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schenkte er auch dem Consistorialrath Dr. Schulz sein ganzes Vertrauen und verfolgte mit fast zügellofer Leidenschaftlichkeit den Generalsuperintendenten Ribbeck, der freilich auch seinerseits nicht sanften Gemüths war. €8 kam sogar in den Sizungen des Consistoriums zu skandalösen Auftritten. Daß er als Oberpräsident der Provinz Schlesien und als Präsident des Consistoriums und Provinzial-Schulcollegiums kein willfähriges Organ des Ministers war, vielmehr die Verfügungen desselben in jeder Weise zu vereiteln suchte, kann man sich hiernach leicht denken. Uebrigens verfolgte der erwähnte Gymnasialdirector keineswegs eine particuläre und rigoristische Richtung, sondern ertheilte im gläubigen Sinn einen rein lutherischen Religionsunterricht, bekannte sich, ob von Herzen, weiß ich nicht, zur Union und hielt sich fern von den Separatisten. Er hat sich seitdem sogar zu einer Autorität in der Frage über den Religions= unterricht in Gymnasien erhoben.

Diese kurzen Erläuterungen werden hinreichen, um die Auffassung, der Lücke bei Gelegenheit der Recension meines Buchs,,Zur Beurtheilung des Ministeriums Eichhorn" einen so hochtragischen Ausbruck gegeben, in das rechte Licht zu stellen. Die Geschichte Preußens soll, seiner Ansicht nach, besonders seit dem Regierungsantritt des jeßigen Königs, die Art und den Gang einer geschichtlichen Tragödie haben, und das Ministerium Eichhorn zu den Hauptmomenten gehören, welche den fünften Act, die Märzkatastrophe des vorigen Jahres herbeigeführt haben!!! Uebrigens hat Lücke meinen guten Absichten alle Gerechtigkeit widerfahren lassen

und nur bedauert, daß das Gesetz der Schonung und Discretion mich in meinen Mittheilungen sparsamer gemacht, als Fernstehenden wünschenswerth sei. - Die seit dem Erscheinen jener Schrift verflossenen zehn Jahre sind so voll von kirchlichen Wirren der merkwürdigsten Art, daß das Material zur Geschichte des Eichhorn'schen Ministeriums jezt nur noch einen historischen Werth hat und daher die Geschichtschreiber von dem Gesetze der Schonung und Discretion, welches mich in meinen Mittheilungen allerdings sparsamer machte, größtentheils entbindet.

Ich will hier nur noch auf die großen Uebel aufmerksam machen, die Eichhorn kommen sah und mit allen Kräften seines Geistes zu verhüten suchte. Unmittelbar nach seinem Sturze brachen sie hervor. Denn die erste und eilfertigste Handlung der Staatsmänner, welche die Märzrevolution ans Ruder brachte, war die völlige bürgerliche Gleichstellung aller religiösen Bekenntnisse, namentlich auch der nichtchriftlichen; also ganz dieselbe Herrschermarime, mit welcher Kaiser Julian aus Liebe zum ge= bildeten Heidenthum und aus Haß gegen das Christenthum seine Regierung antrat. Seit dem Bestehen der evangelischen Kirche hat kein politisches Ereigniß von so unheilvollen Folgen für sie und für die evangelischen Staaten stattgefunden; denn die Staaten haben damit den erst durch die Reformation zur Geltung gebrachten christlichen Staatsbegriff und die für sie aus demselben erwachsene moralische Kraft sozusagen auf den Kehrichthaufen geworfen. Die Anhänger der katholischen Kirche, welche durch ihren Organismus und durch ihr sichtbares

Oberhaupt sich unter allem Wandel und Wechsel der jeweiligen Staatsvernunft zu schüßen weiß, jubelten über diesen zum Princip des Staatsrechts erhobenen religiösen Indifferentismus; natürlich, da ja alle Bestrebungen der römischen Hierarchie stets darauf gerichtet waren, die Staatsgewalten auf das Gebiet des bürgerlichen Rechts und der Polizei zu beschränken. Für die evangelische Kirche hat jene Gleichstellung aller religiösen Bekenntnisse die entgegengesetten Folgen, Folgen von so tief und so destructiv eingreifender Kraft, daß alle ihre gläubigen Glieder mit großer Besorgniß für ihr ferneres Bestehen erfüllt waren und noch sind. Denn die Geschichte der Entstehung und Entwickelung der evangelischen Kirche ist so innig mit dem Staate verflochten, daß ihre Losreißung von demselben die bisherige gesetzliche Ordnung ihres Bestehens und ihrer Thätigkeiten vernichtet. Das neue geistliche Ministerium ließ es nicht bei dem Staatsgrundgeseze bewenden, sondern hob auch sofort die evangelisch - kirchliche Oberbehörde auf, welche der König zu ihrer Leitung und zu ihrem Schuße noch kurz vor dem Ausbruche der Revolution durch Eichhorn hatte in das Leben rufen lassen. Der Wirrwarr begann sofort und offenbarte sich auf dem ersten Kirchentage in Wittenberg in einem unerquicklichen Durcheinandergähren verschiedener Richtungen, sodaß man unwillkürlich an die prophetischen Worte erinnert wurde: „So alsdann Jemand zu euch wird sagen: Siehe hier ist Christus oder da, so sollt ihr es nicht glauben. Denn es werden falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder thun, daß verführt werden in den Irrthum, wo es

möglich wäre, auch die Auserwählten.

Darum wenn sie euch sagen werden: Siehe, er ist in der Wüste, so gehet nicht hinaus; siehe, er ist in der Kammer, so glaubet es nicht." So geht es mehr oder weniger fort bis auf den heutigen Tag, und zwar nicht allein auf den Kirchentagen, sondern auch in den Kirchenregimenten der evangelischen Staaten. Ich bin zwar des zuversichtlichen Glaubens, daß der Herr seine Kirche, deren ewige Wahrheit ich meinestheils in den lutherischen Bekennt= nissen am vollkommensten ausgedrückt finde, schüßen wird, finde es aber sehr erklärlich, daß die Katholiken in diesem Wirrwarr eine Auflösung der evangelischen Kirche erblicken, hinweisend auf das Schicksal der Arianer, der Donatisten, der Manichäer und der Pelagianer, zumal Niemand leugnen kann, daß alle diese Richtungen innerhalb der äußern Umgrenzung der evangelischen Kirche zahlreiche Vertretung finden; freilich auch innerhalb der katholischen, ja vielleicht eine noch viel stärkere, nur daß hier eine Autorität, welche Alle scheuen, das Ganze äußerlich zusammenhält.

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Des arg verlästerten Königs und seines Ministers nahm sich übrigens auf jenem wittenberger Kirchentage Niemand an, auch keiner von Denen, die früher in ihren Briefen an mich nicht Worte genug finden konnten, um ihre tiefe Verehrung vor dem Könige“ und ihren „innigst gefühlten Dank gegen den Minister“ auszudrücken. Als ich einen derselben, einen Generalsuperintendenten, den ich aufrichtig verehrte, auf diese Pflicht aufmerksam machte, zuckte er die Achseln und sagte: „es hilft doch nichts, und Ladenberg und Schwerin würden

es Denjenigen entgelten lassen, der es wagte, eine Lobrede auf Eichhorn zu halten.“ Ich dachte nicht an eine Lobrede, sondern an eine Schutzrede, an eine Erinnerung der Verdienste, welche der König sich thatsächlich um die Organisation der Kirche erworben hatte. Diese Kirchenmänner fürchteten den König nicht mehr, wohl aber die Ungnade der neuen Gewalthaber. Es gehört diese Erfahrung zu den traurigsten meines Lebens. Sie indignirte mich in dem Grade, daß ich, obwol kein geborener Preuße und ganz frei von Dankbarkeitspflichten, auf der Stelle den Entschluß faßte, die Erfüllung [die= ser heiligen Pflicht selbst zu übernehmen. Ich kehrte nach Berlin zurück und schrieb das für mich äußerst gefährliche Buch „Zur Beurtheilung des Ministeriums Eichhorn".

Die Scheu vor der öffentlichen Meinung“ und deren Organe lähmte auch vor Eichhorn's Sturz alle Zungen, Niemand wagte es, ihn zu vertheidigen; denn weit verbreitet war die ursprünglich von Berlin ausgegan= gene Meinung: „Das Ministerium Eichhorn stehe im Dienste einer pietistischen und reactionär= aristokratischen Hofpartei, deren Hauptorgan der Minister von Thiele sei." Mit unglaublicher Zähigkeit wurde diese Meinung besonders auch im südlichen Deutschland, in den höhern und höchsten Regionen des geselli= gen Lebens festgehalten. Einen merkwürdigen Beweis davon erhielt ich im Jahre 1846 in Stuttgart. Ein an der Mittagstafel des Gasthofs neben mir sizender Mann, dem die Tischgesellschaft vorzügliche Aufmerksam= feit erwies, brachte die Rede auf preußische Zustände

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