ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

mittelbar Nächsten zu streben, und, weil wir es wieder nur als ein Einzelnes, nicht nach allen seinen Beziehungen zum Ganzen zu erfassen, und überall nur die äussere, nicht die moralische Widerstandskraft zu berechnen im Stande sind, auch dieses Nächste nirgends mit Sicherheit zu ergreifen vermögen. Wissen wir doch auch nicht in einem einzigen Falle, ob Dasjenige, wornach wir mit der angestrengtesten Beharrlichkeit streben, in seinen Folgen sich uns nicht in den zerreissendsten Jammer verwandeln werde; noch ob, was wir mit der eigensinnigsten Hartnäckigkeit abgewiesen, uns nicht dem ersehnten Glück in die Arme geführt haben würde: so dass selbst Glück und Unglück, die Gegenstände des einfachsten Bestrebens und Verabscheuens unsrer Natur, nicht anders als in ihrer unmittelbaren Gegenwart für uns vorhanden sind.

Kann aber gleich das Gefühl der Nichtigkeit unsrer Kraft in dem Streben nach Erkenntniss, und nach materiellen Lebenszwecken, auf keine Weise anders, als niederdrückend auf uns einwirken: so verfallen wir doch einem weit herberen Schmerz, wenn wir uns die Frage vorlegen, zu welcher wir durch jenes Gefühl selbst unvermeidlich hingedrängt werden. Wenn alle Zwecke, welche wir uns setzen können, keine letzten Zwecke, und unsre Kräfte überall zu beschränkt sind, um sie mit Sicherheit zu erreichen: was also ist denn der letzte Zweck unsers Lebens; das endliche Ziel, für welches wir zu streben, zu irren, zu dulden, und zu leiden bestimmt sind, und in welchem das Räthsel unsers Daseyns seine endliche Lösung findet? Diese Frage ist es, welche den tragischen Schmerz des Lebens in sich schliesst. Der Mangel einer befriedigenden, jeden Zweifel ausschliessenden Lösung derselben, um welche die Philosophie sich seit Jahrtausenden vergeblich bemüht hat, ist es allein, der dem Schnierz seinen scharfen Stachel gibt, die Freude zu ei

nem träumerischen Rausch, jeden Schritt auf der Bahn des Lebens zum unsichern Schwanken, und in tausend Fällen die Tugend zur Thorheit oder zur Geckerei macht; der, indem er uns über die sinnliche Gegenwart hinaus jedes feste Ziel nimmt, uns in dieser selbst nur Widerspruch, Zerstückelung, und den Kampf feindseliger Elemente gewahren lässt; und der die Keime der Entzweiung mit dem Leben um so unvermeidlicher in uns zur Reife bringt, als wir uns durch die Anlage unsrer Natur fortwährend zur Schlichtung solches Streites aufgefordert finden.

Darum bedarf der Mensch für jenen Schmerz einer Versöhnung, wenn er nicht der Entzweiung mit seinem Daseyn unvermeidlich verfallen soll: und nur im Glauben vermag er sie zu finden. An diesen ist er gewiesen, und nur durch diesen erhält sein Streben eine feste Begründung, und sein Leben eine sichere Bedeutung. Wenn der Glaube die Schranken unsers Erkennens nicht hinauszurücken, und die Unzulänglichkeit unsers Strebens nach endlichen Zwecken nicht aufzuheben vermag: so entfernt er doch jeden leidenschaftlichen Unmuth über die Vereitlung der letzteren, indem er sie uns nicht weiter so hoch anschlagen, und uns in ihrem Misslingen, wie in der Beschränkung unsrer Kräfte überhaupt, die Fügung einer höhern Weisheit verehren lässt, die selbst dort noch unsre Entwicklung fördert, wo sie dieselbe zu hemmen und zu verwirren scheint.

Ich fürchte nicht, mein Freund, dass Sie, wie einer von den Beurtheilern meiner Melpomene, sagen werden, ich habe zur Entwicklung der tragischen Idee einen theologischen Standpunkt genommen. Ich habe hier mit der Theologie nichts zu schaffen, und bewege mich nicht auf ihrem Gebiete. Unbedenklich aber gestehe ich ein, ich würde sehr gering von der psychologischen Einsicht

Desjenigen denken, welcher mit der Macht des Schmerzes, so wie mit den finsteren Dämonen, welche in der Brust des Menschen brüten, nicht hinlänglich bekannt wäre, um zu wissen, dass sie, einmal erwacht, ihn jederzeit zur Entzweiung mit seinem Daseyn hindrängen; und dass es einen Grad dieser Zerfallenheit, so wie selbst für den Stärksten einen Grad ihres Schmerzes gebe, der eben nur im Glauben sein Gegengewicht und seine Versöhnung finden kann.

Der höchste Grad dieses Zerfallenseyns, des leidenschaftlichen, bis zur Verzweiflung gesteigerten Unmuths über die Schranken der Menschheit, und der frechsten Empörung gegen jedes Gesetz der Begränzung, ist im Faust dargestellt. Diese Tendenz ist im Gedichte selbst mit solcher Entschiedenheit ausgesprochen, und so einstimmig anerkannt, dass sie im allgemeinen hier keiner weiteren Erörterung bedarf. Was ich insbesondere darüber zu bemerken habe, will ich Ihnen in meinem nächsten Schreiben mittheilen.

Zweiter Brief.

Ganz richtig ist Ihre Bemerkung, verehrter Freund, dass sich in Faust's Charakter alle drei Richtungen, wenn auch in sehr ungleichem Masse, ausgedrückt finden, nach welchen hin die menschliche Kraft ihrer Beschränkung gewahr werden kann: die Richtung auf Erkenntniss nämlich, auf materielle, und auf sittliche Lebenszwecke; in welchen drei Richtungen eben alles menschliche Streben rein aufgeht. In jener Vereinigung liegt denn auch die Totalität der Dichtung; und wenn Einige diese die Welttragödie, und Andere, besser, die Tragödie der Menschheit genannt haben: so ist es zum Theil in diesem Sinn, dass eine solche Benennung ihr zukommt.

Verfolgt man nun jene drei Richtungen bei Faust im einzelnen, und zunächst die auf sittliche Zwecke hinausgehende: so ist es an sich selbst klar, dass diese Zwecke keine rein sittlichen seyn können. Denn es wäre in der That ein sonderbarer Einfall, wenn sich Jemand dem Teufel aus reinem Tugendeifer verschriebe, und eine solche Dichtung wohl die frechste, wie die abgeschmackteste Verhöhnung des sittlichen Strebens, welche der Uebermuth sich erlauben könnte. Auch kann das rein sittliche Streben, in wie fern nämlich bei endlichen Wesen von einem solchen die Rede seyn darf, seiner Natur nach nie zu einer Entzweiung über seine Beschränkung führen: weil es jederzeit seinen Abschluss in der Idee einer sittlichen Weltregierung sucht und findet, und durch den fe

sten Glauben an diese, auch in der Beschränkung mit sich selbst sich einig fühlend, vor jedem Zerfallen über diese bewahrt wird. Unvermeidlich aber werden die Keime der Letzteren sich dort entwickeln, wo das sittliche Streben selbst auf entschieden vorherrschenden Beweggründen der Eigensucht ruht; ein Hebel, der von Klinger in seiner Bearbeitung des Faust sehr wirksam benützt worden ist. In Göthe's Faust hingegen tritt das sittliche Streben bei diesem auf das offenbarste zurück, wie es auch nach der Anlage des ganzen Gedichtes nothwendig zurücktreten müsste; und nur in dem Wunsch, Andern reine, von Irrthum ungetrübte Quellen der Erkenntniss öffnen zu können; in seiner thätigen Verwendung bei der Seuche; und in einem gelegenheitlichen Rückblick auf den ungleichen Streit zwischen der sittlichen und sinnlichen Natur des Menschen, ist es mit wenigen einzelnen Zügen angedeutet.

Desto bedeutender tritt in Faust das Streben nach Erkenntniss hervor. Es ergibt sich im allgemeinen von selbst, dass jedes Streben nach Erkenntniss, ausschliessend um ihrer selbst willen, als ein rein intellectuelles, durchaus undramatisch ist. Daher vermöchte denn die Zerfallenheit über die Schranken unsers Erkennens in überraschenden Zügen, herb und ohne Milderung hingestellt, wohl einen tragischen Eindruck; nie aber eine tragische Wirkung hervorzubringen, die nur auf das Handeln gegründet werden mag. Zur Erreichung einer solchen kann sie nur dann geeignet seyn, wenn das Streben nach Erkenntniss mit dem Streben nach äusseren Lebenszwecken in Verbindung tritt; und auf solche Weise allein konnte es im Faust dem Stamm der alten Volkssage eingeimpft, oder als dieser bereits angehörender Zweig benützt werden *). *) Mit echt aristophanischer Laune behandelt, könnte sich inzwischen die Sage auch in dieser Richtung hin verbreiten;

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »