathsherren äußerten aus freien Stücken, wenn er im lateinischen Unterricht nicht allenthalben fortkommen könne, würde man nichts dagegen haben, daß er ihn gegen Entgelt von einem andern versehen ließe. Bach fühlte sich indessen Manns genug, seine Pflichten selbst zu erfüllen, sah es auch wohl als einen Ehrenpunkt an, hinter seinen Vorgängern in keiner Hinsicht zurückzustehen. Nach einem Kuhnau wollte das etwas besagen; daß aber Bach noch von der Schule her ein gewiegter Lateiner war, hatten wir schon Gelegenheit zu bemerken. Merkwürdig genug freilich wird es ihm vorgekommen sein, die Grammatik in der Hand und vielleicht eine Kirchencantate im Kopfe vor einen Haufen von Tertianern hinzutreten. Außer etwa seinen eignen Kindern hatte er zuverlässig derartigen Unterricht bisher niemals ertheilt. Er fühlte denn auch bald die Beschwerde der Aufgabe, und vermochte seinen Collegen, den Magister Pezold, gegen die Summe von jährlich fünfzig Thalern den größeren Theil des Unterrichts für ihn zu übernehmen; fortan ging er nur, wenn Pezold durch Krankheit oder sonst verhindert war, in die Classe und dictirte, »denen Knaben ein Exercitium zu elaboriren« 11).

10 >> Alle drei nämlich: Bach, Kauffmann und Schott würden zugleich nicht informiren können.« Rathsacten VII. B. 117. Protokoll vom 9. April.

11) Diesen Sachverhalt meldet der Superintendent Deyling dem Consistorium unter dem 24. Febr. 1724. S. »Acta die Besetzung des Cantoramts bei der Schule zu St. Thomä zu Leipzig bet.« L. 127. Aus den Leipziger Consistorialacten, jetzt im Consistorialarchiv zu Dresden.) Das Actenstück über Bachs Berufung ist mitgetheilt Anhang B. I.

Etwa vierzehn Tage nach der genannten Rathsverhandlung, am 5. Mai, empfing Bach, welcher persönlich auf dem Rathhause erschienen war, die amtliche Eröffnung, man habe ihn für den tüchtigsten unter seinen Mitbewerbern erachtet und einstimmig erwählt; man übertrage ihm das Amt unter denselben Verhältnissen, unter welchen es sein Vorgänger bekleidet habe. Sodann mußte er einen Revers unterschreiben, der im Jahre vorher für Telemann angefertigt war (und auch nach 27 Jahren seinem Amtsnachfolger wieder vorgelegt wurde): er enthielt die üblichen Versprechungen eines ehrbaren und eingezogenen Lebens, der Treue und des Fleißes in Verrichtung der Amtsgeschäfte, der schuldigen Hochachtung und Folgsamkeit gegen den hochweisen Rath, und legte neben anderem die Verpflichtung auf, die Kirchenmusik nicht zu lang und nicht opernhaftig zu machen, die Knaben nicht nur im Gesange, sondern zur Vermeidung von Unkosten auch in der Instrumentalmusik zu unterrichten, dieselben human zu behandeln, keine untauglichen Sänger in den seiner Aufsicht entrückten Chor der Neuen Kirche zu schicken, nicht ohne Erlaubniß des Bürgermeisters zu verreisen, auch ohne Zustimmung des Rathes kein Amt an der Universität zu übernehmen 12. Noch war indessen die Berufung keine vollzogene Thatsache. Es bedurfte hierzu der Bestätigung des Leipziger Consistoriums, einer staatlichen Aufsichtsbehörde geistlich-weltlichen Charakters 15. Wollte der Rath an den städtischen Kirchen und Schulen eine Stelle besetzen, so mußte er seine Candidaten dem Consistorium präsentiren lassen, welches alsdann eine Art Examen mit denselben abhielt. Das Examen hatte den Zweck. die religiösen Grundsätze des Candidaten zu erforschen. War es befriedigend ausgefallen, so wurde der Geprüfte nunmehr von Seiten des Consistoriums »confirmirt. Bachs Präsentation erfolgte am 8. Mai durch den Superintendenten und Consistorialassessor Deyling, sein Examinator war der Consistorialassessor Dr. Schmid. Mit Zustimmung Deylings stellte

12, S. Anhang B, II.

13, Den Bestand des Consistoriums im Jahre 1724 mit Nennung der einzelnen Mitglieder und der Zeit ihres Eintrittes giebt an Sicul, Leipziger JahrBuch, Band III, S. 358 f. Es befanden sich damals darin sechs Assessoren : die Doctoren Wagner, Lange, Schmid, Packbusch, Deyling, Mascov; Director war schon seit 1709 Dr. Johann Franz Born.

Schmid das Zeugniß aus. Herr Johann Sebastian Bach habe die von ihm gestellten Fragen in einer Weise beantwortet, daß ihm die Übernahme des Cantorats an der Thomasschule wohl gestattet werden könne 14) 14). Am 13. Mai wurde Bach durch das Consistorium confirmirt: er mußte die Concordienformel unterschreiben und einen Eid leisten.

Am Montag dem 31. Mai endlich fand die förmliche Einführung statt 15). Um 9 Uhr Morgens begaben sich zwei Deputirte des Raths, nämlich der derzeitige Vorsteher der Schule Baumeister Lehmann 16) und der Ober-Stadtschreiber Menser nach der Thomasschule, wurden von dem Rector Joh. Heinrich Ernesti an der Thür des Hauses empfangen und in das zur Vornahme des Actes bestimmte Auditorium hinaufgeführt. Hier trafen sie den Prediger an der Thomaskirche Licentiaten Weiße, welcher in Vertretung des Superintendenten Deyling als Abgesandter des Consistoriums erschienen war. Nun versammelten sich mit ihrem neuen Collegen die sechs übrigen Lehrer der Anstalt: Licentiat Christian Ludovici der Conrector, Magister Carl Friedrich Pezold der Tertius, Christoph Schmied der Quartus, Johann Döhnert der Quintus, Johann Friedrich Breunigke der Sextus und Christian Ditmann der Septimus 17). Man setzte sich; der Pastor und die beiden Rathsabgeordneten in einer Reihe, ihnen gegenüber nach der Rangordnung die Schul-Collegen. Vor der Thür sang der Chor ein Musikstück, dann traten sämmtliche Schüler ein. Der Ober-Stadtschreiber hielt eine Einweisungsrede: darauf

14, »Dn. Jo. Sebastianus Bach ad quaestiones a me propositas ita respondit, ut eundem ad officium Cantoratus in Schola Thomana admitti posse censeam. D. Jo. Schmidius.« Darunter steht: »Consentit

D. Salomon Deyling«,

Leipziger Consistorialacten »Actu die Besetzung des Cantoramts bei der Schule zu St. Thomä zu Leipzig bet.« L. 127.

15, S. Anhang A, Nr. 1.

16, Der Titel »Baumeister« bedeutet keinen Architecten, sondern eine Würde im städtischen Rath, analog dem römischen aedilis; s. Wustmann, Der Leipziger Baumeister Hieronymus Lotter. Leipzig, 1875. S. 27. »Baumeister« Lehmann war Jurist; s. Sicul, Leipziger Jahrbuch, Bd. IV, S. 764 ff.

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17 Die damaligen Mitglieder des Lehrercollegiums werden aufgezählt in E. E. Hochw. Raths | der Stadt Leipzig | Ordnung | Der Schule | zu S. THOMAE. | Gedruckt bey Jmmanuel Tietzen, 1723. | « S. 11 und 12.

erfolgte durch den Pastor Weiße noch eine besondere Einweisung mit den üblichen Ermahnungen und Wünschen. Bach erwiederte einige Worte, man beglückwünschte ihn zu seiner neuen Stellung und mit einer abermaligen Musikaufführung wurde der Einführungsact beschlossen. Übrigens zeigte es sich bei dieser Gelegenheit, daß das Consistorium, welches die Selbstherrlichkeit des Rathes in verschiedener Weise beschränkte, diesem ein Dorn im Auge war. Es war bisher nicht Sitte gewesen, daß an der Einführung eines Schulbeamten sich das Consistorium in der geschehenen Weise betheiligte. Die Rathsabgeordneten erklärten zur Stelle, dies sei ein Eingriff in ihre Rechte, Superintendent und Pastor, wenn sie bei der Einführung zugegen wären, hätten nichts weiter zu thun, als den neuen Schulcollegen zu beglückwünschen. Nur dem gemäßigten Auftreten Weißes war es zu verdanken, daß es zwischen ihm und den gereizten Rathsabgeordneten nicht schon vor der ganzen Versammlung zu einem Auftritte kam. Ein förmlicher Protest des Rathes folgte alsbald, dem gegenüber sich das Consistorium aber auf die Vorschriften der churfürstlich sächsischen Kirchenordnung berief 18).

Bach bezog eine Amtswohnung auf dem linken Flügel des Thomasschulgebäudes; vermuthlich war hier von Alters her die Behausung des Cantors gewesen, daß wenigstens Kuhnau dieselben Räume vor ihm innegehabt hatte, darf angenommen werden 19). Das Gebäude war damals nur zweistöckig und für seine Zwecke bedeutend zu klein. Anfang der dreißiger Jahre wurde es umgebaut und um ein Stockwerk erhöht. In Folge dessen hatte Bach vom Frühjahr 1731 bis Neujahr 1732 eine Interimswohnung, wahrscheinlich im Hause des Dr. Christoph Dondorff, welcher seit 1730 Besitzer der Thomasmühle war 20), und der Bachschen Familie befreundet gewesen ist 2). Die Thomasmühle lag außerhalb der Stadtmauer, die sich

18) S. Anhang B, III.

19) Das jetzt lebende und florirende Leipzig. Leipzig, bey Joh. Theodori Boetii seel. Kindern. 1723. S. 78: »Joh. Sebastian Bach, Director Music. und Cantor, am Thomas-Kirchhofe auf der Thomas-Schule«. Daß Kuhnau am Thomas-Kirchhofe gewohnt habe, sagen die Leipziger Leichenregister bei Vermerk seines Begräbnisses.

20) Nach den Viertelsbüchern der Stadt Leipzig, auf dem Bezirksgericht daselbst.

21) Er stand Pathe bei dem 1732 geborenen Sohne Bachs.

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