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sucht, so würde das als ein ganz entschiedener Irrthum zu bezeichnen sein. Der Rath war wohl zeitweilig über Bach aufgebracht und ließ sich in dieser Stimmung zu einer häßlichen übrigens nur kurze Zeit durchgeführten Maßregel hinreißen; er hielt auch überall den Beutel geschlossen, wo es seiner Meinung nach unnöthig war, es sich etwas kosten zu lassen; aber absichtlich gehindert hat er das Gedeihen der von Bach geleiteten Musik nicht. Wenn der Bürgermeister die Jahres-Rechnungen nachschlug, so konnte er im Gegentheil zahlenmäßig beweisen, daß in den letzten Jahren für musikalische Bedürfnisse bedeutend mehr bewilligt und verausgabt war, als früher. Eine umfassende Reparatur der großen Thomas-Orgel, welche 390 Thaler gekostet hatte, war allerdings schon in den Jahren 1720 und 1721 vorgenommen worden. Ihr folgte dann aber in den Jahren 1724 und 1725 eine gründliche, für 600 Thaler hergestellte Erneuerung der »ganz wandelbaren und schadhaften Orgel der Nikolai-Kirche. Im Jahre 1725 wurde an der großen Thomas-Orgel abermals für 40 Thaler reparirt, zwei Jahre darauf an der kleinen für 15 Thaler, und im Jahre 1730, wo Bachs Verhältniß zum Rathe das gespannteste war, bewilligte dieser eine Summe von 50 Thalern, um das Rückpositiv der Thomas-Orgel selbständig spielbar zu machen. Im Jahre 1729 waren zwei neue »feine« Violinen, eine »dergleichen« Viola und ein Violoncell zum Kirchengebrauch für 36 Thaler angekauft worden; in demselben Jahre ließ der Rath durch Bach das Florilegium Portense von Bodenschatz zum Gebrauche der Thomaner bei der Kirchenmusik für die Summe von 12 Thalern erwerben 65). Diese Ausgaben scheinen uns gering auch unter Berücksichtigung des höheren Werthes, welchen das Geld damals hatte. Aber sie waren es nicht im Verhältniß zu dem, was sonst durchschnittlich für die Musik aufgewendet zu werden pflegte. Und doch waren sie es wieder, wenn man sie mit dem vergleicht, was eine Persönlichkeit wie Bach zu beanspruchen berechtigt war. Der Fehler beim damaligen Rathe lag eben darin, daß er sich nicht bewußt war, welch eine einzigartige Kraft er an Bach besaß, und daß, um

65) 1736 wurde noch ein Exemplar dieser Motettensammlung eigens für den Gebrauch in der Nikolai-Kirche angeschafft; es kostete 10 Thaler; im folgenden Jahre abermals eins zum Preise von 8 Thalern für die Thomaskirche. Das erste Exemplar scheint demnach nicht gereicht zu haben.

SPITTA, J. S. Bach. II.

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eine ungehinderte Entfaltung derselben zu ermöglichen, das Doppelte und Dreifache an materieller Förderung noch nicht hingereicht hätte.

Nach den letzten Erfahrungen war Bach gegen seine Behörde begreiflicherweise auf das höchste erbittert. Er erwog jetzt ernstlich den Gedanken, Leipzig zu verlassen. Hätte sich ihm in diesen Monaten irgend eine vortheilhafte Aussicht eröffnet, man kann sicher sein, daß er ihr gefolgt und somit sein Thomas-Cantorat schon nach sieben Jahren zu einem für die Stadt Leipzig wenig ruhmvollen Ende gekommen wäre. Aber dieses war nicht der Fall, sonst wäre Bach wohl nicht auf den Gedanken verfallen, seinen Jugendfreund Erdmann, der mittlerweile kaiserlich russischer Agent in Danzig geworden war, zu ersuchen, ihm dort eine Anstellung zu vermitteln. Was wollte Bach in Danzig? Man sieht, es war ein ingrimmiger Griff ins Blaue hinein. Aber wir verdanken ihm einen der interessantesten Briefe, welche von unserm Meister vorhanden sind.

Hochwohlgebohrner Herr,

Euer Hochwohlgebohren werden einem alten treuen Diener bestens excusiren, daß er sich die Freiheit nimmet Ihnen mit diesen zu incommodiren. Es werden nunmehr fast 4 Jahre verfloßen seyn, da Euer Hochwohlgebohren auf mein an Ihnen abgelaßenes mit einer gütigen Antwort mich beglückten 66); wenn mich dann entsinne, daß Ihnen wegen meiner Fatalitäten einige Nachricht zu geben, hochgeneigt verlanget wurde, als soll solches hiermit gehorsamst erstattet werden. Von Jugend auf sind Ihnen meine Fata bestens bewust, bis auf die mutation, so mich als Capellmeister nach Çöthen zohe. Daselbst hatte einen gnädigen und Music so wohl liebenden als kennenden Fürsten, bey welchem auch vermeinete meine Lebenszeit zu beschließen. Es muste sich aber fügen, daß erwehnter Serenissimus sich mit einer Berenburgischen Princeßin vermählete, da es dann das Ansinnen gewinnen wolte, als ob die musicalische Inclination bey gesagtem Fürsten in etwas laulicht werden.

66) Im December 1725 war Erdmann zur Ordnung nothwendiger Angelegenheiten von Danzig in sein Vaterland Sachsen-Gotha gereist. Wie aus diesem Briefe hervorgeht, hatte er sich aber bei der Gelegenheit mit Bach nicht gesehen.

wolte, zumahle die neue Fürstin schiene eine amusa zu seyn: so fügte es Gott, daß zu hiesigem Directore Musices und Cantore an der Thomas Schule vociret wurde. Ob es mir nun zwar anfänglich gar nicht anständig seyn wolte, aus einem Capellmeister ein Cantor zu werden. Weßwegen auch meine Resolution auf ein vierthel Jahr trainirete, jedoch wurde mir diese Station dermaßen favorable beschrieben, daß endlich |: zumahle da meine Söhne denen studiis zu incliniren schienen es in des Höchsten Nahmen wagete und mich nacher Leipzig begabe, meine Probe ablegete, und so dann die mutation vornahme. Hierselbst bin nun nach Gottes Willen annoch beständig. Da aber nun 1) finde, daß dieser Dienst bey weiten nicht so erklecklich, als mann mir ihn beschrieben, 2) viele Accidentia dieser Station entgangen, 3) ein sehr theurer Orth und 4) eine wunderliche und der Music wenig ergebene Obrigkeit ist, mithin fast in stetem Verdruß, Neid und Verfolgung leben muß, als werde genöthiget werden, mit des Höchsten Beystand meine Fortune anderweitig zu suchen. Solten Euer Hochwohlgebohren vor einen alten treuen Diener dasiges Orthes eine convenable station wißen oder finden, so ersuche gantz gehorsamst vor mich eine hochgeneigte Recommendation einzulegen; an mir soll es nicht manquiren, daß dem hochgeneigten Vorspruch und interceßion einige satisfaction zu geben, mich bestens beflißen seyn werde. Meine itzige station belaufet sich etwa auf 700 Thaler, und wenn es etwas mehrere, als ordinairement Leichen gibt, so steigen nach proportion die accidentia; ist aber eine gesunde Lufft, so fallen hingegen auch solche, wie denn voriges Jahr an ordinairen Leichen accidentia über 100 Thaler Einbuße gehabt. In Thüringen kann ich mit 400 Thalern weiter kommen als hiesiges Orthes mit noch einmahl so vielen hunderten, wegen der excessiven kostbaren Lebensarth. Nunmehro muß doch auch mit noch wenigen von meinem häußlichen Zustande etwas erwehnen. Ich bin zum 2ten Mahl verheurathet und ist meine erste Frau seel. in Cöthen gestorben. Aus ersterer Ehe sind am Leben 3 Söhne und eine Tochter, wie solche Euer Hochwohlgebohren annoch in Weimar gesehen zu haben, sich hochgeneigt erinnern werden. Aus 2ter Ehe sind am Leben 1 Sohn und 2 Töchter. Mein ältester Sohn ist ein studiosus Juris, die andern beyde frequentiren noch einer primam und der andere 2 dam classem, und die älteste Tochter ist auch noch unverheurathet. Die Kinder anderer Ehe

sind noch klein, und der Knabe erstgebohrner 6 Jahr alt. Ingesamt aber sind sie gebohrne Musici und kann versichern, daß schon ein Concert vocaliter und instrumentaliter mit meiner Familie formiren kan, zumahle da meine itzige Frau gar einen saubern Soprano singet, und auch meine älteste Tochter nicht schlimm einschläget. Ich überschreite fast daß Maaß der Höfligkeit wenn Euer Hochwohlgebohren mit mehrern incommodire, derowegen eile zum Schluß mit allen ergebensten respect zeitlebens verharrend Euer Hochwohlgebohren

Leipzig, d. 28 Octobris

1730.

gantz gehorsamst ergebenster Diener

Joh: Sebast: Bach.«67).

Der Brief hatte nicht den gewünschten Erfolg; Bach ist in Leipzig geblieben. Und, wie wir mit Grund annehmen dürfen: endlich doch nicht allzu ungern. Wären die Verhältnisse wirklich unerträglich gewesen, so hätte ein Mann von seiner Energie zuverlässig nicht eher geruht, als bis er sich aus ihnen befreit sah; und bei seinem großen Rufe würde ihm das auch nicht grade schwer geworden sein. Wenn Bach mit einem gewissen Nachdruck über die hohen Preise der Lebensbedürfnisse in Leipzig, über die Unzulänglichkeit und Unsicherheit seines Einkommens klagt die Beredsamkeit, mit welcher er in der Denkschrift die finanziell günstige Lage der Dresdener Musiker schildert, erscheint hiernach besonders bedeutungsvoll so haben ihn vorübergehend ungünstige Umstände und seine allgemeine Verstimmung offenbar zu schwarz sehen lassen. Man braucht solchen Klagen nur ganz einfach die Thatsache entgegen zu setzen. daß Bachs Privatverhältnisse bei seinem Tode wohlgeordnete waren, daß er einen behaglich eingerichteten Hausstand, ja sogar etwas Vermögen hinterließ. Wenn schon Kuhnau meinte, mit dem Salarium fixum könne ein Musicus wie er, der immer von seinen Kunstverwandten Zuspruch erhalte, auch den Studenten,

67) Adresse fehlt. Seit ich in Band I, S. 755 und 764 f. zwei Bruchstücke dieses Briefes mittheilte, bin ich durch Freundeshand in Besitz einer photographischen Nachbildung des ganzen Briefes gelangt. Dieselbe hat ergeben, daß in einer der S. 755 abgedruckten Zeilen ein Wort ausgelassen war; außerdem noch ein paar andre unbedeutende Versehen des Copisten, welche man durch Vergleichung leicht entdecken wird.

die mit zu Chore gingen, manche Ergötzlichkeit machen müsse, und überdies ein starkes Hauswesen habe, keine großen Sprünge machen ), wie viel mehr galt dieses von Bach, dessen Familie so ungleich stärker war, und dessen Haus kaum irgend ein durchreisender Künstler vorbeiging. Daß er da noch zurücklegen konnte, will gewiß etwas heißen. Unter dem Neide seiner Kunstgenossen erklärt er zu leiden. Man denkt an Görner. Aber wohin hätte ein Mann wie Bach gehen können und keine Neider finden? Gewiß, die musikalischen Mittel waren dürftig; aber darüber konnte er sich von Anfang an nicht täuschen und in einigen Beziehungen hatten sie sich doch schon gemehrt und verbessert. Und war endlich die Haltung der Behörde auch nie sonderlich aufmunternd, ja zu Zeiten gradezu niederdrückend und verletzend, so scharf war das mußte Bach einsehen

der Gegensatz zwischen ihm und ihr doch nicht geworden, daß es sich hier um Sein oder Nichtsein gehandelt hätte. So zog denn die dunkle Wolke allmählig vorüber und der Himmel wurde wieder hell. Einen sehr erheblichen Einfluß darauf hatte ein noch in demselben Jahre eingetretenes Ereigniß, von dem man überhaupt sagen darf, daß es die glücklichste Periode von Bachs Leipziger Zeit einleiten half.

Im September hatte der neugewählte Rector der Thomasschule Johann Mathias Gesner die Amtsführung übernommen. Gesner war 1691 zu Roth in der Nähe von Nürnberg geboren, studirte in Jena und wurde 1715 Conrector des Gymnasiums zu Weimar 69). Hier wirkte er bis 1729 und stand sieben Jahre auch der herzoglichen Bibliothek vor. Dann übernahm er die Leitung des Gymnasiums zu Anspach, gab aber diese Stellung schon nach einem Jahre wieder auf, um nach Leipzig zu gehen. Auch hier hat er nur bis 1734 verweilt. Er hatte sich verbindlich gemacht neben dem Schul-Rectorat nicht zugleich auch eine Universitätsprofessur zu bekleiden. Da dieses bei den Thomas-Rectoren sonst der Fall zu sein pflegte, so schädigte es Gesners Stellung, daß grade er der Universität fern bleiben mußte. Außerdem wies ihn seine Begabung entschieden auf die höchste Lehrstufe. Er folgte daher 1734 einem Rufe an die Uni

68) S. Anhang B, IV, D. 69) S. Band I, S. 390.

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