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Wir haben hier also den seltsamen Fall, dass zwei Autoren einen falsch verstandenen Vorgang so wiedergegeben haben, dass überall noch die Spuren des wahren Sachverhaltes zu finden sind, selbst wenn sie zu ihrer Auffassung nicht recht passen. Daraus folgt mit Notwendigkeit, dass ihre Darstellung auf eine Quelle zurückgeht, die darüber genau unterrichtet war: ein Autor, der als Urquelle dieselben Vorstellungen wie Polybius und Livius hatte, hätte ja unmöglich solche unklaren und geradezu falschen Ausdrücke anwenden können. Schon Bujak1) hatte sie auf Silenus über Coelius zurückgeführt, ohne seine Ansicht recht erhärten zu können. Ihm war daher Böttcher 2) entgegengetreten, indem er für die erste der Livianischen Traditionen 3) wohl den Coelius, aber nicht den Silenus gelten liess, weil Silenus als Augenzeuge nicht solch Märchen, sondern die Wahrheit hätte schreiben müssen. Wir wissen jetzt, dass dieser Einwand hinfällig ist, weil wir hier kein Märchen, sondern die Wahrheit vor uns haben.

Dagegen weist Böttcher sehr richtig auf, das gewissermassen ängstliche Bemühen, den Ursprung derselben (sc. Tradition) trotz ihrer inneren. Unwahrscheinlichkeit auf eine natürliche Weise zu erklären", hin und, dass er es nicht wagt, die erste einfach zu streichen oder zu verwerfen“. Böttcher zieht daraus den Schluss, Livius habe beide Berichte in einer und derselben Quelle nebeneinander gefunden. Wir können getrost noch weiter gehen. Wir haben gesehen, dass die Bemerkung impetu ipso fluminis in alteram ripam rapiente genau zu unserm Verfahren passt, also gleichfalls auf den Augenzeugen zurückgeht, dass sie überhaupt nur scheinbar märchenhaft ist. Ob nun Livius gewusst hat, woher diese Worte stammten? Er sagt1): „Ich glaube sicher, die Vorschläge für die Art des Uebersetzens sind verschieden gewesen" d. h.: er führt uns gleichsam in den Kriegsrat Hannibals, wo man erwägt, wie am besten die Elefanten hinüber zu schaffen seien. Er führt also auch die von ihm abgelehnte Ueberlieferung auf die Umgebung Hannibals zurück d. h. wohl auf Silenus. Daher die Vorsicht in der Wiedergabe, die, wie wir wissen, durchaus am Platze war.

Was wollen wir nun mit beiden Traditionen anfangen? Wir haben gesehen, dass sie eigentlich garnicht zwei verschiedene Vorgänge schildern, sondern dass die erste zur zweiten sehr gut passt und mit ihr eins ist. Sollte sie vielleicht einmal in der zweiten gestanden haben? Die erste spricht von einem schwer gereizten Elefanten: ferocissimum ex iis inritatum, die zweite auch: saerientes quidam; bei beiden spielen bedrängte Führer eine Rolle, bei beiden legen die Elefanten auf dem Grunde des Flusses schreitend ihren Weg zurück, kurz die ganze erste Tradition ab

1) Bujak: de Sileno scriptore Hannibalis. Diss. Regimonti. S. 16. 2) Jahrbücher f. klass. Philologie. Suppl. 5. 1864-72. S. 383.

3) XXI. 28. 5. 4) XXI. 28. 5.

gesehen vom Schlusse findet im Schlusse der zweiten ihr Gegenstück, beide sind identisch miteinander, soweit dies nur die eines tatsächlichen Vorganges mit einem märchenhaft ausgeschmückten sein kann. Lassen wir beide mit den gleichen Partien gewissermassen zusammenfallen, so erhalten wir aus dem Schlusse der ersten Tradition eine Bemerkung, die den ganzen Vorgang vorzüglich zusammenfasst und abschliesst: Und so wurden die Elefanten durch die Strömung des Flusses selber hinübergerissen", denn gerade hier wieder treffen wir das verräterische rapere an. An dieser Stelle mag die Bemerkung wohl bei Coelius auch gestanden haben, nur hat Livius sie vorangestellt, um sie erst polemisch abzulehnen und dann das nach seiner Meinung Richtige zu geben; vielleicht bildete sie bei Coelius sogar mit dem Berichte noch eine Einheit, und nur Livius fasste sie als Sondertradition auf. Dass sie in der Urquelle mit dem Berichte eins war, dürfte ein Blick in den Polybius erhärten. In seiner Wiedergabe finden wir in Uebereinstimmung mit der zweiten Livianischen Tradition, die Elefanten hätten unter Wasser meist aufrecht ihren Weg zurückgelegt", aber nicht finden wir, wie sie den Rest des Weges, den sie nicht aufrecht zurücklegten, genommen haben. Dass aber tatsächlich einige den festen Boden verloren, das erwähnt wieder die erste Tradition bei Livius, die wir der zweiten anschliessen zu müssen glaubten. Beide, Polybius und Livius mit seinen beiden Berichten, ergänzen sich also zu einer abgeschlossenen Einheit, deren Sinn wir allerdings zum Teil mehr ahnen, als kennen. Der ganze Schluss des Silenus-Berichtes mag dargestellt haben: 1. dass einige Elefanten ins Wasser sprangen und meist auf dem Grunde des Flusses schreitend den Weg zurücklegten; 2. dass sie jedoch dann bisweilen den festen Boden unter den Füssen verloren und zwar von der Strömung abgetrieben, aber doch wohl behalten ans andere Ufer kamen; 3. dass überhaupt gerade die Strömung die Elefanten von Ufer zu Ufer befördert hat. Hieraus ist sofort ersichtlich, wie die beiden letzten Bemerkungen bei ihrer grossen Aehnlichkeit und der scheinbaren Unverständlichkeit der letzten zu einer einzigen verschmolzen.

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Uebrigens hat sie sich in diesem Sinne später zu einer ganz selbständigen Tradition ausgebildet, indem sie alles scheinbar Märchenhafte abstreifte und dafür das wirklich nur Erfundene als Tatsache hinstellte. So tritt sie uns bei Frontin1) entgegen. Gerade das, was Hannibal vermeidet, dass die Elefanten ins Wasser gehen die Tiere wären ja viel zu weit abgetrieben worden und die wenigen, welche wirklich hineinsprangen, mögen Mühe genug gemacht haben, als man sie ans feste Ufer rettete lässt Frontin ihn anbefehlen. Die Angst der Tiere, die auch hier bei Livius erwähnt wird, fehlt ganz. So haben sich die Verhältnisse in der Uebernahme der Berichte umgekehrt.

1) Stratagemata I 7. 2.

Wie haben nun Polybius und Livius diesen Silenus-Bericht übernommen? Hat Livius ihn aus Polybius oder nicht?

Wir machten vorhin schon auf einige Widersprüche des Polybius und auf Unklarheiten in seinem Berichte aufmerksam. Die Boote liegen schon da, verankert das entspricht gut unserem Verfahren, aber nicht dem des Polybius. Die Kähne sollen mittels der Taue das Floss gegen den Strom halten: auch das ist bei unserm Verfahren der Fall, nicht bei dem des Polybius, der sich das übrigens bei unbefangener Ueberlegung und in voller Kenntnis der Stärke der Strömung (er erwähnt sie ja selber) auch sagen konnte. Dadurch gerade soll das Floss hinübergeschafft werden: nach unserer Annahme ist dem so, nicht nach der des Polybius, denn bei ihm werden sie durch Rudern transportiert. Was er also geschrieben hat, ist so, wie es dasteht, richtig und zwar so richtig, dass wir daraus den wahren Sachverhalt rekonstruieren konnten ist so, wie er es auffasst, falsch. Er hat also diese Worte nicht aus sich selber niedergeschrieben, sondern sie aus seiner Quelle ganz genau übernommen endlich eine Stelle, an der nach meiner Meinung ganz einwandfrei nachgewiesen werden kann, dass auch Polybius seine Quelle wörtlich abschreibt. Andrerseits hat er, was er nicht verstand, fortgelassen z. B. die Bemerkung, die Strömung habe die Tiere hinübergeschafft, hat er doch hier so scharf abgeschnitten, dass der letzte Gedanke τὸ πολύ geradezu durchgerissen ist.

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Livius weicht nun in mehreren Punkten von Polybius ab. Zunächst gibt er für die Brücke ein Maß: etwa 16 m breit und 32 m lang, Polybius sagt allgemein: sehr gross", ràs uɛyioras, das Naber 1), wie wir jetzt sagen dürfen, zu unrecht verworfen hat. Dass Livius die Zahl sich ausgedacht haben soll, ist undenkbar; viel eher lässt sich annehmen, dass Polybius an den Maßen Anstoss nahm, da sie für das Schleppverfahren in der Tat bedenklich hoch sind: er ersetzte sie einfach durch ein allgemeines sehr gross". Ferner hat Livius, wie schon erwähnt, eine treffende Bemerkung über die Vorrichtung, mittels deren das Floss hinübergeht, während Polybius dafür nur wieder einen allgemeinen Vergleich zwischen Brücke und Anlände anstellt. Es ist ja wohl zu erklären, dass der Abschreiber ungenauer ist als seine Quelle, aber kaum, dass er genauer ist als diese. Das rapere, von dem Livius mit Vorliebe spricht, und das doch durchaus in seine Darstellung nicht passen will, hat Polybius seiner Anschauung gemäss in Tazέog ȧлέoлασɑr abgeschwächt: für die Quelle zu wenig, für sich zuviel. Livius lässt die Fähre zurückkehren, und zwar unterbricht diese Bemerkung die gemäss dem Polybius fortlaufende Erzählung; der vorsichtige Polybius hat gefunden, dass neue Flösse verwendet wurden: ohne zu forschen, warum dies geschehen sei, übernimmt

1) Polybiana in Mnemosyne, 1857. S. 120.

er es, und zwar an anderer Stelle, als die Notiz des Livius über die Rückkehr der Flösse steht. Ueberhaupt gibt Livius unserer Interpretation Fingerzeige, wo Polybius uns im Stiche lässt.

Wir sehen also, dass Livius gerade an den Stellen, an denen Polybius eine Korrektur vornehmen zu müssen glaubt, um die Quelle mit seiner Anschauung zu vermitteln, dieser Quelle und somit der Wahrheit wegen der gutgläubigen Uebernahme weit näher steht. Es ist demnach ganz ausgeschlossen, dass dieser Bericht des Livius aus Polybius geflossen ist. Nun bestehen aber zwischen beiden partienweise fast wörtliche Uebereinstimmungen, von denen einige als Beispiel gegeben seien.

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προτείνοντες εἰς τὸν πόρον . . . in amnem porrexerunt . . . πρὸς τὸ μὴ παρωθεῖσθαι κατὰ τὸν ne secunda aqua deferretur . . . ποταμόν

....

ἦγον δύο προθέμενοι θηλείας

praegredientibus feminis acti.

διακόψαντες τοὺς δεσμούς οἷς resolutis vinculis quibus adnera erat προσήρτηντο πρὸς τὰς ἄλλας

διαταραχθέντα τὰ ζῷα

urguentes inter se trepidationis aliquantum edebant

περιεχόμενα πανταχόθεν ὑπὸ τοῦ quietem ipse timor circumspectantibus δεύματος ἀπεδειλία καὶ μένειν ἠναγ-aquam fecisset.

κάζετο κατά χώραν.

τινὰ δὲ ἀπέρριψεν αὐτὰ εἰς τὸν excidere etiam quidam in flumen. ποταμόν.

Da wir nun vorhin gesehen haben, wie genau auch Polybius seiner Quelle folgt, selbst wenn sie eigentlich nicht im Einklange mit seiner Auffassung steht, da ferner Livius seinen Bericht nicht aus Polybius geschöpft haben kann, so bleibt, wenn man die ganze Uebereinstimmung beider Autoren, über den Bericht hin verteilt, erklären will, nur der Schluss übrig, dass Polybius sich genau so eng und fast wörtlich an seine Quelle anzulehnen pflegt, wie Livius es tut. Wir haben hier eine Stelle, an der diese Tatsache, die soviel umstritten ist, endlich einmal, wie ich meine, einwandfrei festgestellt werden kann, eben weil beide wiedergegeben haben, was sie eigentlich nicht recht verstanden, und das gilt vielleicht schon für Coelius als Quelle des Livius. Wir gewinnen aber auch gleichzeitig einen für beide charakteristischen Maßstab dafür, wie sie sich gegen ihre Quellen verhalten: Polybius vorsichtig, überlegend, alles mit seiner Ansicht möglichst in Einklang setzend, lieber fortlassend, was er nicht versteht; Livius oberflächlich, ungenau, unbesorgt aus sich heraus Zusätze zur Darstellung der Quelle machend.

Was uns eine Vergleichung der Uebereinstimmungen nie mit Sicher

354 J. Philipp, Wie hat Hannibal die Elefanten über die Rhone gesetzt? heit lehren kann, hat uns hier ein verschiedener Grad der Fehlerhaftigkeit und des aus Missverständnissen geflossenen Korrektur-Bedürfnisses gezeigt.

An sich ist ja garnicht so wunderbar, dass ein technischer Bericht ohne beigelegte Zeichnung von Laien missverstanden wird und besonders, wenn ähnliche Verfahren wie hier das Schleppen von Flössen sicherlich eine ganz geläufige Vorstellung des Lesers ist. Aber gerade weil das Schleppen der Flösse garnicht solche Seltenheit ist und sicherlich auch damals nicht war, wäre ja ganz unauffindbar, warum ein Mann sich die Zeit nimmt, in einem Geschichtsbuche mit solcher Ausführlichkeit darüber zu handeln, wie Silenus es getan hat. Ueber den Ebro-Uebergang beispielsweise erfahren wir garnichts weiter als die Tatsache selber; der Bau der Pobrücke nach der Schlacht am Ticinus wird gleichermaßen nur erwähnt. Nun erst verstehen wir, dass das Unternehmen ein ganz ausserordentliches und in diesem Kapitel der Kriegsgeschichte einzig dastehendes ist, wohl wert, dass man seiner Ueberlieferung einen grösseren Raum zugestand, und würdig, der Rheinbrücke Caesars an die Seite gestellt zu werden.

Berlin.

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